Wie Ron Paul wirklich drauf ist

(Original: Englisch)

Zu den beunruhigendsten Aspekten der fragmentären US-Linken gehört heutzutage die Tendenz vieler US-Linken (obwohl dies selbstverständlich nicht nur auf US-Linke zutrifft), sich bei der Wahl ihrer Verbündeten ziemlich ungeschickt anzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür – auf das von Paul Street, Glenn Ford u.v.a. unermüdlich hingewiesen worden ist – war die Kombination aus Wunschdenken und Verdrängung, die soviele Linken und fortschrittlich Gesinnten dazu brachte, im mitterechten Neoliberalen Barack Obama, dem Liebling klassischer linker Institutionen wie Wall Street und der Kernkraftindustrie, einen unentbehrlichen Hoffnungsträger zu sehen.

Über die letzten paar Jahren ist es langsam gedämmert, daß dies eine ganz schlechte Entscheidung war, und daß viele Linken einem für sie nach Maß angefertigten Produkt der PR-Industrie zum Opfer gefallen waren. Sicherlich gehört dies zu den größten Erfolgen der Madison Avenue, und zwar dermaßen, daß der Wahlkampf Obama 2008 im Wettkampf um den begehrten Industriepreis für die beste Werbekampagne sogar Apple besiegte. Obamas Umstyling durch die PR-Indistrie, die einen mitterechten neoliberalen Militaristen, die nur Citigroup lieben konnte zum Liebling der Friedensbewegung mutierte, kann dem Umstyling eines gewissen Ron Paul jedoch nicht das Wasser reichen. Zwar war Madison Avenue in der Lage, den mitterechten Obama in einen angeblichen insgeheim Linken umzumodeln, Ron Pauls Propaganda ist es jedoch gelungen, aus einem rassistischen Rechtsextremisten, der den Leuten den Hof macht, von denen Trozki einmal vorschlug, man solle sie „mit dem Bürgersteig bekannt machen“, in einen potentiellen Verbündeten der Linken zu machen. Über diesen noch andauernden strategischen Pfusch ist jedoch viel weniger geschrieben worden als der Problematik eigentlich gebührt.

Im Folgenden werde ich die tatsächlichen Ansichten Ron Pauls kurz skizzieren, um aufzuzeigen, mit was für einem soviele linken Kriegsgegner ins Bett gesprungen sind. Dann werde ich einen Erklärungsansatz dafür liefern, weshalb so etwas immer und immer wieder passiert. Der Ron Paul, den Leser im folgenden vorfinden werden, wird dem zensierten Bild von Ron Paul als Politiker, der gegen die aktuellen Kriege tapfer ankämpft und sich vorgeblich gegen „das Imperium“ (von Imperialismus ist bei ihm nämlich keine Rede) und die Staatssicherheitsdoktrin, und für die Freiheit des Einzelnen, einsetzt, kaum entsprechen.

Der echte Ron Paul

(Mannomann, wie es mir auf die Nerven geht, daß wir für den prokommunistischen Schürzenjäger Martin Luther King einen gesetzlichen Feiertag haben. Gegen diesen Skandal habe ich als Abgeordneter mehrfach gestimmt. Welche Schande, daß dies von Ronald Reagan gebilligt wurde! Dem haben wir unseren alljährlichen Haßt-den-Weißen-Mann-Tag zu verdanken.

Hören Sie sich in jeder beliebigen Großstadt eine schwarze Talkshow im Radio an. Neben dem dort verbreiteten Rassenhaß sieht ein KKK-Aufmarsch noch friedlich aus. Die Schwarzen reden von ihrer eigenen rassischen Überlegenheit, davon, wie die Weißen insgeheim ihre Ausrottung planen und wie sie das Land erobern und Vergeltung üben werden. Der einzige Meinungsunterschied gilt der Frage, ob sie sich für die gewaltfreie Methode (d.h. staatliche Gewalt) Kings entscheiden oder ihre Ziele mit privater Gewalt durchboxen sollen.

