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Am Montag gab es keine Post. Die Banken hatten auch zu. Erst nach dem Abendbrot ist mir endlich eingefallen, woran das lag. Hier in Amiland hat man nämlich die Endlösung der Indianerfrage gefeiert. Dazu gehört eben, daß keine Briefe zugestellt werden. Wer will schon an einem Feiertag Rechnungen und Pfändungsbescheide bekommen?
Nun, so nennt man das hier nicht. Man nennt diesen Tag „Columbus Day“. An diesem Tag hat Christoph Kolumbus vor fünfhundert Jahren Amerika entdeckt…
Also, das stimmt eigentlich nicht ganz. In Wirklichkeit hat er die Insel Hispaniola entdeckt, wo sich heute Haiti und die Dominikanische Republik befinden…
Quatsch, was heißt hier „entdecken“? Da lebten schon längst Menschen. Nach der Logik habe ich im Dezember 1996 Lichtentanne in Sachsen entdeckt. Wenn die Insel jemand entdeckt hat, dann die Leute, die schon dort lebten.
Außerdem dachte der Kolumbus, er sei in Indien. Und kaum war er da, fiel ihm nichts besseres ein, als die Menschen dort abzuschlachten und die wenigen Überlebenden zu versklaven.
Aber irgendeine Entdeckung muß man schon feiern. Aber von welcher Entdeckung kann hier schon die Rede sein?
Ach ja, ich hab’s: An diesem Tag haben die Indianer vor 500 Jahren entdeckt, daß es die Europäer nicht gut mit ihnen meinen. Frohes Fest!
Feiertage wie dieser verschaffen uns jedoch einen wunderschönen bzw. schauerlichen Einblick in die weltanschauliche Abrichtung des gemeinen Hausamerikaners. Da ich jahrelang amerikanische Schulen besucht habe, möchte ich die schöne Gelegenheit nutzen, um Ihnen zu erzählen, was ich in der Schule so alles gelernt habe.
Erstens: Beim morgendlichen Fahnenappell darf nicht gekichert werden. Man darf nur stramm stehen und den Fahneneid urpathetisch, mit der Hand auf dem Herzen, aufsagen. Das ist eine äußerst ernste Angelegenheit, ein Ritual, das seit 1945 nur hier und in Nordkorea zu finden ist. So ernst ist das, daß man als Kind nicht erfahren darf, was diese verstaubte Eidesformel überhaupt zu bedeuten hat. Hauptsache, man hat Schiß und fragt sich dauernd, ob einem die mangelnde Begeisterung anzusehen ist. Eine wichtige Lektion fürs Berufsleben.
Zweitens: George Washington ist ein Gott. Er hat in seinem Leben nie gelogen, war immer integer und aufrichtig, und hat nie einen Fehler gemacht. Und alle lieben ihn. Und du sollst ihn auch lieben, denn er ist der unsterbliche, makellose Vater des Vaterlandes. Seine verfassungsgebenden Kollegen waren wie Engel – erhabene Wesen, die nur aus purem Idealismus bestanden. Um unsere geliebten Führer werden wir in aller Welt beneidet! Zwar waren zu Lebzeiten Washington als impotenter, halb bekloppter Syphilitiker und Jefferson als Sklavinnenvergewaltiger bekannt, und man hat damals auch wiederholt versucht, ihr ganzes Regime zu stürzen, aber sobald sie auf Sauerstoffentzug gingen, wurden sie unsere geliebten Führer, und sind es auch heute noch.
Drittens: Amerika ist seit der Staatsgründung das Land der Freiheit und der Gleichheit. Zwar durften Frauen 150 Jahre lang nicht wählen, und sind heute noch nicht verfassungsrechtlich gleichberechtigt….Also, überhaupt durften zur Zeit der Staatsgründung nur diejenigen wählen, die derselben Oberschicht angehörten wie die aristokratischen Verfassungsväter selbst. Und Schwarze galten nach der Verfassung als Eigentum und Indianer als Freiwild, aber wir wollen hier doch keine Korinthenkacker sein. Das alles lassen die Lehrbücher aus.
Viertens: Unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung, um die uns alle Welt beneidet, garantiert Wohlstand und Reichtum für alle. Wer nicht mit 30 schon Milliardär ist, ist einfach nur ein fauler, blöder Schmarotzer, der es zu gut hat.
Fünftens: Die US-Regierung, um die uns alle Welt beneidet, interessieren nur Freiheit und Demokratie. Deshalb hat Amerika immer wieder gegen Hitler gekämpft, und zwar schon damals, als es ihn noch gar nicht gab. Wir sind die ewigen Bekämpfer Hitlers!
Sechstens: Amerika wird in aller Welt geliebt. Es gibt zwar andere Länder, aber da ist nichts los, außer man hat da grade wieder son Hitler gefunden. Auf der Welt gibt es nur Amerikaner und Amerikaner in spe.
Achtens: Wer etwas anderes sagt, ist entweder bekloppt oder ein Verräter von der übelsten Sorte.
So was wird täglich Millionen Schülern im ganzen Land eingetrichtert. Bißchen Führerkult, bißchen Fahnenfetischismus, jede Menge Autoumbilikoskopie, und als Sättigungsbeilage eine Portion „Wir sind die Guten!“
Wie das kommt? Ganz einfach. Das liegt am amerikanischen Altruismus. Ende 1945 wollten die Amis die deutsche Wirtschaft wieder ins Rollen bringen. Zwar hatten die schon ein paar Sturmbannführern Arbeitsplätze in der Wachstumsbranche Aufstandsbekämpfung verschafft, aber für eine ganze Volkswirtschaft reicht so eine Nischenbeschäftigung niemals aus. Aber was konnte man da überhaupt noch holen? Es war doch alles hin.
Und da sind die Amis ins Grübeln gekommen. Irgendwas mußte doch noch zu holen sein. Und so kam es, daß die Amis das gesamte zum 8. Mai 1945 bestehende deutsche Bildungswesen importierten.
So, jetzt wissen Sie’s. Die Amis sind nicht bescheuert. Machen Sie sich nichts vor! Man bescheuert die Amis.