Entries from Juli 2009 ↓

Das große Aufatmen

Wir können endlich aufatmen. Jetzt haben wir’s sogar amtlich. Wir haben gewonnen! Es gibt keinen Rechtsextremismus in der BRD – das sagt sogar Charlotte Knobloch vom Zentralrat der Juden in Deutschland!

Also, sie hat das ja nicht groß rausposaunt. Das war eher eine stillschweigende Ankündigung.

Aber Sieg bleibt Sieg.

Nein, die BRD hat sie eigentlich gar nicht erwähnt, das ist wahr.

Knobloch hat in einem ARD-Livechat gesagt, es gebe in Israel keinen Rechtsextremismus. Es gebe „rechte Parteien“, aber keinen Rechtsextremismus.

Z.B. Avigdor Liebermans Partei „Israel Beitenu“. Die fordern die Ausbürgerung von Palästinensern mit israelischem Paß, die Vertreibung der Palästinenser aus den besetzten Gebieten, die Annexion der besetzten Gebiete sowie weitere territoriale Erweiterung. Und das Gedenken an die Nakba – die nationale Tragödie der Palästinenser – wollen sie unter Strafe stellen. Das ist übrigens eine Regierungspartei. Aber halt keine rechtsextremistische.

So weit kann man also nach Knoblochs Auffassung gehen, ohne Rechtsextremist zu sein.

In der BRD gibt es Parteien, die alle Deutschen mit Migrationshintergrund ausbürgern und abschieben und den Oder-Neiße-Vertrag kündigen wollen. „Von der Maas bis an die Memel“ schreiben sie sich auf die Fahne.

Das sind aber keine Regierungsparteien. Eher so eine Art ABM für Verfassungsschützer.

Und jetzt wissen wir dank Frau Knobloch, daß das nicht mal Rechtsextremisten sind.

Welche Erleichterung!

Will jemand Sekt?

Na, ausgezeichnet!

Es sind in der BRD neulich gleich zwei der wichtigsten jüdischen Verfechter des Gedankens eines gerechten Friedens in Israel und Palästina mit höchsten Ehren ausgezeichnet worden. Die israelische Rechtsanwältin Felicia Langer, die jahrelang Palästinenser vor den israelischen Militärgerichten verteidigt hat, ist vergangene Woche mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, einer der allerhöchsten staatlichen Auszeichnungen der BRD, ausgezeichnet worden. Auch Dr. Rolf Verleger, der die jüdische Gemeinde in Lübeck neugegründet und immer wieder der israelisch-zionistischen Staatsräson die traditionellen jüdischen Werte der Gerechtigkeit (Zedek), der Barmherzigkeit (Gemilut hasadim) und der Nächstenliebe gegenübergestellt hat, ist vom Zentralrat der Juden in Deutschland die höchste Auszeichnung verliehen worden, die diese Organisation in ihrer derzeitigen Gestalt überhaupt noch verleihen kann: der Rauswurf.

Mit dem Rauswurf von Rolf Verleger sind die selbsternannten Vertreter des Judentums durchaus zufrieden, weil sie eben keine Ahnung haben, was sie mit dieser Entscheidung wirklich gesagt haben. Auch ich begrüße diese Entscheidung, und möchte Herrn Dr. Verleger an dieser Stelle herzlichst gratulieren, denn damit hat der Zentralrat besser verdeutlicht, als er es in tausend Artikeln und Vorträgen zu verdeutlichen vermocht hätte, welchen moralischen Tiefstand diese Körperschaft erreicht, mit welcher Endgültigkeit sie unseren kostbarsten Werten den Rücken gekehrt hat.  Wenn die Spiegels, Knoblochs, Graumanns, Broders und Giordanos unseres Volkes diese Entscheidung feiern, stellen sie auf eindrucksvolle Art unter Beweis, wie recht Herr Dr. Verleger hat. Weiter so!