– Ron Paul zur Bürgerrechtsbewegung

 

Als ich gelegentlich versucht habe, mit Ron Pauls linken Fans über dessen Ansichten zu diskutieren, hat man mir regelmäßig unterstellt, ich wolle ihn „verleumden“. Den Vorwurf kann man durchaus verstehen, denn Ron Paul vertritt Ansichten, mit denen kein anständiger Mensch in Verbindung gebracht wissen möchte. Weiter unten wird dargelegt, daß Ron Paul weit davon entfernt ist, ein „fast einzigartiger“ Politiker zu sein, der „die über die Pseudotrennlinie Links/Rechts hinausweist“ und „weder ein linkes noch ein rechtes Land schaffen will“, sondern sich – zusammen mit anderen „fast einzigartigen“ Politikern wie der KKK-Führer David Duke und die rassistischen Propagandisten Pat Buchanan und Paul Craig Roberts – sogar recht einfach auf der rechtsextremen Seite der  „Pseudotrennlinie Links-Rechts“orten läßt. Das einzige, was an der oben zitierten Laudatio wahr ist, ist, daß Ron Paul „ein linkes Land“ ganz bestimmt nicht schaffen will.

Bevor er auf nationaler (no pun intended) Ebene bekannt wurde, war Paul mit der Verbreitung seiner Ansichten etwas weniger vorsichtig. Im Jahre 1996, als Adolph Reed Jr. als erster Linker die „nichtssagende bis repressive neoliberale Politik“ Barack Obamas anprangerte, schrieb die linksfortschrittliche texanische Publizistin Molly Ivins:

 

Auf dem Spiel stehen ebenfalls der 5. Wahlbezirk in Dallas und der 2. Wahlbezirk Texas-Ost, sowie der erstaunliche 14. Wahlbezirk, der sich irgendwie überall befindet. Im erstaunlichen 14. Wahlbezirk steht der Demokrat Lefty Morris (Wahlspruch: „Lefty is Right!“) dem Republikaner/Libertarian Ron Paul gegenüber, der wiederum (wie so oft bei Libertarians) so weit rechts ist, daß er manchmal wieder links ist. Mein persönliches Lieblingsthema ist Pauls Newsletter, der 1993 „Verängstigten Amerikanern“ riet, wie sie ihr Geld außer Landes schaffen. Er riet an, daß die peruanische Staatsbürgerschaft für bloße 25 Mille käuflich zu erhalten sei. Daß wir alle Peruaner warden sollen, zählt zu den innovativsten Vorschlägen dieses festlichen Wahljahres. Was die Peruaner wohl davon halten werden?

Hierbei handelt es sich wohlgemerkt um einen relative harmlosen Auszug aus den Newslettern, die Ron Paul seit 1978 veröffentlicht.

„Bei den Verbrechern, die unsere Städte terrorisieren – mit ihren Randalen, und selbst wenn nicht randaliert wird“, verkündete einmal Pauls Newsletter, „handelt es nicht ausschließlich, doch größtenteils um junge schwarze Männer. Als Kinder wird ihnen der Haß auf Weiße eingebläut, man bringt ihnen bei, an alle Probleme der Schwarzen sei die Unterdrückung durch die Weißen schuld; sie lernen „gegen die Macht anzukämpfen“ und beim weißen Feind soviel Geld und Beutegut wie nur möglich zu erplündern. Autoraub, erfahren wir in einem Ron Paul-Newsletter aus dem Jahre 1992, „gehört zum Hip-Hop-Stil unter den schwarzen Jugentlichen, für die arglose Weiße leichte Beute sind. Dies haben sie womöglich am Beispiel des „prokommunistischen Schürzenjägers“ Martin Luther King Jnr gelernt, der „minderjährige Jungs und Mädchen verführte“ und „das Übel der zwangsmäßigen Rassentrennung durch das Übel der zwangsmäßigen Rassenintegration ersetzte.“ Es wundert also nicht, daß Pauls Newsletter mal den Martin Luther King-Gedenktag als „unser jährlicher Haßt-den-Weißen-Mann-Tag“ bezeichnete. 

In einem anderen Artikel unterhält uns Paul mit Geschichten über „Needlin’“ (Nadelstecherei), „eine neue Form des rassischen Terrorismus.“ „Auf mindestens 39 weiße Frauen“, behauptet er, „ist mit gebrauchten Spritzen eingestochen werden, die vielleicht mit AIDS infiziert worden sind, und zwar von Banden schwarzer Mädchen im Alter zwischen 12 und 14.“ Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht unbedingt wundern, das Pauls Newsletter Afroamerikaner als „die Tiere“ bezeichnet und „Zooville“ als geeigneteren Namen für New York vorschlägt.

