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Ein Demokratiebegriff, der sich nicht für die Namensgebung eignet

Einige Gedanken zum Aufsatz Schöner, neuer Faschismus von Michael Kraske

„Nationaldemokratie“, spottete ich, „was soll das sein? Nationalsozialistische Politik erfordert einen Demokratiebegriff, der sich nicht für die Namensgebung eignet. Wenn mit der Wahl des Führers die Demokratie beendet ist, rennen Sie immer noch mit der Demokratie im Namen herum! Wie dumm kann man eigentlich sein?“

Timur Vermes, Er ist wieder da

Die faschistische Propaganda nimmt realexistierende Probleme, dichtet diese faktenunabhängig den Sündenböcken an, die gerade herumliegen, und gibt sich selbst als die Lösung aus. So ist der Faschismus der kapitalistischen Gesellschaftsordnung immer wieder zur Rettung geeilt, und deshalb ist eine vermeintlich antifaschistische Politik, die diese Gesellschaftsordnung nicht angreift, oder gar verteidigt, höchstens als Treibstoff für faschistische Bestrebungen geeignet.

Auf der Webseite des Freiraum-Verlags ist von Michael Kraske unlängst ein Aufsatz namens Schöner neuer Faschismus zum Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern erschienen, der diesen politischen Widerspruch getreu verkörpert.

Vorab: In Kraskes Aufsatz ist durchaus viel Gutes zu finden. Seine Analyse des Verhaltens und der programmatischen Einstellung der AfD ist sehr lesenswert, ebenso seine Abgrenzung zwischen AfD und Faschismus im eigentlichen Sinne. Insgesamt ist Schöner neuer Faschismus ein sehr lesenswerter Text. Meine Kritik gilt nur einem Teilaspekt des Aufsatzes, und zwar dem, in dem es um die Stichwörter „Demokratieverachtung“ und „die da oben“ geht. Auch gilt die nachfolgende Kritik keineswegs nur Kraske, denn das, was an seinem Text auszusetzen ist, ist im politischen Diskurs eigentlich gang und gäbe.

Bei Kraske wird das soziale und wirtschaftliche Elend, in dem in bestimmten Bevölkerungsteilen der Faschismus erst gedeihen kann, nicht geleugnet. Daß es sich dabei um das absehbare Ergebnis einer jahrelang – und auch heute noch – konsequent verfolgten neoliberalen Politik handelt, das erwähnt er nicht.

Daß zum Aufstieg der faschistoiden AfD Demokratieverachtung gehört, ist durchaus richtig, nur wird diese Demokratieverachtung nicht ganz richtig verortet. Die Demokratieverachtung will Kraske (und ja nicht nur Kraske) in den Äußerungen der AfD sehen, und dort ist sie auch durchaus zu finden. Dabei wird aber übersehen, dass seit geraumer Zeit ein zutiefst demokratieverachtendes Klima herrscht, und zwar ganz oben. Wenn nach einer von der Liberalisierung des Finanzwesens herbeigeführten Wirtschaftskrise eine totale Mobilmachung ausgerufen wird, um die für die Krise verantwortlichen Firmen auf Kosten der Krisenopfer zu rekapitalisieren, kann nur von Demokratieverachtung die Rede sein. Wenn der demokratische Wille der Mehrheit der griechischen Bevölkerung, sich kein Geld mehr zugunsten deutscher Konzerne vom Mund absparen zu wollen, einfach ignoriert wird, verrät die Oberschicht eine zutiefst menschen- und demokratieverachtende Grundeinstellung. Wenn die Hartz IV-Verarmungsgesetze der Mehrheitsmeinung entgegen nicht nur nicht aufgehoben, sondern in verfassungswidrigem Maße verschärft werden, sieht man, wie viel Wert auf demokratisches Staatshandeln an maßgeblicher Stelle eigentlich gelegt wird. Und wenn Staat und Medien auch noch Feindbilder und Sündenböcke am laufenden Band fertigen, um die eigene menschen- und demokratieverachtende Politik zu rechtfertigen, schaffen sie das Klima, das den Aufstieg einer AfD erst möglich macht. All das müsste in einem Text zur Rolle der Demokratieverachtung beim Aufstieg rechtsextremer Bewegungen richtigerweise vorkommen. Bei Kraske und den anderen Autoren, die den Rechtsextremismus ohne Systemkritik analysieren wollen, kommt all das aber gar nicht vor, und so kann diese Analyse nur ins Leere laufen.

Den Aufstieg der faschistoiden AfD bringt Kraske u.a. auf den Nenner „Demokratieverachtung“ und liegt damit auch nicht ganz falsch. Die Sache geht aber gründlich schief, als Kraske seinen Demokratiebegriff offenlegt.

Bei Kraske gelten allem Anschein nach alle Parlamentarier – zumindest der etablierten kapitalistischen Parteien wie Union, SPD usw. – pauschal als „Demokraten“, und zwar ohne jegliche Rücksicht darauf, was sie eigentlich für eine Politik machen. Angela Merkel nimmt Kraske in Schutz mit dem Verweis darauf, dass sie „demokratisch gewählt“ sei. Ja, sagt Kraske, es gebe durchaus Probleme mit Lobbyisten und so, aber das sei alles im Endeffekt doch nicht so doll, als dass man den demokratischen Charakter des Regimes insgesamt in Frage stellen könne.

Im Roman Er ist wieder da (und im gleichnamigen Film) lässt man den wiederauferstandenen Adolf Hitler sagen, nationalsozialistische Politik erfordere „einen Demokratiebegriff, der sich nicht für die Namensgebung eignet“, d.h. eine lexikosemantische Landschaft, in der „Demokrat“ ein Schimpfwort ist. Da drängt sich die Frage geradezu auf, wie so ein Demokratiebegriff überhaupt entstehen kann. Wie ist es überhaupt möglich, dass „Demokratie“, womit schließlich eine Gesellschaftsordnung gemeint ist, in der die Bevölkerung über ihr Geschick selbst entscheidet, zum Schimpfwort degradiert wird? Dazu müssen die gedanklichen Voraussetzungen bereits erfüllt sein.

Man stelle sich eine Gesellschaft vor, die im wahrsten Wortssinne demokratisch ist, in der alle die Politik mitbestimmen und ihre Interessen und Wertvorstellungen in der Politik auch wiedererkennen, in der sich deshalb auch alle einer anständigen Lebensqualität erfreuen, und in der alle auch recht zufrieden sind, weil sie sich auch bei Problemen unschwer Gehör und Abhilfe verschaffen können. in dieser Gesellschaft, die sich mit Fug und Recht demokratisch nennt, kommt einer daher und sagt Demokratie ist Scheiße! Sie gehört abgeschafft! Seine Bemühungen wären wohl nicht gerade mit Erfolg gekrönt.

Damit man mit solchen Parolen punkten kann, bedarf es einer totalen Aushebelung des Demokratiebegriffs, eines unübersehbaren Demokratiedefizits. Im Fazit bedarf es einer spürbar undemokratischen Gesellschaftsordnung, die sich Demokratie schimpft.

Genau dieser Demokratiebegriff entspricht dem üblichen Sprachgebrauch in Politik und Medien, und von Michael Kraske wird er auch nicht in Frage gestellt. Dieser armselige Demokratiebegriff, wo alle, die keine Nazis (oder weder Nazis noch Antikapitalisten) sind, als Demokraten durchgehen können, wo eine demokratische Politik eben eines ist, die auf verfassungskonformem Wege entsteht. So kann Kraske – und mit ihm viele andern auch – Angela Merkel als „demokratisch gewählte“ Kanzlerin bezeichnen, obwohl weder sie noch ihre Partei eine demokratische Mehrheit genießen (41,5 % der Stimmen, 29,6 % der Wahlberechtigten) und allein ihre Stellung als Kanzlerin bzw. Regierungspartei Koalitionsverhandlungen zu verdanken haben, die keiner demokratischen Einflussnahme zugänglich sind. „Demokratisch“ ist in diesem Sinne alles, was rechtmäßig abläuft.

Diesem Demokratiebegriff zufolge sitzen in den Parlamenten lauter Demokraten. Das weiß er auch ohne inhaltliche Prüfung ihrer Politik, denn für diesen Demokratiebegriff kommt es auf den (un-) demokratischen Charakter der politischen Inhalte gar nicht an. „Demokratie“ als reine Verfahrensordnung ist das. Damit hat die realexistierende kapitalistische Demokratie einen Demokratiebegriff ins Leben gerufen, auf dem jeder Faschist eine Symphonie spielen kann.

Ähnlich verhält es sich mit der Demokratieverachtung. Auch die braucht der Faschismus nicht erst mitzubringen, sondern bekommt sie von einer Politik frei Haus geliefert, die alles, was sie anstellt, als höchsten Ausdruck der Demokratie lobpreist.