Über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse an Felicia Langer sind sie aber empört, und zwar gerade weil sie ganz genau wissen, was das zu bedeuten hat. „Israel kritisiert Köhler wegen Orden für Jüdin“, titelt der Berliner Tagesspiegel: „Die israelische Regierung ist empört über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Jüdin Felicia Langer“ heißt es da im Sprachgebrauch der Nazis: In der NS-Zeit hieß man nämlich nicht „Herr Dr. Rolf Verleger“ noch „Frau Rechtsanwältin Langer“, sondern „der Jude Verleger“, „die Jüdin Felicia Langer“. Und auf diesem Niveau bleibt die Meldung auch.

Israel hat also die Auszeichnung einer führenden israelischen Dissidentin kritisiert. Was soll daran berichtenswert sein? War die iranische Regierung etwa entzückt, als einer führenden iranischen Bürgerrechtsanwältin der Friedensnobelpreis verliehen wurde? Zeigte sich das Außenministerium der DDR erfreut über Preisverleihungen an einen Wolf Biermann? War das Suharto-Regime in Indonesien mit der Verleihung des Nobelpreises an einen Aktivisten für die Menschenrechte der Timoresen zufrieden? Wurde Ossietzky für seinen Nobelpreis von entsprechender Stelle in Berlin beglückwunscht? Allein die Vorstellung ist völlig lächerlich.

Die einzigen guten Dissidenten sind immer nur die des offiziellen Feindes. Das ist seit eh und je, immer und überall so. Daß die israelische Regierung über die Auszeichnung von Frau Langer empört ist, ist ungefähr so berichtenswert wie die Tatsache, daß es im Sommer generell wärmer ist als im Winter.

Nach bester Prawda-Tradition dürfen in Weinthals Artikel nur diejenigen zu Wort kommen, die Schlechtes über Frau Langer zu sagen haben. „Langer hat über Jahre immer wieder Kräfte unterstützt, die Gewalt, Tod und Extremismus befürworten“ donnert Yigal Palmor vom israelischen Außenministerium. Ralph Giordano, heißt es weiter, droht damit, das Verdienstkreuz aufzuwerten, in dem er seines zurückgibt.

Darüber, womit Frau Langer diese Auszeichnung verdient hat, ist kein Wort zu lesen. Kein Wort über ihre Vertretung der Opfer israelischer Willkürmaßnahmen in den besetzten Gebieten vor den israelischen Militärgerichten. Kein Wort darüber, daß selbst Alan Dershowitz, der immer gern dabei ist, wenn es darum geht, Israels jüdische Kritiker zu verunglimpfen, ihr Verhalten vor Gericht als seriös und korrekt bezeichnet hat. Kein Wort von den Menschen, denen sie geholfen hat. Und selbstverständlich darf Frau Langer selbst mit keinem Wort ihre Ansichten darlegen oder verteidigen.

Dieser Hetzjournalismus ist aber nichts gegen das Niveau der Kommentare. Immerhin – das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt – haben einige versucht, Konkretes über Langers Leben und Wirken zu berichten, aber solche Beiträge (darunter auch meiner) sind zum Teil wegzensiert worden, zum Teil in der Diffamierungsschwemme abgesoffen.

In den Kommentaren hat sich jeder, der keine Chance verpaßt, sich als Pseudophilosemit zu profilieren, zu Wort gemeldet. Und man erkennt am Inhalt dieser Beiträge ganz genau, worum es diesen selbsternannten Freunden des Judentums wirklich geht. Einer macht Langer einen Vorwurf daraus, daß ihr die Flucht vor den Nazis in die SU gelungen ist: „Sie hat den Krieg nicht im KZ, sondern im ZK verbracht“. Man merkt schon, was diesem Zeitgenossen lieber wäre (und wo sollte sie denn sonst hin? Mitten im Krieg nach London über Tilsit und Lübeck etwa?). An den sich immer weiter steigernden Diffamierungen erkennt man, welche Freude es diesen „Philosemiten“ bereitet, endlich mal eine Jüdin vor sich zu haben, die sie auf salonfähige Art hassen dürfen. Wer darauf hinweist, daß es in den besetzten Gebieten mit den Menschenrechten nicht unbedingt im grünen Bereich ist, wird nach altehrwürdiger Streicher-Art als „Gutmensch“ abgekanzelt. Dem jüdisch-israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery, so ein anderer, gehe es nur ums Geld (wie schön ers wohl findet, endlich mal ehrlich seine Meinung über uns Juden zu sagen! Ja, es geht uns ums Geld, sicher! Deshalb verzichten wir auf allgemeine Anerkennung und fette Tantiemen, um Mißstände anzuprangern. Na klar…warte mal, WAS??) Wenn das unsere Freunde sein sollen, hat es im Dritten Reich von Freunden des Judentums nur so gewimmelt!

