Vergangenheitsbewältigung à l’américaine

Mit dem Krieg gegen den Irak leisten die USA den größten Beitrag zur Völkerverständigung der Nachkriegszeit. In 30 bis 60 Jahren werden die Amerikaner den Deutschen ein noch nie dagewesenes Verständnis entgegenbringen.



Das Stichwort der Nachkriegszeit in der BRD ist Vergangenheitsbewältigung: Wie wird man mit dem vom eigenen Land angerichteten Greuel fertig? Wie wird man mit dem größten Schandfleck der deutschen Geschichte – dem Holocaust – fertig?




Unter Amerikanern gilt der US-Krieg in Vietnam als die größte Schande der US-Geschichte. Der Krieg hat sogar eine eigene Krankheit ins Leben gerufen: das sogenannte Vietnam-Syndrom. Der rechte US-Publizist Norman Podhoretz hat dieses als die „krankhafte Abneigung gegen militärische Gewalt“ definiert. 3 Millionen Menschen wurden damals vom US-Militär ermordet. Auch in den USA ist also Vergangenheitsbewältigung gefragt.




Die deutsche Vergangenheitsbewältigung stößt bei der US-Elite aber auf Schmunzeln. Kritische Auseinandersetzung mit dem Verhalten des eigenen Staats? Bekenntnis zur moralischen Verantwortung, dafür zu Sorgen, daß solch eine Schande nie wieder vorkommt? Wiedergutmachungs- und Schadensersatzleistungen?




Das ist doch alles etwas für Verlierer, für Länder, die nach einem mißglückten Angriffskrieg eine fremde Militärbesatzung dulden müsen! Da machen es die Amis lieber auf ihre eigene Art. Spricht überhaupt jemand im US-Mainstream von Wiedergutmachungsleistungen, von Schadensersatz für die Opfer ihres Krieges in Indochina?




Denkste! Es geht ja schließlich um das Land, in dem der erste Präsident Bush in einem anderen Zusammenhang gesagt hat: „Ich werde mich nie für die Vereinigten Staaten von Amerika entschuldigen, ganz egal, wie die Tatsachen aussehen.“ Nein, die US-Regierung hat sogar behauptet, es gäbe nichts wiedergutzumachen, denn „die Zerstörung erfolgte auf Grundlage der Gegenseitigkeit“. Damit nicht genug, manche US-Politiker haben verlauten lassen, daß man von Vietnam eine Schadensersatzleistung verlangen sollte!




Die Stimmung US-Bevölkerung macht aber irgendeine Art der Vergangenheitsbewältigung notwendig. Irgendwie muß man dem gemeinen Fußvolk helfen, mit diesem Schandfleck der US-amerikanischen Geschichte auf eine so gesunde Art und Weise umzugehen wie es den Bonzen gelingt. Aber kritische Diskussion, Wiedergutmachung?




Nein, der Krieg gegen den Irak ist die amerikanische Art der Vergangenheitsbewältigung. Die Bonzen in den USA haben gesehen, wie sich das Thema Holocaust selbst nach jahrzehntelanger Diskussion noch immer nicht so richtig erledigt hat. Und die haben erkannt, daß den Deutschen da ein gewaltiger Fehler unterlaufen ist: sie haben sich in der Nachkriegszeit nämlich keine auch nur annähernd vergleichbare Tat zuschulden kommen lassen, die den Holocaust verdrängen könnte.




Den Fehler haben sie kapiert: Da braucht man keinen Schadensersatz. Man braucht Schandenersatz! Und so geben sich die US-Bonzen geradezu epische Mühe, den Greuel des Irak-Kriegs so entsetzlich zu machen, daß sich keiner mehr an Vietnam erinnert.




Hätte sich die Merkel 2003 durchsetzen können, hätte auch Deutschland an dieser neuen Phase der Vergangenheitsbewältigung teilhaben können. Doof isse nich.