Der kapitalistische Demokratiebegriff hat nämlich seine Grenzen. Sind diese Grenzen einmal erreicht, so steht die Gesellschaft vor der Wahl: Kapitalismus oder Demokratie. Die in ihrem festgefügten Weltbild verfangene kapitalistische Politik ist aber gar nicht in der Lage, offen zu gestehen, dass sie diese Grenze erreicht hat, will sie doch ums Verrecken nicht wahrhaben, dass es diese Grenze überhaupt gibt. Da kriecht sie der Kapitalistenklasse also immer weiter in den Arsch, ganz egal, was die Wählerschaft davon hält, und kommt sich dabei vor wie das Demokratischste, was es überhaupt nur geben kann. Und im Kapitalismus ist sie das auch.

Der Faschismus braucht gar nicht erst tätig zu werden, damit ein Demokratiebegriff entsteht, der sich nicht für die Namensgebung eignet. Er braucht nur abzuwarten; früher oder später tut der Kapitalismus das seine.

Die von Kraske erwähnte Wut auf „die da oben“ ist nicht das Problem, sondern lediglich eine Begleiterscheinung der Erkenntnis, dass man Wirtschaft wie Politik scheißegal ist. Wenn man durch den Abbau der bitter erkämpften Errungenschaften der Arbeiterbewegung – Kündigungsschutz, anständige Altersvorsorge, Löhne und Sozialleistungen, von denen man leben kann u.v.a.m. – immer ärmer wird und einem von der Politik bestenfalls eine Zuspitzung des Elends in Aussicht gestellt wird, kann man entweder verzweifeln oder eben stinksauer auf die werden, die einen vorgeblich vertreten. je nach dem, was sich an Alternativen gerade anbietet, eignet sich diese Wut genauso gut für einen radikaldemokratischen Aufstand wie für einen Pogrom. Staat und Medien bieten Feindbilder an – Geflüchtete, Muslime, Migranten, Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen, den Feminismus, das „Gutmenschentum“ – um notleidende Menschen gegeneinander auszuspielen. Wer trotz Armut und Arbeitslosigkeit immer noch relativ privilegiert ist, wird diese Feindbilder – die zu seiner Stellung als Privilegierter unter den armen Säuen beitragen – erst hinterfragen, wenn sich eine Alternative anbietet, die seine beschissene Lage schlüssig erklärt und einen plausiblen Ausweg bietet.

Genau dazu ist eine kapitalistische Gesellschaftsordnung aber nicht in der Lage. Stattdessen spart sie dem kategorischen Imperativ des Kapitalismus zuliebe bei denen, die es sich am wenigsten leisten können, und schützt sich vor der Reaktion der Benachteiligten mit Feindbildern und Grundrechtseinschränkungen. Ja, ja, wir würden so gern was gegen die Armut tun, aber wir müssen die Flüchtlinge versorgen/ aber es gibt ja diese muslimische Weltverschwörung und wir müssen uns wehren/ aber der Afghane macht uns den Hindukusch strittig. Alles, aber auch wirklich alles, um nicht sagen zu müssen: Aber dazu müssten die Reichen Steuern zahlen, und das wollen sie halt nicht.

Da bedarf es keiner besonderen erfinderischen Tätigkeit seitens des Faschismus. Die faschistische Propaganda übernimmt diese bereits verankerten Lügen und gibt sie in zugespitzter Form wieder und sich selber als die Lösung aus.

Aber selbst die ausgeklügeltste Propaganda vermag dem Obdachlosen nicht vorzumachen, dass er in einer Eigentumswohnung in der Rosenthaler Str. wohne. Einem verhungernden Menschen kann man noch so viele schöne Fotos von seinen Leibspeisen zeigen, satt wird er davon nicht. Staat und Medien erzählen diesem Menschen, das, was er durchmacht, sei die Demokratie und habe alles seine freiheitlich-demokratische Richtigkeit.

Der Faschismus sagt dazu: Stimmt! Das ist Demokratie! Und wenn die erst weg ist, wird’s dir endlich besser gehen.

Und dann kommt so ein Kraske (oder einer der vielen andern) daher und versucht die Adressaten der faschistischen Propaganda für diese „Demokratie“ zu gewinnen, die sie verarmen lässt. Wen wundert’s, dass die Nummer nichts bringt?

Selbst die verlogenste Propaganda nimmt sich gern und oft etwas nachweislich Wahres als Rohstoff, um überzeugend lügen zu können. Am wirksamsten ist sie, wenn sie die realexistierenden Probleme des Adressatenkreises, v.a. die, die von der Politik gern geleugnet oder bagatellisiert werden, anerkennt, und diese echten Probleme mit falschen Ursachen und Lösungsvorschlägen versieht.

Bei Parteien wie der AfD geht es in der Propaganda zu einem Großteil um das realexistierende, spürbare Demokratiedefizit. Wer gegen diese Propaganda ankommen will, darf dieses Demokratiedefizit allein schon der eigenen Glaubwürdigkeit zuliebe nicht leugnen, sondern muss den Scheinlösungen des Faschismus echte Lösungen und eine echte Kritik am bestehenden System gegenüberstellen.

Ein systemkonformer Antifaschismus ist gar keiner.

Revolutions in Egypt and Tunisia – So what are we waiting for?

What we are witnessing today is historic: Hosni Mubarak, who had been propped up by the US as dictator of Egypt for 30 years with massive military aid, has been forced out of power by a mass popular uprising, the second such dictator to scarper in recent weeks. Second only to Israel, Mubarak had long been the cornerstone of US power in the oil-rich Middle East, and was directly complicit in US-Israeli crimes including the murderous siege on the occupied Gaza Strip.

From the beginning, the revolutionary forces in Egypt have recognised this, calling Mubarak “the agent of the United States and Israel”. When we watch the images of the celebrating multitudes in Tahrir Square and throughout Egypt, we whose states have underwritten tyranny in Egypt (and in so many other places) would do well to remember that their description is entirely accurate.

Mubarak has scarpered, a fact that, in itself, is cause for celebration and a testament to the power of an organised, committed populace. However, Mubarak did not rule alone, and the US-backed secret police, the US-financed and –armed army, the massive USAID infrastructure that ensures that US funds go where the US want them to go – all of this is still there. The man who departed the presidential palace in Cairo like a frightened mouse was a subcontractor of the United States, and it is clear both from the history and from the reports coming out of Al-Jazeera and elsewhere that the US are busy seeking a replacement.

Now that Mubarak – the dictator whom the US had supported to the bitter end – is gone, we will likely hear public acknowledgement of what an evil bastard he was, without any acknowledgement that the US government had knowingly and, indeed, enthusiastically supported this bastard for three long and bloody decades. We may even hear US officials start to acknowledge that Mubarak was a dictator, something they had denied even throughout the weeks of upheaval in Egypt. This follows a well-established pattern: When a US-backed murderer becomes untenable (either because he can no longer hold on to power or because he stops obeying orders from the home office), the crimes he committed with our decisive support are acknowledged and condemned (without noting our critical role in committing them). We then hear that nobody ever really liked him, and calls for an “orderly transition” to democracy, ignoring that – in many cases – the same people had claimed all along that there already was democracy in the country in question.

As we hear all this, we would do well to remember the telling words of Joe Biden at the beginning of the Egyptian revolution:

„Mubarak has been an ally of ours in a number of things and he’s been very responsible on, relative to geopolitical interests in the region, Middle East peace efforts, the actions Egypt has taken relative to normalizing the relationship with Israel … I would not refer to him as a dictator…”

This is the – usually unspoken – operative definition of “democracy” for US imperial managers. As long as a regime remains “responsible” – i.e. compliant with US interests – he is “democratic” enough for us. By definition, no one we – The Good Guys – support could be a “dictator”. At the most, our preferred dictators will be called “strongmen” or “authoritarian leaders” (though Obama refused to describe Mubarak even as “authoritarian”). “Dictator” refers to those who do not play ball. Thus, we routinely hear of the democratically-elected president of Venezuela, Hugo Chávez Frías, as a “tin-pot dictator”, even though the opposition controls 80% of the media, and even media outlets actively involved in the 2002 CIA coup attempt have not faced any real consequences for their criminal actions. Meanwhile, Colombia, where opposition journalists and activists, union organisers, and peasants are routinely massacred by US-armed death squads, is a stellar democracy by US standards. Colombia follows US orders. Venezuela not only openly flouts them, but is actively aiding others in disobeying.

We should make no mistake that the US is seeking – once again – to impose just this sort of “democracy” on Egypt.

As those of us in the United States and Europe celebrate this landmark victory of popular power over a dictator backed by the most powerful state in the world, we should never lose sight of this fact, and the responsibility for us that arises out of it:

What happens in Egypt depends critically on the amount of freedom of action the United States government has, and the freedom of action of the United States government – and its European “lieutenants” (though the fashionable word is “partner”) – depends critically on what the people in those countries do. The Egyptians and Tunisians have ejected their dictators, and it looks like the Jordanians and Yemenis are on their way to doing the same. But it is we who can ensure that no more dictators are imposed from outside on the peoples of the world. That is the power we have, and it is our sacred responsibility.