Es wird vielfach auf Pauls Bemühungen hingewiesen, jegliche Urheberschaft für die oben zitierten Äußerungen (sowie sehr viele anderen) abzustreiten und sich von ihnen zu distanzieren; diese Bemühungen kamen wohlgemerkt erst dann zum Vorschein, als Paul die Möglichkeit erblickte, sich Zugang zur nationalen Politbühne zu verschaffen.  1996, als sein Gegner in der texanischen Kongreßwahl Pauls Newsletter an die Wählerschaft verteilte, ging er mit den Äußerungen weniger schüchtern um:

 

Dr. Paul, der in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren Kongreßabgeordneter gewesen war, sagte am Dienstag, daß er den Newsletter seit 1985 herausgebe und an geschätzte 7000 bis 8000 Abonnenten vertreibe.  Ein Anruf an die gebührenfreie Nummer des Newsletters wurde von seinem Wahlkampfpersonal beantwortet. […]

Dr. Paul dementierte Unterstellungen, daß er Rassist sei, und sagte, daß er mit den Beiträgen keine Stereotypen wachrufen wollte.  Er sagte, daß sie in ihrer Ganzheit zu lesen und zitieren seien, um Verzerrungen zu vermeiden. […]

–Dallas Daily News, 22. Mai 1996

 

Einer von Pauls Wahlkampfsprechern sagte, daß die Äußerungen über die Angst vor schwarzen Männern Äußerungen schwarzer Führer wie Jesse Jackson widerspiegeln, die die Ausbreitung der Kriminalität in den Städten verurteilt haben.

Den Newsletter schreibe Paul weiterhin für eine ungenannte Anzahl Abonnenten, so der Wahlkampfsprecher.

Houston Chronicle, 23. Mai 1996

Im Wesentlichen argumentierte Paul damals anno 1996 also, daß seine Schriften – zu denen er sich öffentlich bekannte – aus dem Zusammenhang gerissen worden seien (bestimmt ein Symptom des „kommenden Rassenkriegs“).

Zwölf Jahre spatter war Paul jedoch offenbar klar geworden, daß seine Schutzbehauptungen nach dem Motto „Ja, natürlich habe ich Schwarze als kriminellen Viecher bezeichnet, die euer Hab und Gut plündern und euch mit AIDS infizieren wollen, aber das war doch nicht böse gemeint!“ es vor seinem neuen, linksgeneigten nationalen Publikum nicht unbedingt bringen würden:

„Die Zitate im New Republik-Artikel sind nicht von mir und entsprechen nicht dem, was ich glaube oder jemals geglaubt habe. Solche Worte habe ich niemals von mir gegeben, und ich veurteile derart bornierte Gedanken.“

„In Wirklichkeit stimmte ich mit Martin Luther King jun. schon immer darin überein, daß wir uns nur für den Charakter eines Menschen und nicht seiner Hauptfarbe interessieren sollen. Wie ich am 20. April 1999 im US-Repräsentantenhaus gesagt habe: „Ich erhebe mich aus Respekt vor dem Mut und den hohen Idealen von Rosa Parks, die sich unerschütterlich für die Rechte des Einzelnen gegen ungerechte Gesetze und unterdrückerische Regierungspolitik engagierte.“

 

Paul zufolge sind afroamerikanische „Tiere“ aber nicht die einzige Bedrohung, mit der wir es zu tun haben.  Wie er 2007 in einem Interview mit der Rassistenseite VDare.com (die von Paul Craig Roberts – ein weiterer merkwürdiger Schlafkamerad – höchstpersönlich mitherausgegeben wird), sehen wir zwei weiteren großen Gefahren ins Auge: illegal eingewanderte Werktätige, das soziale Sicherheitsnetze und die drohende „UNO-Regierung“:

Also, Ausgangspunkt bei mir ist, daß [die Migration] ein großes Problem [darstellt]. Ich habe zwar ungern was mit der Bundesregierung zu tun, ich finde aber, daß der Schutz unserer Staatsgrenzen in den Aufgabenbereich des Bundes fällt. Es ist aus verschiedenen Gründen zu dieser Sauerei gekommen. Zum einen warden die Gesetze nicht durchgesetzt. Ein weiteres Problem ist der Sozialstaat:   Arbeiter sind in diesem Land gefragt, weil unser Sozialstaat Menschen geradezu ermutigt, nicht zu arbeiten. Deshalb finden viele Arbeitsplätze keinen Interessenten. Dies stellt einen Anreiz für Migranten dar, hier reinzukommen und die Arbeitsplätze zu nehmen.

