Schlußplädoyer – ein Abgesang auf unser Bezirksgericht

Verehrter Herr Bezirksmagistrat [Name zum Schutze der Autorin unterdrückt]!

das, was ich im Folgenden vorzutragen habe, werden Herr Bezirksmagistrat vermutlich als bodenlose Ungehörigkeit empfinden, wie Sie überhaupt alles, was an ordnungsgemäße Prozeßführung auch nur leise erinnert, als Ungehörigkeit empfinden. Sei’s drum.

Herrn Bezirksmagistrat behagt es nicht, wenn Prozeßparteien mit Paragraphen und Obergerichtsentscheidungen kommen. Anträge, Argumentationen, Schriftsätze finden Herr Bezirksmagistrat außerordentlich lästig. Bei allem gebührenden Respekt bitte ich ergebenst, Herrn Bezirksmagistrat nahelegen zu wollen, daß Sie sich vielleicht in der Berufswahl geirrt haben. Anträge, Argumentationen, Vorschriften und Rechtsprechungshinweise sind in einem Prozeß nun mal keine Seltenheit. Vielleicht wäre ein Quereinstieg in die primäre Produktion etwas für Sie.

Und überhaupt – wenn Herrn Bezirksmagisrat Hinweise auf das geltende Recht so sehr auf den hochwohlgeborenen Sack gehen, bitte ich gehorsamst, ergebenst vorschlagen zu dürfen, daß Sie das geltende Recht dann gefälligst drauf haben sollten!

Dann bräuchte nämlich keiner extra darauf hinzuweisen, daß mangelnde Zustellung ein Prozeßhindernis ist, daß Parteien das gesetzlich verbriefte Recht haben, Herrn Bezirksmagistrat mit sachdienlichen Anträgen zu belästigen, und daß rechtliches Gehör etwas anderes bedeutet als richterliches Geschrei.

Des Herrn Bezirksmagistrat Unkenntnis in puncto materiellrechtlicher und prozessualer Grundnormen wäre womöglich abzuhelfen, etwa durch Nachholen des offenbar verpennten Jurastudiums. Des Herrn Grundeinstellung ist es leider mitnichten.

Zunächst bitte ich gehorsamst, darauf hinweisen zu dürfen, daß Herrn Bezirksmagistrat keiner zum Amtsantritt gezwungen hat. Sie leisten hier kein Pflichtjahr. Der Job gefällt Herrn Bezirksmagistrat nicht? Dann versuchen Sie’s eben mal im Baugewerbe. Zur Abrißbirne könnten Herr Bezirksmagistrat allemal taugen!

Ach ja, da habe ich wieder eine Redewendung gebraucht, die Herrn Bezirksmagistrat überhaupt nicht gefällt! Sicherlich weiß ich um die Wutanfälle, die Sie jedesmal kriegen, wenn einer "bei allem gebührenden Respekt" sagt. Liegt es vielleicht daran, daß Herr Bezirksmagistrat ganz genau wissen, wieviel Respekt Ihnen eigentlich gebührt, und daß das gebührende Maß Ihres Erachtens etwas knapp ausfällt? Na dann, wie wär’s mit "bei allem Respekt, der Ihnen gebührt hätte, wenn Sie ein anständiger Mensch wären"? Aber langsam habe ich das Gefühl, daß mir ein bißchen Ordnungshaft bevorsteht. Das nehme ich also alles zurück. „Ohne jeglichen Respekt“, wenn es Herrn Bezirksmagistrat lieber ist!

Der Urteilstenor ist klar. Damit brauchen wir uns nicht lange aufzuhalten. „Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.“ Nun können wir zum eigentlichen Kern dieses Vortrags durchdringen.

Die Sache, Herr Bezirksmagistrat, ist die: Ich möchte Ihnen gehorsamst, ergebenst, und was sich Ihnen sonst noch so an Adverbien h.c. empfielt, danken.

Ja, danken möchte ich Herrn Bezirksmagistrat, denn Sie haben etwas geleistet, was ich in Tausend Aufsätzen niemals so vollkommen fertiggebracht hätte: Sie haben dieser "Rechtspflege" den letzten dünnen Anstrich von Recht und Anstand genommen. Herrn Bezirksmagistrat ist es gelungen, allen, die hinschauen möchten, unmißverständlich deutlich zu machen, was für eine verkommene Richterkaste sich diese Gesellschaft leistet.

Falsch in der Sache, falsch in der Form. Eindrucksvoll, wie bezirkssekretärhaft Sie beim Belehren sind. „Die Räumung ist eine gesetzlich festgelegte Antragsart, und da kommst du mir mit dem Prozeßrecht!" „Du willst mir jetzt nicht alles erzählen, was du über unser Mietrecht weißt, was vielleicht mehr, aber vielleicht auch weniger ist als das, was ich aus vierundzwanzigjähriger Berufserfahrung weiß!“

Und das war’s schon, Herr Bezirksmagistrat, was Sie über unser Mietrecht wissen (es ist aber mitnichten „unser“, sondern eindeutig Euer Mietrecht), und zwar, daß Sie sich vierundzwanzig Jahre lang damit herumgeschlagen haben, ohne auch nur passiv ein bißchen darüber gelernt zu haben.

Brüllen können Herr Bezirksmagistrat auch prima. Zwar sind Sie in Sachen Gebrüll noch nicht auf das Niveau eines Roland Freisler emporgestiegen – toi toi toi, aber für einen Gerichtsfunktionär der untersten Gehaltsklasse reicht es schon. Schließlich haben es Herr Bezirksmagistrat nur äußerst selten mit Menschen zu tun, die sich auch wehren können.

Dank gebührt Herrn Bezirksmagistrat auch deshalb, weil Ihre Art der Verhandlungsführung (rumbrüllen, drohen, Gesetze durcheinanderbringen) für mich eine Art Denkzettel war. Ich war bereit, diese ganzen Spielchen mitzumachen. Bißchen drohen, bißchen schimpfen, und gleich danach die außergerichtliche Einigung unterschreiben.

Die Klageschriften, die nie eingereicht werden sollten, hatte ich parat, ebenso wie die Anträge, die nur die Gegenseite sehen sollte und die standesrechtiche Anzeige. Ja, ich war sogar gerne bereit, mich an dieser Farce, die sich Justiz schimpft, zu beteiligen.

Mit Ihnen, Herr Bezirksmagistrat, habe ich aber nicht gerechnet. Als Sie da wie ein angepißter Fünfjähriger herumtobten, als Sie da oberlehrerhaft wirres Zeug von sich gaben statt über die anstehenden Anträge zu entscheiden, als Sie mir Ordnungshaft androhten, nur weil ich diese Anträge – wie es mein gutes, gesetzlich verbrieftes Recht ist – gestellt habe, da wußte ich, daß braves Mitspielen für mich nicht mehr in Frage kommt.

Hätten Sie nur die einschlägigen Rechtsnormen vollkommen verkannt – dajenu. Hätten Sie nur den Anspruch auf rechtliches Gehör mißachtet – dajenu. Daß Sie aber die ausgesprochene Feigheit besaßen, mich in einer Situation anzuschreien und zu beschimpfen, wo ich mich gar nicht wehren durfte – damit haben Sie mich zur Besinnung gebracht, und in dem Moment habe ich Ihnen und Ihrem ganzen korrupten Laden den Kampf angesagt.

Und darum sage ich auch: Vielen herzlichen Dank, Herr Bezirksmagistrat!