Except for a few cases in which they allowed Mubarak’s secret police to massacre demonstrators, and themselves attacked and imprisoned demonstrators, the US-backed Egyptian military have taken a studied neutral stance. They know that they have the trust – however underserved, given their role in supporting Mubarak for 30 years – of the Egyptian people, and they would have been foolish to squander that trust before they had a chance to take power outright.

Barring a rank-and-file mutiny, the Egyptian army has secured its role as heir-apparent to Mubarak’s thirty-year dictatorship. US president Obama has already called on the military to take power in Egypt (after weeks of refusing to demand that Mubarak leave power), a vote of confidence that should be deeply disturbing. If the military end up playing along with the US, we will likely soon see massive military repression, camouflaged as “protecting the population from Islamist rioters” or the like.

“The army has been here for thirty years. Why should I trust the army?” an Egyptian pro-democracy activist just asked on Al-Jazeera. Amidst the celebration, we should be asking ourselves that question as well.

People throughout the US and Europe have demonstrated in solidarity with the Egyptian people. It is time to take that solidarity to the next step. We have the power to provide more than just moral support: We can weaken and restrict the states that have long underwritten the oppression of the Egyptian people. If we truly want to support the Egyptian people, we should do in our countries what they have done in theirs. If they can do it under much more repressive conditions, then we can certainly do it. A Tahrir Square in every city in Europe and the US, a space of mass struggle and social reconstruction capable of reducing the orders of politicians and riot police to mere words, would be a huge step on the way to ensuring that the Egyptian people will not have to settle either for a chief lieutenant of Mubarak, such as Soleiman, or an Ahmed Chalabi-style carpetbagger in the mould of Muhammad ElBaradei.

And it would be damned good for us, too.

Paralleluniversen-SPD gibt neue Wahlkampfparolen bekannt

Mit Parolen wie „Wir tun’s auch nie wieder“, „Verlogenheit: nicht mehr im Angebot“ und dem schlichten „Sorry!“ will die Paralleluniversen-SPD heuer in den Wahlkampf ziehen. „Sie sind pleite, wir sind schuld, bitte haben Sie Geduld!“ ertönte das Sprechchor der versammelten SPD-Mitgliedschaft gestern auf der Eröffnungskundgebung zum sogenannten „Reueparteitag“ in Berlin-Marzahn.

„Meine Regierung“, meinte Altkanzler Gerhard Schröder, „hat leider sehr, sehr viele von Ihnen, ich sach ma, in voller Absicht an den Rand des Abgrunds, ähm, getrieben. Wir fanden das halt, also, gut. Wie ich den Umfragen der letzten 10 Jahre entnehme, waren wir da, ich sach mal, eindeutig in der Minderheit.“ Daß seine Regierung auch noch den ersten deutschen Angriffskrieg seit 1939 zu verantworten habe, stimme ihn angesichts derlei Umfrageergebnisse außerdem „sehr traurig“.

„Als Zeichen meiner zwar nachträglich zustandegekommenen, ich sach jetzt mal, Einsicht“, fuhr der heutige Gaspromgenosse fort, „bin ich bereit, mir vor Ihnen allen jetzt das Leben zu nehmen.“ Welche Reaktion er auf diese Ankündigung wohl erwartet haben mag, ist unklar. Widersprochen hat ihm jedenfalls niemand. Telefonische Hilfsmittelzusagen gingen jedoch laut SPD-Vorstand sofort zu Tausenden ein.

„Euer Vertrauen, liebe, ähm, Genossinnen und Genossen, wenn ich das noch so sagen darf,“ deklamierte Altvorsitzender Franz Müntefering, der schon immer gern ein offenes Wort von sich gibt, „war und ist fehl am Platze. Wir haben euch alle jahrelang nach Strich und Faden verarscht und geschröpft. Ich frag mich wirklich noch, wie bescheuert ihr eigentlich seid, daß ihr das alles so lange

Parallel-Müntefering an SPD-Wähler: "Sagt mal, tut ihr nur so?"

erduldet habt!“ Natürlich gebe es Schichten in Deutschland, „und welche wir hier vertreten haben, war und ist sonnenklar – hätte ich jedenfalls gemeint.“

„Wir haben eine Partei geschaffen,“ hieß es im Diskussionsbeitrag von Kurt Beck, „in der sich ein Thilo Sarrazin, nicht aber ein Oskar Lafontaine zu Hause fühlen kann.“ Es sei, so der neuerdings gewaschene und rasierte Beck, von Anfang an klar gewesen, daß mit einer enormen strukturellen Dauerarbeitslosigkeit zu rechnen sei. „Wir haben euch die Leistungen, für die ihr jahre-, mitunter auch jahrzehntelang in die Kassen eingezahlt hattet, genau dann weggenommen, als eindeutig war, daß ihr die benötigen würdet.“ Das „Gerede“ von Verrat und Verlogenheit halte er jedoch auch für falsch: „Die Sache ist die: In Wirklichkeit hat kein einziger von uns auch nur den blassesten Schimmer, was Sozialdemokratie überhaupt heißt. Wir dachten immer, es hätte irgendwie mit Kriegskrediten und dem Schießen auf streikende Arbeiter zu tun – so Traditionssachen halt.“

Abschließend ergriff Parteivorsitzender Sigmar Gabriel das Wort: „Und deshalb sagen wir alle geschossen: WÄHLT UNS NICHT! Wer mit unserem Kurs der letzten 20 Jahre zufrieden ist, ist bei der FDP viel besser aufgehoben. Die machen das wenigstens offen und ehrlich. Wer sich aber für eine sozialdemokratische Politik einsetzt, sollte doch lieber die Linkspartei wählen.“ Brötchen suche man schließlich auch nicht im Baumarkt.

SATIRE: Staćanske Hibanje Pro Łužyca

Das Szenenblog Politiski Njeprawy ("Politisch unrichtig")

BUDYŠIN, 19.08.2010 – Auf der Hauptseite des Szenenblogs Politiski Njeprawy wurde heute der Start der neuen Bürgerbewegung Pro Łužyca angekündigt. Die Bewegung, so Pressesprecher Czesław Šimanski, diene „dem Schutz der Kultur und der Werte unserer sorbischen Heimat“.

„Man sieht es, und will es doch nicht wahrhaben“, heißt es in der auf PN veröffentlichten Presserklärung, „zusehends wird unsere Heimat unterwandert und überfremdet. Man kann jede Stadt, jedes Dorf unseres schönen Landes besuchen, ohne ein einziges Mal unsere Landessprache zu hören.“

Schuld an diesen laut Presserklärung „verheerenden Zuständen“ sei eine „schleichende Germanisierung“ durch integrationsunwillige, bildungsferne Deutsche.

Unter der Überschrift Wissen Sie, was das kostet? schimpft der Verband über die „Millionen und Abermillionen“, die angeblich für zweisprachige Straßenschilder ausgegeben werden müssen. Es sei schon so weit, daß selbst Gemeinden umbenannt werden müssen:

Unsere Hauptstadt Choćebuz mußte neulich in Cottbus umbenannt werden, weil unsere ‚deutschen Mitbürger’ (wie sie von den politisch korrekten Gutmenschen immerzu genannt werden) nicht einmal in der Lage sind, einen derart einfachen Ortsnamen auszusprechen. Dabei heißt ‚Cott-Bus’ nach Auskunft unserer Sprachexperten soviel wie ‚Wagen zum Transport von Exkrementen’.

Auch Přibor, Budyšin und Křišow sind „dem politisch korrekten Umbenennungswahn zum Opfer gefallen“. Heute heißen sie Finsterwalde, Bautzen und Buchholz.

Die Bürgerbewegung Pro Łužyca (Pro Lausitz) engagiert sich laut Satzung für "mehr Freiräume für Germanenkritik"

Anlaß der Gründung der Bürgerinitiative war eine Protestveranstaltung gegen den Bau einer Currywurstbude in der Bohata hasa in Budyšin. „Wir können angesichts dieser Provokation nicht mehr schweigen“, hieß es in einem der auf der Kundgebung verteilten Flugblätter. „Es gibt in unserem Land inzwischen mehrere Tausend Currywurstbuden. Sie überfremden unsere Landschaft und verschmutzen unsere Luft mit merkwürdigen Gerüchen.“ Die Errichtung möglichst vieler Currywurstbuden gehöre zu einer festen Vorgehensweise: „Erst bauen die eine Currywurstbude. Dann dauert es nicht mehr lange, bis sie auch noch den Bau eines Einwohnermeldeamtes beantragen, den sie nach ständiger Rechtsprechung auch genehmigt kriegen müssen.“

Dies entspreche den strategischen Zielen der Germanisierer, die nach Angaben zahlreicher Demonstranten im „Komplotthandbuch“ Battis/Krautzberger/ Löhr BauGB enthalten seien. „BauGB ist ein Codewort von denen. Das heißt ‚Baut zur Germanisierung von Budyšin!‘“

„Der Deutsche liebt Karteien über alles. Er will möglichst alles erfassen, aber wenn du in der Kartei schon drin bist, kommst du nicht mal als Leiche wieder raus!“

Dem Zuzug der Deutschen nach Łužyca seien auch fragwürdige Organisationen gefolgt, meint Pressesprecher Šimanski. Besonders schlimm sei die „angeblich friedliche politische Vereinigung CDU“:

Diese Organisation nennt sich in der Öffentlichkeit ‚Christlich-demokratische Union’. Das klingt ja total unbedenklich – wer wird schon was gegen demokratische Christen haben? Aber wir wissen inzwischen ganz genau, daß diese Organisation in nicht unerheblichem Ausmaß mit Schwarzgeld finanziert wird. Und sie können sich hierzulande noch so friedliebend und demokratisch geben – unsere Forscher haben dokumentieren können, daß die CDU an mehreren Bombenanschlägen und Attentaten in Afghanistan beteiligt gewesen ist, und daß sie dort heute noch Tausende schwerbewaffnete Kämpfer bereithält. Für uns steht jedenfalls fest, daß CDU in Wirklichkeit ‚Choćebuz droht der Untergang‘ heißt!