Das wird dadurch erschwert durch bundesrechtliche Verpflichtungen, die die Bundesstaaten zwingen, kostenlose ärztliche Versorgung [N.B.: Stimmt eigentlich nicht] – was in Texas die Krankenhäuser  regelrecht an den Rand des Bankrotts treibt – sowie kostenlose Schulbildung bereitzustellen .

Kern meiner Botschaft ist also, die Anreize für Rechtsverletzungen abzuschaffen – sowohl die Sozialleistungen [NB: Die selbst legal eingereiste Ausländer von Gesetzes wegen nicht beanspruchen dürfen] als auch die Amnestie- und Staatsbürgerschaftsversprechen [NB: Die es nicht gibt].

Die Idee, daß jeder, der in den USA geboren wird, automatisch Staatsbürger wird, möchte ich auch überdenken. Ich glaube nicht, daß es das in vielen Ländern gibt. Ich glaube auch nicht, daß das das Ziel des 14. Verfassungszusatzes [Gleichheit vor dem Gesetz, Staatsbürgerschaft für alle im Inland Geborenen] war. Persönlich bin ich der Meinung, daß dies einfachrechtlich gelöst werden könnte. Andere sehen das anders, also habe ich vorsichtshalber ein diesbezügliches Verfassungsänderungsverfahren eingeleitet.

Erschwert wird das Problem der illegalen Einwanderer, die unsere Arbeitsplätze nehmen, offenbar durch etwas, was Paul als „die Rassenfrage“ bezeichnet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Im selben Interview verkündete Paul auch: „Ich glaube nicht, daß der Preis der Arbeitskräfte durch Mindeslöhne geschützt werden sollte. Darüber sollte der Markt entscheiden. Auch, was die Obergrenzen betrifft.” Arbeitsrecht nach haitianischer Art.

Als erklärter Libertarian (im von der Rechten umgedeuteten Sinne, nicht im traditionellen Sinne des Wortes „libertär“) liebt Paul Worte wie Freiheit. Er hat sogar gesagt: „Was die Abtreibungsfrage betrifft, finde ich, daß ich das mit den Grundfreiheiten sehr genau nehme,“ abgesehen von denen der Frauen:

Das Gerede von Grundfreiheiten ist rein akademisch, wenn man nicht darüber redet, alles Leben wirklich zu schützen. Wer also die Freiheit bewahren will, muß auch das Leben der Ungeborenen genauso schützen.

Ich habe im Kongreß ein Verfassungsänderungsverfahren eingeleitet, die ich als Präsident auf jeden Fall fördern und durchboxen würde. Die Verfassungsänderung heißt Sanctity of Life Amendment (Verfassungszusatz über die Lebensheiligkeit).  Darin legen wir das Prinzip fest, daß das Leben mit der Empfängnis beginnt. Und da sagt einer, „Und wieso sagen Sie das?”Meine Antwort lautet: „Das ist aber kein politisches Statement von mir – das sagt die Wissenschaft!“

Ich weiß, daß wir alle an einer besseren Rechtspflege wollen und die Verfassung zum Schutze des Lebens ändern wollen. Manchmal denke ich aber, daß die schnellere Lösung dabei außer Acht gelassen wird, und mein Gesetzesentwurf entzieht dem Obersten Gerichtshof die Zuständigkeit für die Abtreibungsfrage. Wenn also ein einzelstaatliches Gesetz keine Abtreibungen erlaubt, kann es durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr außer Kraft gesetzt werden.

Ich habe seine linken (ja, linken!) Verteidiger einwenden hören, daß Paul in der Abtreibungsfrage bloß die Macht der Regierung einschränken wolle, daß er also die Bundesgerichte und –regierung aus dem Weg schaffen wolle, damit die Bundesstaaten darüber entscheiden können.  Da frage ich mich schon, wie das ihrer Ansicht nach zu seiner Stimme für das bundesrechtliche Verbot des lebensrettenden Eingriffs Dilatation/Extraktion (D&X) paßt, das der OGH in seiner schändlichen Entscheidung Gonzales v. Carhart für verfassungskonform erklärte.