Der Nazi-Schreibart bedienen sich auch andere andere Berufsempörte, die Frau Langer als „Bundesverdienstjüdin“ bezeichnen. Im Stürmer war Albert Einstein immer nur der „Relativitätsjude“.

Bei so einer Veranstaltung darf die Schoa natürlich auch nicht fehlen. Wenn es diesen vermeintlichen Philosemiten nicht gerade darum geht, ihre Enttäuschung darüber, daß Frau Langer den Krieg in der SU überlebt hat, statt in Treblinka vergast worden zu sein, zum Ausdruck zu bringen, geht es ihnen darum, uns Juden die moralische Zurechnungsfähigkeit abzuerkennen. Nach deren Meinung sind wir seit der Schoa schuldunfähig (diejenigen „Gutmenschen“ unter uns, die Unrecht Unrecht nennen, einmal ausgenommen). Die Millionen Ermordeten werden schon wieder auf krasse Art mißbraucht. Das sind keine Menschen mehr, nur Werbemaskottchen. Das Leid, das Massensterben, der Schmerz derjenigen, die ihre ganze Verwandtschaft durch das Verbrechen der Großväter dieser selbsternannten Philosemiten verloren haben, ist ihnen völlig egal. Glauben die etwa, daß sich meine ermordete deutsche Verwandtschaft in ihren letzten Momenten dachte: „Wenn dadurch auch nur eine Hauszerstörung gerechtfertigt werden kann, hat sich mein Tod schon gelohnt“?

Diese Frage ist ihnen bestimmt nicht einmal im Traum eingefallen. Es geht ihnen nämlich nicht um Juden, nicht um Israelis und schon gar nicht um Palästinenser, sondern einzig und allein darum, allen zu beweisen, daß sie keine „Gutmenschen“, sondern „gute Deutsche“ sind. Und das sind sie auch!

Canción para Roberto Micheletti

(Melodia: Hasta siempre, Comandante)

El Roberto que tanto extraña
la época de don Augusto
al pueblo le tiene susto
y en la represión se ensaña.

Estribillo:
No se te venga a la mente
llamarte “el presidente” –
Roberto, en este continente
te llamamos delincuente.

El Tío Sam te dio la plata
y las armas de costumbre:
“Acalla a esa muchedumbre,
que aquí gana el que mata.”

ESTRIBILLO

En un fundo que país se llama
que puñal tiene en el pecho,
el pueblo exige su derecho –
No te podrá salvar ni Obama.

ESTRIBILLO

El Cóndor que – tan fiable –
devoraba al alzadizo
va, viejo y enfermizo,
hacia su suerte implacable.

ESTRIBILLO

TeleSUR-Livestream: Das Geschehen in Honduras mit den eigenen Augen erleben

Honduras – Land ohne Neda

 

Neda heißt sie. Inzwischen kennen sie alle, und reden von ihr mit Vornamen, diesem Du der dritten Person. Wir alle haben dieses wunderschöne Foto von ihr gesehen, einer jungen iranischen Philosophiestudentin, die mit Tausenden und Abertausenden ihrer Landsleute der Repression eines autoritären Staates trotzte in der Überzeugung, daß es doch mal anders gehen kann. Ihre Familie trauert, und Europa und Amerika – die ihre Stadt so gern bombardieren möchten – trauern mit.

