http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf
Wenn ich einen Text von Henryk M-für-Mamser Broder lese, mache ich mich immer auf einiges gefaßt. Ich hätte gedacht, daß er gar nicht mehr imstande wäre, mich zu überraschen. Seine rassistischen Ausfälle, seine verlogene Hetze gegen Juden unzureichender Linientreue – ich war mir sicher, daß ich beim Lesen der Texteproduktion dieses Tiefenmessers der deutschsprachigen Publizistik zwar kotzen könnte, aber niemals staunen würde.
In diesem Sinne habe ich mich hingesetzt, um seine Kandidaturerklärung für den Vorsitz des Zentralrates der Juden in Deutschland über mich ergehen zu lassen.
Daß er aber einmal in seiner ganzen bescheuerten Karriere etwas Vernünftiges fordern würde, damit habe ich nicht gerechnet. Und doch ist es so: Der Broder schreibt da, daß er sich als ZdJ-Vorsitzender dafür einsetzen werde, daß Schoah-Leugnung aus dem StGB gestrichen werde. Herzlichen Glückwunsch, Herr Broder, Sie haben’s geschafft. Da mußte ich tatsächlich staunen. Aber selbst meine Sammlung kaputter Armbanduhren liegt zweimal am Tag richtig.
Aber manche sind über diese Forderung empört. Broders Forderung – ob sie ehrlich gemeint ist (wohl eher nicht), wird sich noch zeigen – wird sogar als „rechter Diskurs“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um die allererste mir bekannte Broder-Äußerung, die kein rechter Diskurs ist.
Offenbar gibt es Menschen, die tatsächlich glauben, man müsse eine Ansicht selber vertreten, um für ihre Straffreiheit einzutreten. Das ist natürlich völliger Schwachsinn. Selbstverständlich kann man die Straffreiheit einer Äußerung fordern, ohne sie inhaltlich zu vertreten. Das nennt man „Meinungsfreiheit“.
Der anarchosozialistische Sprachwissenschaftler und führende US-Dissident Noam Chomsky hat einmal geschrieben, daß die Meinungsfreiheit eine ziemlich binäre Sache sei: Entweder fordert man die Freiheit, Dinge zu sagen, die man selber verwerflich findet, oder man ist ein Gegner der Meinungsfreiheit. Fertig, aus. So einfach ist das.
Und er hat auch die Konsequenzen gezogen. Obwohl er mehrmals geschrieben hat, daß man seine Menschlichkeit einbüße, wenn man sich auf eine Diskussion mit Nazis und Schoah-Leugnern einlasse, hat er Anfang der 80er Jahre gegen die Bestrafung des französischen Schoah-Leugners Robert Faurisson mitpetiert. Obwohl er immer wieder medienwirksam verleumdet wird (nicht zuletzt hat man ihn fälschlicherweise als Schoah-Leugner verunglimpft), hat er keinen einzigen Prozeß wegen Verleumdung eingeleitet, obwohl er selbst nach dem in puncto Meinungsfreiheit vorbildlichen US-Recht, das sehr hohe Anforderungen an eine Verurteilung wegen Verleumdung stellt, gute Erfolgsaussichten gehabt hätte (hierbei ist anzumerken, daß in den USA die Verleumdung keine Straftat, sondern ein Zivildelikt ist).
Aber man müsse doch alle Waffen bewahren, die einem gegen den Faschismus zu Gebote stehen. Im Prinzip richtig, aber in diesem konkreten Fall völliger Schwachsinn. Wie der Broder zu Recht ausgeführt hat (wie es schmerzt, das zu schreiben!), handelt es sich bei diesen Zensurgesetzen um wichtige Naziförderungsmittel. Höchstens der Zensor selbst glaubt, mit repressiven Mitteln die Unrichtigkeit und Verwerflichkeit einer Äußerung „bewiesen“ zu haben. In Wirklichkeit hat er Nutzidioten und Lügner in Helden, und geschriene Lügen in geflüsterte „Wahrheiten“ verwandelt.
Nazi-Symbole und Schoah-Leugnung sind in der BRD seit Jahrzehnten verboten. Und die Nazis tummeln sich immer noch wild durch die Gegend. Mit derart wirksamen Waffen möchte ich auch mal „bekämpft“ werden.
Mit repressiven Mitteln kommt nicht gegen Ideen an. So einfach ist das. Oder brauchen Sie etwa weitere Beweise?
Also gut. Nächstes Überführungsstück: die Linke. Keine politische Bewegung ist so lange, so heftig reprimiert worden wie die Linke. In Lateinamerika und anderswo haben die Amis ganze Dörfer ausradieren lassen, weil sie dort Linke vermuteten. Knast, Galgen, Folter und Berufsverbot hat man gegen die Linke eingesetzt. Und mit welchem Ergebnis? Die Linke ist gerade in Lateinamerika – wo die Repression am heftigsten und am nachhaltigsten gewesen ist – stärker denn je. Wenn man mit polizeilichen Mitteln gegen politische Weltanschauungen ankäme, dürfte es uns längst nicht mehr geben.