Es wundert also nicht gerade, daß Ron Paul für Begeisterung in den Reihen einiger Zeitgenossen sorgt, mit denen die Linke sich nicht unbedingt gern in Verbindung bringen läßt. Die Neonazi-Seite Stormfront spendete $500 an seinen Wahlkampf. Paul weigerte sich demonstrativ, diese Spende zurückzugeben. Die Unterstützung der Stormfront-Führer wurde von Paul mit einem Fototermin belohnt. Wie es einmal ein Stormfronter mit dem atmosphärischen Usernamen Wolfsnarl (etwa: Knurrwolf) formulierte:

Wenn wir so die dazu bringen können, ihre Rasse zu verteidigen, ohne daß sie aktiv glauben, daß sie das tun, also zum Beispiel durch normale Anti-Ausländer-Gruppierungen wie NumbersUSA oder dadurch, daß sie sich für Ron Paul engagieren.  Schließlich werden sich die meisten Handlanger der jüdisch-bolschewistischen Machtergreifung wohl kaum selbst so identifiziert haben.

Auch KKK-Führer David Duke „mag Ron Pauls Wahlkampf“ genug, um ihm ein paar kostenlose Ratschläge darüber zu erteilen, Was Ron Paul tun muß, um zu gewinnen, obgleich „Ron Paul nicht genug tut, um das Erbe und die Interessen der Euroamerikaner zu bewahren.“ NB: Dukes Kritik an Paul besteht nicht darin, daß dieser kein Rassist sei, sondern darin, daß er nicht rassistisch genug sei.

Zwar stimmt es, daß einem Menschen die Fans, die er so gewinnt, nicht unbedingt angelastet werden dürfen.  Alle, die in der Öffentlichkeit auch nur ein bißchen bekannt sind, werden wohl ein paar Fans haben, die Ansichten vertreiten, die sie nicht teilen. Barack Obama z.B. hat nach wie vor einige linksfortschrittliche Kriegsgegner als Fans.

Sein Umgang mit seinen Fans kann einem Menschen aber sehr wohl angelastet werden. Barack Obama hat sich redlich bemüht, zu zeigen, daß die Bewunderung mancher Linksfortschrittlichen für ihn nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Er hat sie wiederholt verhöhnt und verunglimpft, und verfolgt eine Agenda, die sich gegen all das richtet, wo die für sind. Der Umstand, daß manche Idioten einfach nicht zuhören, ist Obama also keineswegs anzulasten.

Anders liegt es bei Ron Paul. Erstens, wie wir bereits oben gesehen haben, teilt Ron Paul sehr wohl die Ansichten der Neonazis und sonstigen Rassisten, die ihm zujubeln. Er macht ihnen sogar seit Langem den Hof, über seinen Newsletter, sowie dadurch, daß er auf ihren Kundgebungen auftritt und mit ihren Medien (z.B. Vdare) spricht, und auch dadurch, daß er auf Fototerminen mit einigen ihrer Führer in die Kamera grinst. Das ist nicht gerade das Verhalten eines Mannes, der all das ablehnt, wofür die hakenkreuztragende Rechte steht; es sieht vielmehr einem ähnlich, der ihre Ansichten zumindest akzeptabel findet und ihre Unterstützung zu würdigen weiß. Allermindestens ist Paul die Nähe von Menschen, die seine linken Unterstützer gern krankenhausreif prügeln würden, ein bißchen zu angenehm.

Ron Paul: Symptom linker Dysfunition

Trotz über Jahre hinweg wiederholte Äußerungen, angesichts derer in jedem anderen Land die auf jedem seiner Auftritte eine Gegendemo organisieren würde, gibt es nicht wenige Linksgeneigten in den USA, die Ron Paul bis ans bittere Ende verteidigen und jeden Kritiker angreifen, der seine nicht ganz unproblematischen Ansichten thematisiert. Wieso eigentlich?

Die meisten linken Paul-Unterstützer, die mir über den Weg gelaufen sind, fassen ihre Unterstützung mehr oder weniger wie folgt zusammen: Er sei gegen den Krieg, gegen das Repressionsgesetz USA PATRIOT Act, gegen den Imperialismus und für die Legalisierung von Drogen. Jeder Hinweis darauf, daß er zugleich ein frauenfeindlicher Rassist, der die Rechte und Interessen der Werktätigen virulent angreift, wird entweder als Verleumdung oder Angstmache abgetan.