Der Pressesprecher wollte jedoch klarstellen, daß er nichts gegen Deutsche an sich habe:

Die Sorben sind ein gastfreundliches Volk, das sich über jeden Besuch freut. Aber beim Besuch soll es dann gefälligst bleiben. Wir werden nicht mehr tatenlos zusehen, während unsere Städte mit Currywurstbuden verunstaltet werden und man die Vorgärten unserer Bürger vollkotzt ‚weil Rosenmontag is’.

Die Messe der Hausmeister von Morgen

Es gibt Meldungen, da wird einem so richtig schwarz vor Augen. Und dann gibt es wieder andere Meldungen, bei denen es einem ganz schön hell vor Augen wird. Da geht auf einmal ein Licht auf, und urplötzlich lösen sich Gordische Knoten von allein.

So eine Meldung ist mir heute übern Weg gelaufen. Seit geraumer Zeit wird gern und oft von bildungsfernen Schichten und von Unterschicht geredet, und zwar vor allem von denjenigen, die seit Jahrzehnten sozialpolitisch für die Entstehung eben dieser Schichten gesorgt haben, und jetzt auf einmal merken: „So geht es nicht mehr weiter!“

Ein solcher sozialopolitischer Dr. Frankenstein ist der Gunnar Heinsohn. Erschrocken hat er die lange herbeigesehnte Massenarmut zur Kenntnis genommen. In einem geisttötend schwachsinnigen Gastbeitrag in der FAZ ist er zum Schluß gekommen, daß man Maßregeln verhängen muß, die Geburten verhindern sollen, damit die „Frauen der Unterschicht“  ihre Schwangerschaften nicht mehr „als Kapital ansehen“ (§ 6 I Nr. 4 Völkerstrafgesetzbuch nennt das „Völkermord“). Angehörigen des moralischen Prekariats wie Heinsohn bereiten auch die „bildungsfernen Schichten“, die einzigen, die ihm zufolge „eine demographische Zukunft“ haben (und später sogar gute Aussichten, in der FAZ zu gastieren) offenbar auch viele schlaflosen Nächte. Wenn aber sein Vorschlag, die Sozialhilfe künftig auf fünf Jahre zu begrenzen, Politik wird, wird auch das Problem aus der Welt geschafft. Unterernährung führt ja schließlich zu Fehlgeburten.

Ich hatte mich schon lange gefragt, ob Völkermord zur Lösung dieser Probleme wirklich nötig sei, als ich heute einen SPIEGEL-Artikel sah, in dem es um den Umgang der Hartz-IV-Behörden mit Schülern aus erwerbslosen Familien ging. Im Artikel wird über zwei typische Beispielfälle berichtet. Eine 16jährige aus dem Ruhrgebiet wird vom Jobcenter aufgefordert, ihre Schulzeugnisse vorzulegen. Unter Androhung existenzvernichtender Sanktionen (Hartz IV kennt schließlich keine anderen) wird sie aufgefordert, einen Ausbildungsplatz zu suchen, obwohl sie sich erfolgreich an der Berufsschule beworben hatte (Zielberuf: technische Mediengestalterin). Eine 16jährige aus Hessen mit einem Notendurchschnitt von 1,6 soll aufs Gymnasium verzichten und lieber über eine Ausbildung nachdenken. Man kann das irgendwie schon verstehen: Die Bundesagentur für Arbeit veranstaltet – extra für sie – die Messe der Hausmeister von morgen, und diese bücherfressenden Rabenmütter in spe wollen gar nicht hin. Welcher Undank!

Zur Doktrin der Hartz-IV-Behörden gehört offenbar, das Bildungsniveau der Kinder der ehemals Werktätigen auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Schließlich würden berufliche oder gar universitäre Qualifikationen die verlangte Eingliederung in die aufregende Welt der Sanitärbereichsreinigungsfachkräfte und Haustiernebenproduktentfernungsspezialisten nur erschweren. Hat doch die von der Leyen gesagt, daß es besser ist, „aktiv zu sein“ und Scheiße wegzuräumen, als zu Hause rumzusitzen und irgendwelche blöden Bücher zu lesen. Und recht hat se – welche Relevanz könnten Marx und Luxemburg und wie die alle heißen für die Kinder heutiger Hartz-IV-Empfänger haben? Aber wirklich!

Und da mußte ich einfach wieder an den lieben Doppeldoktor Heinsohn denken. „Bildungsferne Schichten“ haben Hochkonjunktur, und die Sozialbehörden der Republik verlangen von SchülerInnen, sie sollen auf eine ihren Fähigkeiten und Zielen angemessene Bildung verzichten, um möglichst mit 16 schon putzen zu gehen. Da es nun mal der SPIEGEL ist, werden diese beiden Fäktchen miteinander nicht in Verbindung gebracht.

Mein neuestes Projekt – „Wiedersehen – ein Reisebericht“


Seit einer Woche arbeite ich an einem spannenden neuen Projekt: mein erstes Buch, Arbeitstitel: Reunion – A Travelogue (Wiedersehen – ein Reisebericht).

Der satirisch-introspektive Reisebericht Reunion (voraussichtliches
Veröffentlichungsdatum der englischsprachigen Ausgabe: Mitte Januar 2011) wird mich auf einer Reise durch
Deutschland, Polen, Österreich, Italien, Spanien, Frankreich und
Tschechien begleiten, wobei ich nach 10jähriger Abwesenheit vom Kontinent die
Bekanntschaft mit vertrauten Orten erneuern und Orte explorieren werde, die ich bislang nicht kennengelernt habe. 30 Tage lang werde ichverschiedene Städte besuchen, mir die örtlichen Infoshops, Antiquariate, Nahrungsquellen und politischen Brennpunkte ansehen und mich mit alten FreundInnen, AktivistInnen und sonst allen unterhalten, die mir über den Weg laufen. 

Das Vorwort zu Reunion, das
von einer surrealen Reise von München nach Berlin im Dezember 1996
erzählt, erschient als Serie auf der Projektseite.

 Wer mitmachen will…

Wer zur Finanzierung des Projekts etwas spenden will oder im Voraus ein
Exemplar zum ermäßigten Preis von USD 12,- kaufen will, kann das hier tun. Ebenfalls wäre ich an Tipps interessiert, was ich mir in den jeweiligen Städten unbedingt mal ansehen sollte oder was sonst alles interessant sein könnte. Wohlgemerkt: "Interessant" ist nicht gleichbedeutend mit angenehm. Auch an interessant-beschissenen Tipps wäre ich natürlich interessiert. 

Bastelstunde bei der Nürnberger Staatsanwaltschaft

Manche wissen einfach nicht, wann sie endlich aufgeben sollen. Zu diesem ziemlich großen Personenkreis gehört neben dem selbstvernichtungsfreudigen Spätrömer Guido Westerwelle offenbar auch die Staatsanwaltschaft Nürnberg.

Wohl viele werden sich daran erinnern, daß sich nach der – von der Gutgläubigkeit der Dresdner Justiz begünstigten – ruchlosen Mordtat an Marwa El-Sherbini außer dem Mörder selbst nur für eine Person strafrechtliche Konsequenzen ergeben haben: Dr. Sabine Schiffer vom Erlanger Institut für Medienverantwortung. Sie hat nämlich vermutet, daß nicht der Täter, sondern der nothilfeleistende Ehemann des Opfers „sicherlich aus rassistischen Gründen“ angeschossen wurde. Sowas darf es nun wirklich nicht geben.

Nach einer peinlichen Niederlage vor dem Amtsgericht Erlangen, bei dem klar wurde, daß die werte Frau Staatsanwältin vom Verfahrensgegenstand keine Ahnung hatte und stattdessen auf eine merkwürdige zeitgeschichtliche Argumentation (Rufschutz für Polizisten als Konsequenz der [nicht zuletzt polizeilich durchgesetzten] NS-Gewaltherrschaft) pochte, hat sie sich nicht etwa bei der freigesprochenen Dr. Schiffer entschuldigt, wie es sich eigentlich gehört hätte. Nein, sie hat stattdessen lieber Revision eingelegt.