Aber die wehrhafte Demokratie! Noch mehr Bilderbuchschwachsinn. In der „wehrhaften Demokratie“ haben überzeugte Nazis herausragende Stellungen in Wirtschaft und Politik, die demokratische Linke Knast und Berufsverbot gekriegt. Nach der Wende wurden ehemalige DDR-Richter und –Staatsanwälte wegen Rechtsbeugung angeklagt; gegen die NS-Richter und –Staatsanwälte, die weitaus Schlimmeres angerichtet haben, wurde kein einziges Verfahren eingeleitet. In den Berichten des sog. Verfassungsschutzes werden linke Gesinnungen mit rechter Gewalt gleichgesetzt. Mitglieder mutmaßlicher linker Organisationen, deren Existenz nicht einmal erwiesen ist, werden nach § 129 StGB verurteilt, während Angehörige nachweislich existenter, gewalttätiger Naziorganisationen freigesprochen werden. So wehrt sich also eine Demokratie!
Wer sich als Linke für den Erhalt dieses Systems einsetzt, schneidet sich ins eigene Fleisch!
Und auf Logik wird hier überhaupt kein Wert gelegt. Man denke nur kurz an die Völkermorde, die man nach heute geltendem Recht straffrei leugnen darf. Der türkische Völkermord an Kurden und Armeniern, der russische Völkermord an den Tschetschenen, der US-Völkermord in Indochina (immerhin über 3 Millionen Opfer!), der US-indonesische Völkermord an Indonesiern und Timoresen, der US-guatemaltekische Völkermord an den Mayas, der europäische Völkermord an den Ureinwohnern Nord- und Südamerikas, sogar der Jahrhunderte währende kirchliche Völkermord an Juden und Muslimen – das alles darf man straffrei leugnen. Selbst Völkermorde, die heute noch im Gange sind, die man auch noch begünstigt, indem man sie leugnet, darf man straffrei leugnen. Nur ein Völkermord darf nicht geleugnet werden. Und das soll sich reimen!
Und warum nur Völkermord? Selbst wenn man die Leugnung all der oben aufgeführten Verbrechen unter Strafe stellt, bleibt noch eine Fülle an Greueln, die man straffrei leugnen, verharmlosen, oder gar verherrlichen darf, allen voran der Kapitalismus, an dem heute noch Millionen zugrundegehen. Oder der Sexismus, der selbst im ach so aufgeklärten Europa nach wie vor sein Unwesen treibt (das Frauenwahlrecht wurde im Iran früher eingeführt als in Liechtenstein und der Schweiz!). All das darf man überall auf der Welt unverhohlen verharmlosen und verherrlichen. Das nennt man nicht „Verbrechen“, sondern „Politik“, und in den Medien erzielt man damit Milliardenumsätze. Sollen etwa Union, FDP und Eva Herrmann in den Knast? Gleiches Recht für alle!
Da wir gerade dabei sind, gibt es in Europa eine seit Jahrhunderten tätige verfassungsfeindliche Vereinigung. Andersdenkende hat sie auf qualvolle Art ermordet, durch Raub und Plunder hat sie sich finanziert, jeden demokratischen und menschenrechtlichen Fortschritt hat sie bitter bekämpft, und bekämpft sie immer noch. Sie hat niemals auch nur eine Mark Wiedergutmachung geleistet, ist nie Gegenstand von Kriegsverbrecherprozessen geworden, verbietet ihren Kritikern heute noch den Mund (fragen Sie Jürgen Becker!), und predigt Haß, Gewalt und Ausgrenzung. Dieser zünftige Verein nennt sich katholische Kirche, und wird nicht geächtet, sondern läßt sich mit bodenloser Frechheit als moralische Instanz feiern.
Entweder gehört all das unter Strafe gestellt, oder gar nichts. Wie zu entscheiden ist, hängt nur davon ab, ob man für die freie Meinungsäußerung eintritt, oder nur die Meinungen erlauben will, die man selber für vertretbar hält. Anders gesagt: Entweder ist man Demokrat, und tritt mit Voltaire dafür ein, daß selbst die Äußerungen erlaubt werden, die man selber für verächtlich hält, oder man befürwortet dieselbe Meinungsfreiheit wie Hitler und Stalin. Auch die haben keine Meinungsäußerung verboten, die sie selber für richtig hielten.
Es wäre an der Zeit, daß sich manche entscheiden, in welche Ecke sie gehören: Sind sie gegen den Faschismus (und somit für die Meinungsfreiheit), oder wollen sie nur so tun als ob? Klar ist nur, daß der einzige Vorzug dieser Art, Faschisten zu bekämpfen, die Tatsache ist, daß man nie Angst haben muß, daß einem die Faschisten einmal ausgehen. Mit diesem Placeboantifaschismus ist lückenloser Nachschub gewährleistet.