Amerikas Werte sind in ihren Grundfesten erschüttert worden. Das hört man in den Staaten schon lange. Gesagt wird es meist von der Sorte Menschen, die im Falle eines Pogroms die Benzinkanister nachfüllen würde. Und meist heißt es auch: Schwarze dürfen in unsere Schule, Frauen dürfen abtreiben, Frauen dürfen wählen, Frauen dürfen arbeiten gehen (überhaupt haben sie es meist mit Schwarzen und Frauen).
Ganz so ernst ist es diesmal nach amerikanischen Maßstäben nicht. Es geht um Folter, um Praktiken, die das Ansehen Amerikas im Ausland schwer geschädigt haben. Es sollen auch einzelne Ausländer davon betroffen sein.
Fast acht Jahre lang haben Angehörige der US-Staatsorgane auf Weisungen von höchster Ebene hin Menschen verprügelt, versohlt, vergewaltigt, überheizt, unterkühlt, zum Schein ertränkt, zum Schein begraben, ihnen den Schlaf und die Sinneswahrnehmungen entzogen, und und und. Unsere Werte werden sich vielleicht nie wieder von diesem schweren Schlag erholen.
Das war etwas nie Dagewesenes, naja, wenigstens etwas Langenichtmehrdagewesenes. Davor hat die US-Regierung nämlich sechzig Jahre lang Folterstaaten errichtet, militärisch und wirtschaftlich unterstützt, Folterunterricht erteilt, Folterausrüstung geliefert. Da war es mit unseren Werten noch im grünen Bereich.
Amerikas Werte sind nun mal eine ganz subtile Sache. Mit Pauschalierungen und Abstraktionen kommt man an die Psyche der staatstragenden Elemente Amerikas nicht ran. Da gibt’s Feinheiten, die können Nichteingeweihte gar nicht begreifen.
Folter durch US-Beamte ist eine Schande. Mit Folternlassen hat aber keiner ein Problem.
Wenn die USA foltern lassen, handeln sie ganz im Sinne der amerikanischen Werte: Outsourcing. Den Begriff haben die Amis sogar erfunden. So bekommen sonst chancenlose junge Menschen in Lateinamerika, Afrika und im Nahen Osten die Möglichkeit, so richtig was zu werden. Das war eine Art Marshall-Plan für Soziopathen. Und es hat funktioniert! Wer sich auch nur ein bißchen in Mittelamerika umsieht, wird schon merken, was für bluten…blühende Landschaften dieser wichtigste Bestandteil der US-Auslandshilfe hervorgebracht hat.
Elektrotechniker konnten die Jungs nicht lernen. Dafür aber Elektrodentechniker.
Aber eines Tages war alles aus. Seit 2001 müssen diese netten jungen Leute mit amerikanischen Spitzenkräften um Arbeitsplätze konkurrieren. Solch eine unfaire Politik kann die Werte der amerikanischen Oberschicht nur erschüttern, denn keiner, der den Sadismus des US-Bildungswesens nicht kennt, wird da jemals mithalten können. Die jungen, aufstrebenden Folterer der Welt müssen zusehen, wie ihnen irgendwelche Ausländer aus Amerika den Lebensunterhalt nehmen, und haben anstatt des direkten Drahts in den gehobenen Dienst nur noch die Möglichkeit, ihr Leben als mittlere Gangster zu fristen.
Auch Barack Obama konnte nicht umhin, von der Notlage der arbeitslosen Folterer im Ausland peinlich berührt zu sein. Er hat auch entschlossen gehandelt:
Schon seit der ersten Woche seiner Amtszeit unterliegt direktes Foltern durch US-Beamte einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt!
Natürlich sind nicht alle damit einverstanden. Unmut über die Streichung der Arbeitsplätze für US-Folterspezialisten war vor allem seitens des Grövaz (also des Größenwahnsinnigsten Vize aller Zeiten) zu hören. Der Obama mache die Amerikaner doch unsicher mit seiner Politik. Abgesehen von den paar Tausend Amis und den paar Millionen Irakern und Afghanen sei Dank seiner Folterpolitik seit dem 11. September 2001 niemand mehr bei irgendeinem Anschlag ums Leben gekommen.
Es kommt aber noch besser: Wenn es die Folterlager nicht gäbe, so Cheney, „dann hätten wir diese ganzen Menschen einfach unbringen müssen.“
Nur durch Folter-Insourcing war der Cheney also von der Errichtung von Vernichtungslagern abzuhalten gewesen.
Die amerikanischen Werte muß man eben nuanciert betrachten.