Mit andern Worten: „In ein paar Fragen ist er mit uns einer Meinung, also müssen wir ihn unterstützen. Was für eine Gesellschaft er schaffen will, ist doch völlig egal. Man kann ja nicht alles haben!“

Ebendiese Denkart führt einige in der Palästina-Solibewegung dazu, Leute wie Jeff Blankfort, Paul Craig Roberts und Gilad Atzmon zustimmend zu zitieren.

Im Grunde genommen stehen wir Linken ihrer Meinung nach allein in einer Ecke, und dürfen deshalb nicht wählerisch sein. „Na, wenn du Ron Paul nicht magst“, hat man mich oft gefragt, „nenn doch mal einen Politiker, den du gut findest.“ Daß wir uns auf der Suche nach „Freunden“ nicht auf die Politkaste mit ihren „anderthalb“ Parteien und ihrem schmalen Meinungsspektrum beschränken müssen, kommt ihnen offenbar überhaupt nicht in den Sinn.  Keine Basisbewegungen, kein Meiden des von den Konzernen gemanagten Wahlsystems zugunsten der Ausübung von Druck von unten und von außen – Du suchst dir nen Kandidaten und gehst auf gut Glück. Man kann ja nicht alles haben! Dank dieser Denkart ist es dem Wahlkampf Barack Obama gelungen, all die Graswurzelbewegungen der Bush-Jahre einzuschläfern.

Erschwert wird dies durch die oft erstaunliche politische Ignorant, die unter linken Amerikanern zu finden ist. Dort weisen Verschwörungstheorien von ganz Rechts die beunruhigende Tendenz auf, gen links zu migrieren (wenngleich mit bestimmten Änderungen).

Man betrachte z.B. die Verschwörungstheorien um die US-Zentralbank. Das erste Mal, daß ich jemand (fälschlicherweise) behaupten hörte, daß „keiner weiß, wem der Fed gehört“ und ferner (ebenso fälschlicherweise) daß die US-Notenbank in privater Hand liege, war in einem „Doku“ namens Freedom to Fascism. In diesem Pseudoku erfahren wir, daß amerikanische Arbeiter Freiheit und Wohlstand in beinahe utopischem Ausmaß genossen, bis 1916 die Einkommenssteuer eingeführt wurde (Frauen hatten die Freiheit, nicht wählen zu gehen, allen Werktätigen stand es frei, entweder auf Gewerkschaften zu verzichten oder erschossen zu werden, sowie statt mit echtem Geld mit Spielgeld bezahlt zu werden, Afroamerikaner hatten das Recht, sich unter grinsenden Wahnsinnigen photographieren zu lassen während sie am Scheiterhaufen bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, Sie wissen schon). Zum Glück, so informierte uns der „Doku“, gebe es kein Gesetz, wonach wir verpflichtet wären, die Einkommenssteuer zu bezahlen. Hierzu wurden zahlreiche berüchtigte Hochstapler zitiert. Zu den anderen vom Film angeführen Beispielen des umherziehenden „faschistischen” Gespenstes gehörte u.a. die Tatsache, daß zur Zeit des Hurrikans Katrina gegen weiße Einwohner Louisianas tatsächlich ermittelt wurde, weil sie auf unbewaffnete schwarze Einwohner Louisianas das Feuer eröffneten, die den fatalen Fehler begangen hatten, die in ihre Wohngegend führende Brücke auf der Suche nach Zuflucht überquert zu haben.

Zwei Jahre später erfuhre ich, daß dieser Coughlin’sche Unsinn von einer Verschwörung „internationaler (sprich: jüdischer) Bankiers“ in Gestalt der „privaten“ Notenbank von zahlreichen Linksfortschrittlichen aufgeschleckt worden war. Natürlich wäre die ursprüngliche Version mit den utopischen Verhältnissen vor der Legalisierung der Gewerkschaften und der Einführung der Einkommenssteuer und des Frauenwahlrechts unter diesen Leuten der reinste Ladenhüter. Zum Glück ist jemandem eine andere verlorene Utopie eingefallen, deren Hauptdarsteller der beliebteste Kriegsverbrecher der USA, JFK, ist. JFK war in der Linken schon lange Gegenstand unsinniger Lobhudelei gewesen, weil er angeblich supergeheime Pläne (derart geheim, daß sie in seinen früher streng geheimen Akten mit keinem einzigen Wort auch nur angedeutet werden) zur Beendigung des Krieges, den er angefangen hatte und mit ganzem Herzen unterstützte. Nunmehr sollte der eingefleischte Rotenriecher John Fitzgerald Kenneda nicht nur klammheimlich dabei gewesen sein, die Besetzung Vietnams zu beenden, sondern auch noch drauf und dran, die US-Notenbank durch die Emission von Silberscheinen anzugreifen.

