Ich wußte gar nicht, daß so etwas als „Streitgespräch“ bezeichnet werden kann. Von Streit und Gespräch ist da nichts zu spüren. Argumentiert hat nur Franziska Heine, deren Durchhaltevermögen ihr zu Ehren gereicht (ich selber hätte mich nur mit größter Mühe davon abhalten können, die verehrte Frau Rei..Bundesfamilienministerin zu ohrfeigen). Die von der Leyen hingegen hat nur längst widerlegte Werbesprüche zum besten gegeben. Sie hat soviel Käse rausgehauen, daß es die französische Wirtschaft gefährden könnte. Auf Argumente, Fakten und Thesen ist sie überhaupt nicht eingegangen.
Daß so ziemlich alles, was von der Leyen zum Thema Kinderpornographie und Internetsperren gesagt hat, mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, haben schon viele ausführlich dargelegt. Daß ein Politiker lügt, um ein Vorhaben zu rechtfertigen, das sich mit ehrlichen Mitteln nicht rechtfertigen läßt, dürfte selbst den Dümmsten nicht unbedingt überraschen.
Nein, es gibt in dieser von der Leyen-Monologsammlung (mit Korrekturhinweisen von Franziska Heine) überhaupt nichts Neues, was das Internetzensurgesetz betrifft. Was Wurfprämien-Ursel aber über sich selbst und die parlamentarischen Denkmuster verrät, ist ein Denkzettel an uns alle.
Zur Erinnerung: 134.000 Menschen haben die Bundestagspetition gegen das Internetzensurgesetz unterschrieben. Damit handelt es sich um die zahlenmäßig erfolgreichste Bundestagspetition der bundesrepublikanischen Geschichte. Daraus, daß man sich im Bundestag gar nicht erst mit den Gegenargumenten der Petitionsbewegung , (und somit mit den Argumenten fast aller namhaften Internetexperten) auseinandergesetzt hat, zieht Heine folgende Konsequenz:
„Die Unterzeichner der Petition haben gesehen, wie Entscheidungen in der Politik getroffen werden – und das wird sie nachhaltig prägen.“
Und was sagt die von der Leyen dazu? „Das ist doch etwas Tolles.“ Daß Massenproteste von der Politik völlig ignoriert werden, ist für sie „lebendige Demokratie“. Außerdem brauche man höchstens ein paar Minuten, um so eine Petition zu unterschreiben im Gegensatz zu den 50 Minuten, die man braucht, um die eigene Verachtung derselben amtlich zu registrieren. „Natürlich kann Frustration entstehen, wenn man merkt, dass da auch andere demokratische Prozesse laufen, zum Beispiel Ausschussberatungen, in denen gewählte Vertreter Entscheidungen fällen, oder ein SPD-Parteitag, auf dem ein Beschluss anders fällt, als Sie sich das gewünscht hätten. Aber über diesen Punkt müssen Sie hinweg und sagen: Wir beteiligen uns weiter an den Diskussionen.“
So so. Für Menschen wie Wiefelspütz und von der Leyen sieht eine lebendige demokratische Praxis ungefähr wie folgt aus:
STAAT: Wollt ihr die totale Zensur?
BEVÖLKERUNG: Lieber nicht. Außerdem stimmt kaum etwas von dem, was Sie da sagen.
STAAT: Die Bevölkerung will die Zensur. Was habt ihr Spinner denn bloß für ein Problem?
BEVÖLKERUNG: Unser Problem ist, daß wir sie eben nicht wollen.
STAAT: Das ist uns sowas von reißpipenscheißegal.
BEVÖLKERUNG: Wa-aas?
STAAT: Wieso freut ihr euch denn nicht? Ihr habt gerade eine wichtige Lektion über die Funktionsweise einer lebendigen Demokratie erteilt bekommen. Das ist doch was Tolles!
BEVÖLKERUNG: (sprachlos)
STAAT: Schön, daß ihr euch mal gemeldet habt. Ich hoffe, daß ihr euch trotz der Erkenntnis, daß wir auf eure Beiträge scheißen, weiterhin an der Diskussion beteiligen werdet.
BEVÖLKERUNG: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ….
STAAT: Sorry, keine Zeit. Muß mich wieder am demokratischen Prozeß beteiligen.
So gesehen ist die lebendigste Demokratie, die es je auf deutschem Boden gegeben hat, 1989 untergegangen.
5 comments ↓
Schöner Artikel!
Bei all der Aufregung um das Internet-Zensur-Gesetz:
Was ist eigentlich mit den anderen Gesetzen? Die, von denen wir keine Ahnung haben? Werden die auch so laienhaft behandelt und wir merken’s nur nicht? War dies ein tragischer Einzelfall oder läuft das immer so?
Ich habe Angst vor der Antwort.
Gute Nacht Deutschland und Ihr versierten Internet-Nutzer
Das erste Mal ist es nicht. Denk bloß an die Spekulationsförderungsgesetze von rot-grün. Da hat man den Konzernen wagenladungsweise Geld in den Rachen geschmissen und Riesenlöcher in den Haushalt gerissen. Oder die sog. „Sozialreform“, die eigentlich nur eine riesige Lohnsenkunsmaßnahme war. Und das nennt man Sozialdemokratie.
Ich weiß aber nicht, ob „laienhaft“ das richtige Wort ist. Es wäre meines Erachtens ein Fehler, davon auszugehen, daß Gesetze, die konsequent mächtige Interessen (Staat, Konzerne) fördern und die Bevölkerung der Armut überantworten, aus Ignoranz oder Dummheit entstanden sind. Gerade weil es sich um eine seit Jahren konsequent vorangetriebene Politik handelt, sollten wir langsam davon ausgehen, daß die vorhersehbaren Konsequenzen dieser Politik bekannt und gewollt sind.
Danke für diesen Artikel!
Stimmt, „laienhaft“ ist ungeeignet. Ich war aber kurz davor „leyenhaft“ und „wir merkelns nicht“ zu schreiben. Habe mir den Kalauer aber dann verkniffen, den das ist auch genau meine Befürchtung: Wirtschaftliche Interessen bestimmen gesetzesgeberisches Handeln.
Deutschland, wo die korrekten Deutschen wohnen, hat’s ja auch nicht so mit der Korruptionsbekämpfung und Transparenz.
Schönen Sunday.
Es gibt eine Grundregel bei der Auslegung der Reden der Politiker. Hörst du „Arbeitsplätze“, sollst du „Profite“ verstehen. Alles wird ja bekanntlich mit Arbeitsplätzen begründet, selbst wenn dadurch nachweislich Arbeitsplätze verlorengehen werden. Das einzige, was durch diese Maßnahmen ohne Wenn und Aber geschaffen wird, sind Profite für die verantwortungsfernen Schichten.