Die Revisionsbegründung wollen wir uns jetzt mal näher ankucken.

Zunächst einmal heißt es, das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß es sich beim angegriffenen 4-Wort-Halbsatz um eine Meinungsäußerung handele. In diesem Zusammenhang habe das Amtsgericht „nur das Wort ‚sicherlich’“ (auf das die Staatsanwaltschaft erstinstanzlich selbst abgestellt hat!) betrachtet.

Wie man mit Füllwörtern bastelt


In erster Instanz hat die Staatsanwaltschaft bekanntlich andere Bedeutungen des Wörtchens „sicherlich“ als die von ihr aus offensichtlichen Gründen bevorzugte verstärkende Variante ignoriert. In der Revisionsbegründung räumt die StA immerhin ein: „Dem Amtsgericht Erlangen ist insoweit recht zu geben, als das Wort „sicherlich“ für sich genommen nicht nur verstärkend, sondern auch abschwächend verwendet werden kann.“ In diesem Fall sei es jedoch „zur Verstärkung“ eingesetzt worden, und zwar deshalb, weil in syntaktisch ganz anderen Satzteilen „die sogenannten Füllwörter „ja“ und „auch noch“ verwendet wurden“ und dem mehrteiligen Satz die Wörter „Und zwar ist Folgendes passiert“ vorangegangen seien.

Bevor wir mit der Sektion beginnen, wäre es sinnvoll, die ganze Äußerung zu betrachten:

„Und zwar ist Folgendes passiert: Der Vertreter der Muslime und der Vertreter der Juden, die sind zusammen nach Dresden gefahren, und haben den Mann, den überlebenden Mann, der ja versucht hat, seine Frau zu retten und sicherlich aus rassistischen Gründen von einem Polizisten auch noch angeschossen wurde…“ (Hervorhebung der StA)

Für die Staatsanwaltschaft macht es allem Anschein nach keinen Unterschied, wo diese Verstärkungsfüllwörter überhaupt untergebracht werden.

(1)    Und zwar ist Folgendes passiert:
(2)    Der Vertreter der Muslime und der Vertreter der Juden, die sind zusammen nach Dresden gefahren
(3)    und haben den Mann

a.    den überlebenden Mann

b.    der ja versucht hat, seine Frau zu retten

c.    und

i.    sicherlich aus rassistischen Gründen

d.    von einem Polizisten auch noch angeschossen wurde.“


Subjekt dieser Äußerung sind die Vertreter der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften. Objekt ist „der überlebende Mann", dem die beiden einen Besuch abgestattet haben. Dieser hat „ja versucht“, seine Frau zu retten, und wurde „auch noch angeschossen“. Das einzige eindeutige Verstärkungsfüllwort – „ja“ – bezieht sich offensichtlich auf das Verb „versuchen“, also auf die völlig unbestrittene Tatsache, daß er „ja versucht hat, seine Frau zu retten“.

Bei „auch noch“ wird’s noch problematischer. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg, die ja erstinstanzlich die andere naheliegende Deutungsmöglichkeit des Wörtchens „sicherlich“ (d.h. als Vermutungskennzeichen) gar nicht erst erwähnt hat, versucht jetzt auch noch, uns eine nicht gerade naheliegende Deutung von „auch noch“ unterzujubeln. Es ist ja ziemlich eindeutig, daß „auch noch“ in dieser Äußerung kein bloßes Verstärkungspartikel ist, sondern etwa „zu allem Überfluß“ bedeuten soll. Z.B.: Der Mann leidet ja unter dem Verlust seiner Frau, und, als ob das nicht genug wäre, ist er zu allem Überfluß angeschossen worden. Und worauf bezieht sich dieses „auch noch“? Auf die völlig unbestrittene Tatsache, daß der Mann angeschossen wurde.

Der Polizist kommt erst in einem Neben-Nebensatz vor, dessen Subjekt der überlebende Mann ist. Im Gegensatz zum Ja und Auchnoch, die sich auf unstrittige Tatsachen beziehen, bezieht sich das Sicherlich auf etwas, was offensichtlich (wenn überhaupt!) nur ein Mensch auf der Welt mit Sicherheit wissen kann, und zwar auf die bewußten bzw. unbewußten geistigen Voraussetzungen, unter denen er sich in einer uneindeutigen Situation spontan für ein Schußziel entschieden hat.

Sicherlich weiß der „unbefangene Durchschnittsempfänger“, daß kein Mensch (egal, wieviele Staatsexamina er bestanden haben mag) in der Lage ist, Gedanken zu lesen. Im Gegensatz zu manchen Staatsanwälten ist ihm die Fähigkeit zuzutrauen, zwischen Tatsachen und Deutungen zu unterscheiden. Wer wann angeschossen wurde, ist – zumindest rein theoretisch – eindeutig feststellbar. Wer wen wann besucht hat, ebenfalls. Um aber glauben zu können, eine Medienwissenschaftlerin, die offenkundig nicht einmal dabei war, würde bei einer außer durch allgemeine Bemerkungen über das islamfeindliche Klima der Gesamtgesellschaft nicht weiter vertieften nebennebensätzlichen Äußerung über die Gründe eines Fehlschusses eine Tatsache feststellen, auf die er sich ohne weiteres verlassen könne, müßte dieser Durchschnittsempfänger schon so bescheuert sein, daß er den Satz gar nicht erst begreifen könnte.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg kann nur hoffen, daß ihre Ausführungen in der Revisionsinstanz einem solchen Unterdurchschnittsempfänger begegnen.

Die Staatsanwaltschaft, die Medienwissenschaftlerin und der kleine Hopser

 

„Aus Sicht eines objektiven Empfängers, der das Interview der Angeklagten vom 15.07.2009 unbefangen hört oder liest, ist die Äußerung der Angeklagten betreffend die Schussabgabe dahingehend auszulegen, dass die Tatsache behauptet wird, dass der Polizeibeamte aus rassistischen Gründen auf den Ehemann der Getöteten geschossen hat.

Damit hat die Angeklagte dem Polizeibeamten ein – milde ausgedrückt – unehrenhaftes Motiv bei der Schussabgabe unterstellt.

Die von der Angeklagten behauptete Tatsache ist darüber hinaus geeignet, den Polizeibeamten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder diesen verächtlich zu machen. Die Angeklagte stellt die Behauptung auf, dass das Motiv für die Schussabgabe rassistisch gewesen ist.“


In seinem Aufsatz Von den Kränzen, der Abtreibung und dem Sakrament der Ehe, schreibt Kurt Tucholsky: „Die Kirche beweist alles, was sie anordnet, mit der schärfsten Logik, es stimmt scheinbar alles, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe – und wenn sie am Ende der Kette angekommen ist, dann macht sie einen kleinen Hopser, der Denker beginnt zu fliegen und entschwindet den erstaunten Augen im Himmelblau.“

Schauen Sie sich die oben zitierte Passage aus der Revisionsbegründung noch einmal in Ruhe an. Haben Sie ihn schon gefunden, den kleinen Hopser? „Die Tatsache (wird behauptet), dass der Polizeibeamte aus rassistischen Gründen auf den Ehemann der Getöteten geschossen hat…Die Angeklagte stellt die Behauptung auf, dass das Motiv für die Schussabgabe rassistisch gewesen ist.“ (Hervorhebungen von mir)

In der angegriffenen Äußerung von Dr. Schiffer ist aber von Motiven keine Rede, sondern von „Gründen“. Sie hat nicht gesagt, daß der Beamte aus rassistischen Motiven den Ehemann des Mordopfers angeschossen hätte, sondern daß der Gatte „sicherlich aus rassistischen Gründen" angeschossen wurde.

Sollten sich an dieser Stelle manche denken, das sei doch nur juristische Haarspalterei (anders natürlich als die faszinierenden Ausführungen der Staatsanwältin zu den Füllwörtern), ist anzumerken, daß es zwischen Gründen und Motiven einen gewaltigen Unterschied gibt. Gründe können persönlich sein – und wenn Dr. Schiffer gesagt hätte, „Der Polizist hat den Ehemann des Opfers aus rassistischen Gründen angeschossen“ wäre diese Deutung sogar naheliegend – müssen es aber nicht. Gründe können vollkommen losgelöst von Menschen und ihren bewußten Gedankengängen existieren. Gründe können in der Luft schweben.

Motive liegen immer in der Person.

Zum Beispiel: Grund einer Erschießung können u.a. die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Projektils und der Zündmechanismus sein. Die sind für das Tötungsgeschehen ursächlich – ohne sie hätte sich der Schuß selbst beim besten bzw. schlimmsten Willen gar nicht erst lösen können. Motiv ist jedoch der präzise, persönliche Grund, weshalb eine bestimmte Person diesen ganz konkreten Tötungsvorsatz gefaßt hat. Gründe kann auch eine versehentliche Handlung haben. Motive haben nur vorsätzliche Taten.