Mir geht es hierbei nicht darum, diese oder sonst irgendeine rechte Verschwörungstheorie zu widerlegen, die gen links gewandert ist – anderen, die masochistischer sind als meine Wenigkeit, ist das bereits wunderbar gelungen. Mein Interesse besteht vielmehr darin, daß dies eine Parallele zu der dysfunktionalen Verbündetensuche, die vielerorts in der fragmentären US-amerikanischen Linken anzutreffen ist.  Diese Anziehungskraft dieser Theorien besteht nicht etwa in ihrer Wahrhaftigkeit – die sind schließlich so falsch, daß es die Intelligenz beleidigt. Ihre Anziehungskraft – wie die von Ron Paul und seinesgleichen – besteht vielmehr darin, daß sie wenigstens oberflächlich den Anschein haben, mächtige kapitalistische Institutionen anzugreifen.  Außerdem tun sie dies auf eine Art und Weise, die Untättigkeit gerechtfertigt erscheinen läßt (die Institutionen seien allmächtig, die „Herdenmenschen“ würden einfach nicht zuhören, usw.), und sie liefern scheinbar eine Erklärung, warum wir in diesem Land keine funktionfähige Linke haben, ohne dem Nichtvorhandensein jedweder nachhaltiger Organisationsbemühungen, dem Unvermögen, zwischen gesundem Pluralismus und dysfunktionalem Opportunismus (z.B. Ron Paul) zu entscheiden , sowie dem Unvermögen, das Beharren auf Prinzipien von inselartiger Sektiererei zu unterscheiden, irgendeine Bedeutung beizumessen.

Sicherlich sind hierfür viele Faktoren verantwortlich. Es gibt z.B. die jahrehntelang andauernden Bemühungen durch FBI und Staatsschutz, linke Organisationen zu unterwandern und zersetzen, ein Propaganasystem, das 80% der Bevölkerung davon überzeugt, daß sie mit ihren Ansichten in der Minderheit sind, eine Demokratische partei, die sich als Oppositionspartei fortschrittlich gibt, eine Republikanische Partei, die dermaßen scheußlich ist, daß sogar die Demokraten daneben gut aussehen, sowie zahllose andere Hindernisse. Doch können uns diese äußeren Hindernisse von der Verantwortung, unsere eigene innere Dysfunktion kritisch unter die Lupe nehmen, nicht befreien.  Eine schwache, zerstuckelte, inselartige Linke kann zwar wenig tun gegen die massiven strukturellen Hindernisse, mit denen wir es zu tun haben, aber sicherlich können wir anfangen, vor unserer eigenen Haustür zu kehren.

1 comment so far ↓

#1 Leser on 11.15.11 at 22:10

Schade, nachdem mehrfach geballter Unsinn kam, wie das David Duke KKK-Führer sei, habe ich nicht mehr weitergelesen. Selbst wenn man offensichtlich ideologisiert ist und meint, gegen jemanden ankämpfen zu müssen, sollte man ein Mindestmaß an intellektueller Redlichkeit bewahren, keine Verleumdung begehen und sich grundlegend über Sachverhalte informieren. Ganz schwach.

[Anm. d. Red.: Mit anderen Worten ist dieser anonyme Kommentator entweder selber Rassist – denn Dukes Bindungen zum KKK sowie zu Neonazigruppierungen sind seit Langem bekannt – oder verdammt schlecht informiert. Ich tippe aber eher auf ersteres, denn sonst müßte er sich nicht hinter einem nicht mal sonderlich kreativen Pseudonym verstecken, um diesen Schwachsinn zu verbreiten. Kleiner Tipp: Zur Verleumdung gehört, daß die Tatsachenbehauptung UNWAHR sein muß. Wahre Tatsachenbehauptungen sind keine Verleumdung. Schönen Tach noch!]