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Die Lex von der Leyen und die Verhältnismäßigkeit

Alle sind ziemlich aufgeregt über das Gesetz über die Gewährung des Zugangs zu kinderpornographischen Erzeugnissen im Internet. Manche bezeichnen es sogar as verfassungswidrig und wollen gerichtlich dagegen vorgehen. Das dank massiver getarnter Unterstützung in der Bevölkerung verabschiedete Gesetz verletze, so diese Teilweisegestrigen, hohe Rechtsgüter wie die Meinungsfreiheit.

Immer mit der Ruhe. Hier ist eine verhältnismäßige Betrachtung gefragt. Wo soviele eine eindeutig verfassungswidrige Maßnahme sehen, sehe ich eigentlich ein mehrheitlich verfassungsschonendes Regelwerk.

Gut, die Meinungsfreiheit, das Zensurverbot, das ganze Artikel-5-Zeugs. Das ist schon ein Argument. Das will ich überhaupt nicht abstreiten. Und man kann vielleicht auch getrost sagen, daß das Gesetz gehörmäßig nicht ganz ohne ist. Und, ja, es beruht viel eher auf dem Grundsatz der Gewaltenanhäufung als auf dem konventionellen Gedanken der Gewaltenteilung. Das ist alles wahr. Das sehe ich schon ein. Und das Eigentumsrecht, klar. Da gibt’s auch ein paar Problemchen mit.

Ich räume also argumentationshalber bereitwillig ein, daß das Gesetz unter strengen Maßstäben in den Rahmen der Art. 5 I, 14, 20 II, 20 III und 103 schwer paßt. Gehen wir also davon aus, daß so ca. 5 verfassungsrechtliche Vorschriften verletzt worden sein könnten.

Dabei muß man bedenken, daß das Grundgesetz aus 189 Artikeln besteht. Und mindestens doppelt sovielen Absätzen! Und bedenken Sie bloß, wieviele teilweise äußerst wichtigen Vorschriften vom Zugangsgewährungsgesetz nicht verletzt worden sind. Der Artikel zur Bundesflagge etwa, oder der zu den Untersuchungsausschüssen. Und das Recht der Bundestagskandidaten auf Wahlkampfurlaub hat da überhaupt nichts von abbekommen! Das Recht gewisser Ausländer, für die Dauer ihres Asylablehnungsverfahrens in der BRD zu bleiben, ist auch noch völlig intakt. Und was ist mit Art. 145 über den Parlamentarischen Rat?

Und die Glaubensfreiheit, diese tragende Säule der freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Die ist doch nicht verletzt worden, oder? Gut, manche Amtsträger der katholischen Kirche werden sich vielleicht zur Teilnahme an EDV-Fortbildungskursen gezwungen sehen, aber das ist doch auch nicht übermäßig!

Wenn wir also davon ausgehen, daß diese Leute, die glauben, bloß weil sie 134.000 Unterschriften ordnungsgemäß gesammelt haben hätten sie das Recht, auch noch gehört zu werden, mit ihren Behauptungen Recht haben, ist das Grundgesetz zu höchstens 2,6% verletzt. 2,6 Prozent! Die restlichen 97,4% sind vollkommen unangetastet.

Verletzung? Ich bitte Sie. Das ist doch nur ein Kratzer!

Gehen Sie denn zum Arzt, wenn Sie an 2,6% Ihres Körpers verletzt sind? Als Kassenpatient? Die Praxisgebühr ist das doch nicht wert! Warum gehen Sie dann gleich vor Gericht, wenn nur ganze 2,6% der Verfassung verletzt worden sind?