Mit diesem kleinen Hopser will uns die Staatsanwaltschaft eine grobe Entstellung der verfahrensgegenständlichen Äußerung unterschummeln. Der im Passiv gefaßte Halbsatz über die möglichen Gründe des Fehlschusses mutiert zu einer im Aktiv gefaßten Behauptung, die dem Polizisten vorsätzliches, rassistisch motiviertes Tun vorwirft.

Nur so kann die StA Nürnberg anschließend behaupten:

„Darüber hinaus liegt in dieser Behauptung der Vorwurf eines erheblich schuldhaften Verhaltens, eine gravierende Verletzung seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter und damit auch eine erhebliche Herabwürdigung als Polizeibeamter und als Mensch, da auch die persönliche Integrität des Beamten in Frage gestellt wird.“


Das ist eine Ungehörigkeit, die eines ehrengerichtlichen Verfahrens würdig ist. Entweder weiß die Staatsanwältin wirklich nicht, daß es diese angebliche Behauptung so nie gegeben hat – dann sind die bayerischen Staatsexamina eindeutig zu leicht – oder aber, sie weiß ganz genau, daß die wirkliche Äußerung von Dr. Schiffer ganz anders aussieht, und hat deshalb vorsätzlich Passiv/Gründe gegen Aktiv/Motive ausgetauscht, um eine unhaltbare Behauptung glaubwürdiger erscheinen zu lassen (wie ihr Amtshandeln in dem Fall zu beurteilen wäre, sei den Lesern überlassen).

Dieser Hopser ist aber nichts gegen den Weitsprung, der jetzt kommt:

„Insbesondere vor dem geschichtlichen Hintergrund bedeutet diese Behauptung eine Herabsetzung des eingreifenden Polizeibeamten auf die unterste sittlichste (sic) Stufe. Es ist für den Beamten in hohem Maße herabwürdigend, bezüglich seines Motivs (!) für die Schussabgabe in Verbindung gesetzt zu werden mit den Zielen bzw. Beweggründen, welche im Nationalsozialismus (!) vorherrschend waren bzw. hinsichtlich der Beweggründe für die Schussabgabe diesen gleichgestellt (!) zu werden. Eine schlimmere Herabwürdigung ist kaum denkbar…“


Stopp! Wo soll man hier überhaupt anfangen?

Nach Auffassung der StA Nürnberg ist es also besonders verwerflich, nach dem Bestehen rassistischer Einstellungen und Denkmuster in der aktuellen Gesellschaft zu fragen, weil diese „im Nationalsozialismus vorherrschend waren“. Ja, das war eine schreckliche Zeit, besonders für die Polizei. Wir erinnern uns alle lebhaft daran, wie im sog. Dritten Reich die Polizei immer wieder als Rassistenpack verfolgt wurde und bei jeder Gelegenheit als Sündenbock hinhalten mußte. Ein schlimmeres Los als die des Polizeibeamten im Nationalsozialismus ist sicherlich kaum vorstellbar. Daher auch die Parole: Nie wieder Polizeikritik!

Hat Sabine Schiffer irgendwas vom Nationalsozialismus gesagt? Hat sie auch nur nebenbei bemerkt, „Das ist ja genau so wie damals!“ Wenn nicht, was soll denn diese Behauptung, daß sie den Polizisten "hinsichtlich der Beweggründe für die Schussabgabe (den im Nationalsozialismus vorherrschenden Zielen und Beweggründen) gleichgestellt" habe? „Rassistisch (ist) gleichbedeutend mit ausländerfeindlich und fremdenfeindlich“, und jetzt soll das alles gleichbedeutend mit Hitler sein.

Das Denkschema sieht allem Anschein nach so aus:

(1) Schiffer hat gesagt, der Ehemann sei sicherlich aus rassistischen Gründen angeschossen worden. (2) Das heißt, daß der Polizist bestimmt aus rassistischen Motiven geschossen hätte. (3) Das heißt wiederum, daß er nicht nur Polizist, Polizeibeamter und Ordnungsbeamter, sondern auch noch „ausländerfeindlich und fremdenfeindlich“ sei, (4) und das waren die Nazis bekanntlich auch. Schlußfolgerung: Die Schiffer hat diesen armen Polizisten als Nazi beschimpft!


Darauf, ob Schiffer die Unwahrheit gesagt hat, wird hier überhaupt kein Wert gelegt. Dieser Frage wird ein einziger Satz gewidmet: „Dass die Behauptung, die die Angeklagte in ihrem Interview aufgestellt hat, nicht zu treffend (sic!) ist, folgt aus den Einstellungsgründen der Einstellungsverfügung im Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten.“ Erstens ist anzumerken, daß es inzwischen um eine Behauptung geht, die von Dr. Schiffer so nie aufgestellt wurde. Zweitens ist die Staatsanwaltschaft, die sich deshalb als „objektivste Behörde der Welt“ bezeichnet, nach § 160 II StPO verpflichtet, auch „die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“.

Entlastend wäre hier auch die realitätsnähere Deutung vorzutragen, daß es um bewußtes, vorsätzliches, rassistisch motiviertes Tun gar nicht ging, sondern um die unbewußten psychischen Einflüsse medialer Sachverhaltsdarstellungen, insbesondere der tagtäglichen Hetze gegen Muslime in den Massenmedien (Schiffers Forschungsschwerpunkt). Wurde im Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten auch danach gefragt? Wenn nicht, ist die Einstellungsverfügung irrelevant. Für die Staatsanwältin ist diese Einstellungsverfügung eine Heilige Schrift – sie darf weder in Frage gestellt werden, noch darf man ihr widersprechen. Quod non est in acta…

Gerade wenn man meint, unverschämter geht’s nicht mehr, kommt die StA mit folgender Behauptung daher:

„Die Angeklagte, als Leiterin des Instituts für Medienverantwortung, ist es gewohnt, mit Worten umzugehen und war sich der Bedeutung und Tragweite ihrer Äußerung bewußt.“


Diese Angehörige der „objektivsten Behörde der Welt“ ist es sicherlich gewohnt, mit Worten umzugehen (wenngleich ihr das mit der Rechtschreibung noch nicht so recht gelingen will), und kann wohl kaum behaupten, sie sei sich nicht über den gewaltigen Unterschied zwischen der tatsächlichen Äußerung der Dr. Schiffer und der in der Revisionsbegründung zurechtgebastelten Version bewußt gewesen. Für manche ist Ironie nicht nur im lexikalischen Sinne ein Fremdwort.

Für den Fall, daß das Hohe Gericht von dem, was sie bisher zum besten gegeben hat nicht gerade beeindruckt ist, greift die StA Nürnberg auf die Behauptung zurück, Schiffers Vermutung stelle eine Formalbeleidigung dar, d.h.

„die deutlich über eine angemessene Interessenwahrnehmung hinausgehende und für diese nicht erforderliche Herabsetzung, die sich aus der Form oder den Umständen ergibt.“


Das wahrgenommene Interesse besteht darin – dies sei hinzugefügt, denn in der Revisionsbegründung wird das mit keinem Wort erwähnt – die genauen Ursachen und Bedingungen des Polizistenfehlschusses, durch den immerhin ein eindeutig als Araber erkennbarer, völlig unschuldiger Mensch schwer verletzt wurde, aufzuklären. Dabei drängt sich – für die meisten unbefangenen Betrachter – die Frage auf, ob sich die tagtägliche Hetze über die terroristischen Moslems und die „stille Islamisierung“ und dgl. womöglich unbewußt auf die Deutung eines nicht ganz eindeutigen Sachverhalts in einer Streßsituation dahingehend ausgewirkt haben könnte, daß von einer Täterschaft des um das Messer ringenden arabischen Ehemanns ausgegangen wurde.

Dieser Frage ist Dr. Schiffer so schonend nachgegangen wie nur möglich. Sie hat den Polizisten nicht als Rassist bezeichnet und hat vom Gebrauch der in so einer Fallkonstellation naheliegenden Schimpfnamen („Rassistensau“, „Nazischwein“ oder dgl. – das wären Formalbeleidigungen gewesen) nachweislich Abstand genommen. Sie hat die so gekennzeichnete und sowieso eindeutig erkennbare Vermutung aufgestellt, der Fehlschuss könne „rassistische Gründe“ haben.

Wenn das schon eine Formalbeleidigung ist, dann macht sich jeder Rassismusforscher strafbar. Wie soll man den Rassismus schon erforschen, wenn man keinen finden darf?

Münklers Erfolgsrezept für die neue Ostfront

Herfried Münkler von der HU-Berlin hat im SPIEGEL – diesem sich ständig unterbietenden Glanzbeispiel der deutschen Quantitätspresse – endlich das geliefert, worauf ein ganz bestimmter Jahrgang der deutschen Generalität vergeblich wartete: Eine praktische Anleitung, wie man an der Ostfront siegen kann. Eine etwas weiter östliche Ostfront, aber Ostfront bleibt Ostfront, und es ist ja nie zu spät, Versäumtes nachzuholen.

Der tückische David heißt der Text, und darin wird ausführlich skizziert, wie man als fremde Besatzungsmacht dem einheimischen Widerstand den Garaus machen kann – wenn das der Führer gewußt hätte!