In Honduras haben die Toten keine Namen. Sie haben keine Gesichter, keine Lebensläufe, nichts, was auf ihre Eigenschaft als gleichwertige Menschen – als Menschen, mit denen wir uns identifizieren können und sollen – hinweisen könnte. Mindestens zwei Teilnehmer an der friedlichen Demonstration vor dem internationalen Flughafen der Landeshauptstadt Tegucigalpa sind von der honduranischen Armee in deren Überfall auf seine eigene Zivilbevölkerung getötet worden. Noch einer ist vor ein paar Tagen vor dem honduranischen Telekommunikationsbetrieb Hondutel von einem Fahzeug der Armee überfahren worden. In Honduras trauern derzeit viele – um ihre toten und verschollenen Freunde und Angehörigen, und um die im gewählten Staatspräsidenten Juan Manuel „Mel“ Zelaya verkörperte Hoffnung, daß es in ihrem Land – wo eine kleine Elite mit Duldung und Hilfe der Schutzmacht USA die arme Mehrheit seit eh und je unterdrückt – doch mal anders gehen könne. Aber sie trauern alleine.

Die Honduraner leben, kämpfen, leiden und sterben in der Anonymität.

Neda kennt die ganze Welt. Von den Toten in Honduras weiß die Welt nicht einmal, wieviele es gibt. Es erscheint eine Kurzmeldung über einen Staatsstreich in einem kleinen, unbekannten mittelamerikanischen Land. Die UNO, die Organisation Amerikanischer Staaten und nach anfänglichem Zögern sogar die US-Regierung verurteilen den Angriff auf die honduranische Demokratie, und damit ist das Thema durch. Die Menschen denken sich, daß Präsident Barack Hoffnungwandeleierkuchen Obama die Sache in die Hand genommen habe, und legen die Problematik ad acta. Wir hören und lesen die Worte, erfahren aber nichts über die Taten.

Trotz mäßiger Kritik am honduranischen Putsch gehen die Handelsbeziehungen Honduras-USA (70% des honduranischen Außenhandels) heiter weiter. Über die Einstellung der Waffenlieferungen an die honduranische Armee – ohne die der Militärputsch sofort scheitern würde –, so die US-Regierung, wird „nachgedacht“. Diese Schritte sollte die Welt genauso ernst nehmen wie es die honduranische Armee tut, nämlich gar nicht. Wenn die Armeeführung ernsthaft glaubte, daß der Putsch die Einstellung der Militärhilfe, von der sie komplett abhängig ist, zur Folge haben könnte, wäre es gar nicht erst zum Putsch gekommen. Ohne Waffenlieferungen aus der USA wäre das Scheitern der Golpistas eine Frage der Zeit – sind die Munitionen einmal alle, ist auch ihre einzige Machtquelle erschöpft.

Aber die honduranische Generalität bangt nicht um ihren Nachschub.  Wieso auch? Die USA haben überhaupt kein Interesse an der Wiederkehr Zelayas, der mit seiner unabhängig-nationalistischen Politik wichtige US-Interessen bedroht.

Und so wird das auch weitergehen, solange in Honduras weiterhin anonym gestorben wird.

Es kann sein, daß die Zivilbevölkerung und die Solidaritätsbewegung in Lateinamerika dem Putschregime den Garaus machen werden. Es kann sein, daß es in Honduras trotz allem doch mal anders geht. Anders als im Falle des Iran wären wir in der Lage, einen maßgeblichen Beitrag zu leisten, indem wir die US-Regierung zur Einstellung sämtlicher Waffenlieferungen und Auslandshilfe an das honduranische Putschregime auffordern.

Wenn wir selbst diesen geringen Energieaufwand scheuen, sind wir alle durch unsere Feigheit und Faulheit mitschuldig am Schicksal der mutigen Honduraner, die im Kampf für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit alles aufs Spiel setzen.