Aggressor zu sein, konstatiert Münkler, der diesen häßlichen Ausdruck tunlichst meidet und lieber von „Goliath“ redet, ist kein beneidenswertes Los. Man steht als schwer bewaffneter Migrant von irgendwelchen fremden Leuten umgeben, deren Sprache man nicht versteht, und die einen am allerliebsten gleich wieder loswerden möchten (das gebührliche Mitleid bringen diese tückischen Davids natürlich nie und nimmer auf). Schlimmer als der deutsche Soldat an der neuen Ostfront hat es kein abgeschobener Sinti.

„Eigentlich hatte Goliath schon verloren, bevor der Kampf begann, weil er eben Goliath war.

Immerhin hätte er präventiv handeln können: Argwöhnisch geworden, weil der Knabe zunächst im Bach nach Steinen suchte, hätte er antizipieren können, dass ihn ein Kiesel aus seiner Schleuder treffen und kampfunfähig machen könnte. Er hätte also, um dem zuvorzukommen, seinen Speer auf den Jugendlichen schleudern und ihn töten können. Doch dann hätte es geheißen, der Krieger Goliath habe ein unschuldiges Kind beim Spielen am Bach getötet. Das hätte nicht bloß sein Hässlichkeits-Image verstärkt, sondern ihn auch Ehre und Ansehen gekostet. Womöglich hätten sich sogar seien Kriegskameraden von ihm abgewandt(!!). Nicht als strahlender Sieger, sondern mit dem Odium des Kriegsverbrechens belastet, wäre er nach Hause zurückgekehrt.“


Hierbei ist vorsichtshalber anzumerken, daß das nicht satirisch gemeint ist. Der Münkler meint es wirklich ernst. Daß der Goliath das mit dem rechtswidrigen Überfall vielleicht besser gelassen hätte, fällt ihm natürlich nicht ein. Und Kriegsverbrecher zu sein, ist für ihn nur ein Image-Problem – das sind die erhabenen Werte des Abendlandes, die wir diesen primitiven Afghanern jetzt mühsam beibringen!  

Ja, selbst dann, wenn man den Widerstand besiegt, schreibt Münkler mit rührendem Selbstmitleid, hat man ein (aus der Geschichte wohl bekanntes) „Legitimationsproblem“. Für die Bevölkerung ist man ja immer noch die fremde Besatzungsmacht, die ihre Landsleute umgebracht hat, und die Überlebenden der Gewalt käuflicher Massenmörder unterworfen hat, und zwar selbst dann, wenn man sich „Wohlwollen erkaufen“ will, indem man seinen Verpflichtungen nach dem 4. Genfer Abkommen durch die Errichtung einiger Schulen und Polykliniken teilweise nachkommt. Der Undank dieser wilden Ostvölker kennt wahrlich keine Grenzen.

Dafür hat Münkler jetzt die Lösung:

„Materielle Hilfe für die afghanische Bevölkerung muss konditioniert sein, verknüpft mit eindeutigen Loyalitätsbeweisen (sprich: Beweisen der Kollaborationsbereitschaft). Im Idealfall konkurrieren dann in einem Distrik die Dörfer, die sich dem Westen angeschlossen haben, mit denen, in denen die Gegner des Westens das Sagen haben."


Mit anderen Worten: Wir scheißen auf die Genfer Abkommen! Ärztliche und sonstige Grundversorgung kriegen nur die Käuflichen. Wer kollaboriert und denunziert, dem soll es einigermaßen gutgehn. Wer aber die Besatzung ablehnt, soll verrecken. „Es muss sichtbar werden, dass sich die Entscheidung für den Westen lohnt und die gegen ihn einen hohen Preis hat. Kopf und Seele kann man nur gewinnen, wenn der Leib etwas zu verlieren hat.“ Wenn man einen an den Eiern packt, folgen Kopf und Seele gleich danach, wie es der Stalin mal so schön auf den Punkt gebracht hat.

Münkler hat recht: Man muß aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Hätte sich damals die Kollaboration mehr gelohnt, wäre die letzte deutsche Goliathkampagne vielleicht anders ausgegangen.

Käuflichkeit muß sich wieder lohnen! Nur so kann Münklers demokratischer Verfassungsstaat verhindern, daß sich die Geschichte wiederholt.

Neues vom Stammtischbroder

In seinem neuerlichen Beitrag im Online-Cerebrolytikum Achse des Guten („Israels kleine Helfer“) hat der von der NPD gefeierte Publizist Henryk M. Broder in einer Sache definitiv recht: Die Neue Rheinische Zeitung taugt nicht zum Einwickeln toter Fische. Da kann man ihm uneingeschränkt zustimmen. Die Achse des Guten eignet sich auch nicht zum Regenschutz. Continue reading →

Der Fall Sabine Schiffer – Wiedersehen mit dem Minenfeld

In der strafrechtlichen Praxis kann die Bedeutung des Ehrenschutzes mit dem Gewicht seiner theoretischen Ableitungen schwerlich mithalten: Die Anzeigebereitschaft ist gering, die Mehrzahl der Anzeigeerstatter wird ohne größeres Federlesen auf den Privatklageweg verwiesen und erleidet dort nach Zahlung von Sicherheitsleistung (§ 379 StPO), Gebührenvorschuß (§ 379a StPO), Kostenvorschuß für das Sühneverfahren (§ 380 StPO) und des zur Erhebung einer formgerechten Klage idR erforderlichen RA-Honorars regelmäßig Schiffbruch (§ 383 II StPO), in hartnäckigen Fällen eine Sonderbehandlung zur Abwehr des Querulantentums. Eine geringe Anzahl erlangt Genugtuung in Form von Beschlüssen nach § 153, 153a StPO. Für das Legalitätsprinzip und das gesetzliche Normalverfahren bleibt ein kleiner Kern von Taten übrig, unter deren Opfern Amtsträger und öffentlich wirkende Personen überräpresentiert sind.
-Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., Vor § 185, Rn 68, Hervorhebung von mir

Der Fall Schiffer


Das Mühlenkombinat „Deutsche Justiz“ mahlt bekanntlich langsam, aber sicher. Wenn Mehlbedarf angezeigt wird, kann es durchaus etwas dauern, bis die Bestellung bearbeitet wird, aber wenn Mehl bestellt wird, wird auch geliefert.

Geliefert wird allerdings nicht selten Hackfleisch.

Aber gemahlen ist gemahlen, und wir sollten uns freuen, daß wir überhaupt mit irgendwas beliefert werden.

Das sieht ungefähr so aus
:

Eine ägyptische Apothekerin holt einen Mann vor Gericht, der sie belästigt hat. Dieser üble Zeitgenosse trägt dem Hohen Gericht vor, daß er Muslime haßt und diese „Monster“ am liebsten allesamt gleich rausgeschmissen wüßte. Vor dem Betreten des Gerichtssaals wird er trotzdem nicht auf Waffen kontrolliert. Das Heiligtum des mitgebrachten Rucksacks wird auch nicht verletzt. Niemand kommt auf den Gedanken, daß es vielleicht doch nicht schlecht wäre, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, daß der Angeklagte es mit seinen Drohungen ernst meint, mit der Ausnahme des Angeklagten selbst, der für diesen Fall extra ein Messer mitgebracht hat.

Das er vor Gericht auch ordnungsgemäß zum Einsatz bringt. Da es keine Beamten im Saal gibt, die für die Abwehr derartiger Gefahren zuständig wären, muß der Ehemann der Apothekerin selbst versuchen, sie vor dem Mann zu verteidigen, der sie abstechen will. Der erst nach Angriffsbeginn in den Gerichtssaal bestellte Polizist macht zur Klärung des Sachverhalts sofort von seiner Schußwaffe Gebrauch, und zielt dabei auf den Gatten. Indes stirbt die Apothekerin.

Nach diesem Vorfall drängten sich unbequeme Fragen u.a. über das dem Sicherheitsdenken der Dresdner Justiz offenbar zugrundeliegende „Laissez-Faire-Prinzip“ auf. Hinzu kam eine Erlanger Medienwissenschaftlerin und Rassismusforscherin, Dr. Sabine Schiffer, die vermutete, die in einer Krisensituation spontan getroffene Entscheidung des eingreifenden Beamten, auf den Ehemann zu zielen statt auf den Täter, könne womöglich etwas mit dem rassistischen Subtext einer Gesellschaft zu tun haben, in der Muslime ständig verteufelt und entmenschlicht werden. Ihre Bemerkungen ernteten Morddrohungen aus den üblichen Kreisen, die sie auch ordnungsgemäß anzeigte.

Das Mühlenkombinat „Deutsche Justiz“ hat auf die Bemerkungen von Dr. Schiffer gehört und sofort ein Strafverfahren – die ultima ratio der repressiven Staatsmacht –   eingeleitet.

Gegen sie.

Mit dem Strafbefehl des Amtsgerichts Erlangen (Az. Cs 404 Js 45405/09) wird Dr. Schiffer zur Last gelegt, gegen den Gummiparagraphen § 186 StGB („Üble Nachrede“) verstoßen zu haben. Angedroht wird eine Geldstrafe in Höhe von 6000,00 EUR bzw. zwei Monate Gefängnis.

Grundlage des Strafbefehls ist ein Interview von Dr. Schiffer mit dem iranischen Nachrichtensender IRIB, in dem es in einem Nebensatz hieß, daß der Polizist „sicherlich aus rassistischen Gründen“ nicht den Irren mit dem 30 cm langen Messer, sondern den zur Hilfe geeilten Ehemann des Opfers anschoss.

Hierbei handele es sich, so der Strafbefehl, um eine „unwahre Behauptung“, die „geeignet ist [den Polizisten] verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen“.

Die Unwahrheit der Vermutung der Dr. Schiffer stehe fest, da der Polizist behaupte, nicht aus rassistischen Gründen gehandelt zu haben und die Staatsanwaltschaft Dresden ihm dies abnehme.

QED.

„Diese Einlassung des Polizeibeamten kann nicht widerlegt werden“, verkündet der Strafbefehl. Stimmt. Nachgewiesen werden kann sie natürlich auch nicht.

Somit liegt dieser Verwaltungsmaßnahme der politischen Strafjustiz die gängige Auffassung zugrunde, man dürfe jeden bestrafen, der einem anderen verwerfliche Beweggründe unterstelle, wenn dieser die Unterstellung abstreite. „Unwahr“ heißt – wie im deutschen Äußerungsrecht so oft –  „strittig“.

Den Vier-Wörter-Nebensatz, für den Dr. Schiffer ins Gefängnis soll, hat sie in einer anschließend herausgegebenen Presseerklärung klargestellt:

Bei der von mir geäußerten Vermutung, dass der Polizist aus rassistischen Gründen auf den Ehemann des Opfers und nicht auf den wahren Angreifer gezielt haben könnte, handelt es sich um einen Erklärungsversuch, der auf den unbewussten Folgewirkungen medialer Sachverhaltsdarstellungen basiert. Wenn arabisch-stämmige Mitbürger in den Medien undifferenziert immer wieder als potenzielle Gewalttäter, Terroristen oder "Ehrenmörder" dargestellt werden, kann diese Form der Mediendarstellung auch das Unterbewusstsein der Medienkonsumenten und deren tatsächliches Handeln in Stresssituationen beeinflussen.

Es ist heute unbestritten, dass es über Jahre hinweg eine mediale Berieselung sowohl in der Berichterstattung als auch im Unterhaltungsbereich in Bezug auf Muslime und arabisch-stämmige Menschen gab. Deshalb kann man auch davon ausgehen, dass diese kollektiv verankerten Bilder in einer Situation, in der man nicht in Ruhe überlegen und einen Sachverhalt objektiv prüfen kann, eben zu einer spontanen Fehlentscheidung über mögliche Täter und Opfer führen kann. Es war daher nie meine Absicht, dem Polizeibeamten eine von Grund auf rassistische Einstellung oder gar vorsätzliches Handeln zu nterstellen. Ich wollte lediglich auf die Folgewirkungen medialer Darstellungen hinweisen und die gesamtgesellschaftliche Aufgabe anmahnen, über derlei rassistische Fehlinterpretationen und deren Begünstigung sowohl durch Mediendarstellungen als auch durch politische Diskurse aufzuklären. Dieser Aufgabe sollten wir uns entschlossen stellen. Sie geht uns alle an.

D.h., bei ihrer Vermutung ging es – wie es jedem längst hätte klar sein müssen, der nicht unbedingt etwas anderes hineinlesen will – nicht darum, diesen einzelnen Polizisten als bewußt handelnden Muslimhasser abzustempeln, sondern darum, daß er, wie jeder andere in der Gesellschaft, mit entmenschlichenden und verteufelnden Darstellungen von Muslimen nur so bombardiert wird, was sich ja nachweislich unbewußt auf mentale Sachverhaltsdeutungen und spontane Handlungen auswirken kann.

Diese Klarstellung des bereits Eindeutigen war der Staatsanwaltschaft Erlangen übrigens bei Abfassung des Strafbefehls längst bekannt. Die Presseerklärung wird sogar unter der Rubrik „Sonstige Beweismittel“ aufgeführt.

Selbstverständlich kann auch diese Einlassung der Dr. Schiffer nicht widerlegt werden. Im Strafbefehl selbst sind keine Ausführungen zur Bedeutung dieses Beweismittels zu finden. Überhaupt ist im Strafbefehl kein Indiz dafür ersichtlich, daß die Staatsanwaltschaft ihrer Pflicht zur Ermittlung „auch der zur Entlastung dienenden Umstände“ nach § 160 II StPO nachgekommen ist, es sei denn, die StA meint, durch die Aufführung der Presseerklärung als „sonstiges Beweismittel“ ohne inhaltliche Auseinandersetzung dieser Pflicht bereits in vollem Maße genügt zu haben.

Wiedersehen mit dem Minenfeld

Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, sich von Berichten über Einzelfallunrecht zu dem Glauben verleiten zu lassen, daß es sich bei Fällen wie der Fall von Dr. Sabine Schiffer um Ausnahmen von der Regel „Meinungsfreiheit“ handele, daß in solchen Fällen das freiheitlich-demokratische Strafrecht zu politischen Zwecken mißbraucht werde. Ebenso falsch und gefährlich wäre es, sich aufgrund eines etwaigen Freispruchs in diesem oder in anderen Fällen vorzumachen, daß die Gefahrenspitze gekappt und die Meinungsfreiheit „wiederhergestellt“ worden sei.

Unter „Mißbrauch“ versteht man den zweckfremden Einsatz eines sonst akzeptablen Mittels. Die Angriffe auf kritische Stimmen durch die Justiz sind aber gar nicht zweckfremd, sondern fest im deutschen Recht verankert. Wozu dient denn sonst der Einsatz der ultima ratio der repressiven Staatsgewalt gegen Tatbestände wie „üble Nachrede“, „Beleidigung“, „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“, „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“? Wozu dient denn sonst eine „Rechtsprechung“, in der das Wort „unwahr“ ohne ernstzunehmende Beweisführung einfach so hingekritzelt werden darf, wenn eine Äußerung mit dem ästhetischen Empfinden von Richtern und Staatsanwälten unvereinbar ist? Wozu dient sonst ein „Persönlichkeitsrecht“, das der Selbstbeweihräucherung der Mächtigen Verfassungsrang gewährt und die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit nicht als Kern der menschlichen Persönlichkeit und der Menschenwürde, sondern als zweitrangige Faktoren betrachtet?

Solange diese Gummiparagraphen und die dazu passende Elastedoktrin nicht abgeschafft werden, kann von Meinungsfreiheit keine Rede sein, sondern allenfalls von Meinungsprivileg. Solange dem Staat die Macht eingeräumt wird, Äußerungen aufgrund ihres politischen-ideologischen Inhalts unter Strafe zu stellen, wird es immer wieder Fälle wie den der Dr. Schiffer geben.

Wie ich es schon einmal geschrieben habe:

Mir ist an Vorschlägen für „sachgerechtere“ Überprüfungsmaßstäben nichts gelegen. Solche Maßstäbe gibt es gar nicht; jeder auch so neutral und objektiv klingende Maßstab läuft letzten Endes auf das ästhetische Empfinden von Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterschaft, und damit auf völlige Waffenungleichheit hinaus. Die einen haben die Staatsgewalt, die andern nur das Wort.

Jede Ausprägung eines solchen Systems – mit den Lippenbekenntnissen zur Meinungsfreiheit und dem Heraufbeschwören „höherer Werte“ – ist zu bekämpfen. Da hilft eine Feinabstimmung – damit nur die „Richtigen“ eingelocht oder mit vernichtenden Geldstrafen um ihre Existenz gebracht werden, überhaupt nicht weiter, denn es gibt keine „Richtigen“. Das ist Landschaftsplege im Minenfeld. Gefragt sind aber Minenräumfahrzeuge.

Wie das gehen soll? Erstens gehören reine Äußerungs- und Propaganda„delikte“ aus dem Strafrecht gänzlich ausgeklammert, solange die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit eines sofortigen Gewaltausbruchs bzw. die vom Täter nachweislich beabsichtigte sofortige tatsächliche Auslösung von Gewalt nicht tatbestandlich vorausgesetzt wird. Im Zivilrecht wäre eindeutig vorzuschreiben, daß Kläger, die Personen der Zeitgeschichte sind, schon im Vorfeld der Hauptverhandlung nachweisen müssen, daß die angegriffene Äußerung unwahr ist und daß der Beklagte die Unwahrheit der Äußerung kannte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Liegt keine nachgewiesenermaßen unwahre Behauptung vor, soll die Klage sofort kostenpflichtig abgewiesen werden, denn schon die Einleitung eines Prozesses stellt eine äußerst wirksame Einschüchterungsmaßnahme dar, der nur zum Teil durch eine letztendliche Abweisung abgeholfen werden kann.

Dann wird man ohne Erröten von Meinungsfreiheit sprechen können.