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Neues vom Stammtischbroder

In seinem neuerlichen Beitrag im Online-Cerebrolytikum Achse des Guten („Israels kleine Helfer“) hat der von der NPD gefeierte Publizist Henryk M. Broder in einer Sache definitiv recht: Die Neue Rheinische Zeitung taugt nicht zum Einwickeln toter Fische. Da kann man ihm uneingeschränkt zustimmen. Die Achse des Guten eignet sich auch nicht zum Regenschutz. Continue reading →

Der masturbatorische Philosemitismus – nochmals zu den Antideutschen


Einige haben bemängelt, daß mein satirischer Kurztext zum Thema „Antideutsche“ eben keine politologische Abhandlung mit allerhand Fundstellennachweisen sei. Zwar könnte man dagegen einwenden, daß das schließlich zwei völlig unterschiedliche Genres seien, die unterschiedliche Stilmittel einsetzen und unterschiedliche Ziele verfolgen. Damit wäre eigentlich alles gesagt.

Der Kernfrage – Was sind diese „Antideutschen" eigentlich für welche? – möchte ich mich aber schon etwas ausführlicher zuwenden. Die im folgenden zitierten Äußerungen habe ich repräsentativen antideutschen Presseorganen entnommen, und zwar teils dem Aufsatz „Gegen die antisemitische Internationale“ und Teils den „Aktuell“-Artikeln des antideutschen Verlags „BAHAMAS“. Wer als Antideutsche/r der Ansicht ist, daß diese Quellen nicht repräsentativ für die ganze besondere antideutsche Denkart seien, ist selbstverständlich herzlich eingeladen, in den Kommentaren repräsentativere Quellen zu verlinken (bitte beachten, daß Umlaute nicht angezeigt werden können – woran das liegt, ist mir ein Rätsel, also bitte: Keine Umlaute und keine Sonderzeichen).

Zum antideutschen Judenbild
Für den Nazi bin ich Hassobjekt. Für den Antideutschen bin ich Wichsvorlage.
Für keinen von beiden bin ich Mensch.


Die Antideutschen haben ein wirklich merkwürdiges Verhältnis zum Judentum. Zum Ausdruck kommt dieses Verhältnis u.a. im Untertitel des Aufsatzes Israelkritik – die zarteste Versuchung seit es Antisemitismus gibt: „Warum den Antisemitismus nicht kritisieren kann, wer mit Israel nicht solidarisch ist.“ Die grammatischen Besonderheiten dieser Äußerung sollen uns nicht weiter aufhalten. Wichtig ist zunächst die Frage, was man nach Auffassung der Antideutschen unter „mit Israel solidarisch“ zu verstehen hat. Diese Frage haben die Volksgenossen bei BAHAMAS mehrfach beantwortet. „Solidarität mit Israel, so weiß antideutsche Kritik“, heißt es in einem Beitrag von Tjark Kunstreich, der unter Antideutschen als so etwas wie ein Intellektueller zu gelten scheint, „ist entweder bedingungslos oder sie ist keine.“ So stellt schon „die trotzige Beanspruchung [des Rechts], Israel kritisieren zu dürfen“ einen „Verrat an Israel“ dar.  In der „Verteidigung Israels gegen jede Kritik“, so der Aufruf zu einer antideutschen Konferenz (auch bei BAHAMAS zu finden), liege eine der Hauptaufgaben der antideutschen „Kritik“.
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Lob der Innovation

An dieser Stelle möchte ich mal ein Loblied auf den politischen Innovationsstandort Deutschland singen. Paradoxa, vor denen man anderswo schreiend flüchtet, werden in der BRD freundlich umarmt. Dort kapitulieren die eisernen Gesetze der Logik vor der Akrobatik der Gehirnzellen. „Nichts ist unmöglich“ lautet die Devise.

Wußten Sie z.B., daß man den Imperialismus, den Militarismus, den Nationalismus und den Rassismus befürworten und dabei links sein kann? Echt! Ich hab’s gesehen! Continue reading →

Warum muß ausgerechnet der Broder etwas Vernünftiges fordern?

http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf

 

Wenn ich einen Text von Henryk M-für-Mamser Broder lese, mache ich mich immer auf einiges gefaßt. Ich hätte gedacht, daß er gar nicht mehr imstande wäre, mich zu überraschen. Seine rassistischen Ausfälle, seine verlogene Hetze gegen Juden unzureichender Linientreue – ich war mir sicher, daß ich beim Lesen der Texteproduktion dieses Tiefenmessers der deutschsprachigen Publizistik zwar kotzen könnte, aber niemals staunen würde.

In diesem Sinne habe ich mich hingesetzt, um seine Kandidaturerklärung für den Vorsitz des Zentralrates der Juden in Deutschland über mich ergehen zu lassen. Continue reading →

Na, ausgezeichnet!

Es sind in der BRD neulich gleich zwei der wichtigsten jüdischen Verfechter des Gedankens eines gerechten Friedens in Israel und Palästina mit höchsten Ehren ausgezeichnet worden. Die israelische Rechtsanwältin Felicia Langer, die jahrelang Palästinenser vor den israelischen Militärgerichten verteidigt hat, ist vergangene Woche mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, einer der allerhöchsten staatlichen Auszeichnungen der BRD, ausgezeichnet worden. Auch Dr. Rolf Verleger, der die jüdische Gemeinde in Lübeck neugegründet und immer wieder der israelisch-zionistischen Staatsräson die traditionellen jüdischen Werte der Gerechtigkeit (Zedek), der Barmherzigkeit (Gemilut hasadim) und der Nächstenliebe gegenübergestellt hat, ist vom Zentralrat der Juden in Deutschland die höchste Auszeichnung verliehen worden, die diese Organisation in ihrer derzeitigen Gestalt überhaupt noch verleihen kann: der Rauswurf.

Mit dem Rauswurf von Rolf Verleger sind die selbsternannten Vertreter des Judentums durchaus zufrieden, weil sie eben keine Ahnung haben, was sie mit dieser Entscheidung wirklich gesagt haben. Auch ich begrüße diese Entscheidung, und möchte Herrn Dr. Verleger an dieser Stelle herzlichst gratulieren, denn damit hat der Zentralrat besser verdeutlicht, als er es in tausend Artikeln und Vorträgen zu verdeutlichen vermocht hätte, welchen moralischen Tiefstand diese Körperschaft erreicht, mit welcher Endgültigkeit sie unseren kostbarsten Werten den Rücken gekehrt hat.  Wenn die Spiegels, Knoblochs, Graumanns, Broders und Giordanos unseres Volkes diese Entscheidung feiern, stellen sie auf eindrucksvolle Art unter Beweis, wie recht Herr Dr. Verleger hat. Weiter so!

Über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse an Felicia Langer sind sie aber empört, und zwar gerade weil sie ganz genau wissen, was das zu bedeuten hat. „Israel kritisiert Köhler wegen Orden für Jüdin“, titelt der Berliner Tagesspiegel: „Die israelische Regierung ist empört über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Jüdin Felicia Langer“ heißt es da im Sprachgebrauch der Nazis: In der NS-Zeit hieß man nämlich nicht „Herr Dr. Rolf Verleger“ noch „Frau Rechtsanwältin Langer“, sondern „der Jude Verleger“, „die Jüdin Felicia Langer“. Und auf diesem Niveau bleibt die Meldung auch.

Israel hat also die Auszeichnung einer führenden israelischen Dissidentin kritisiert. Was soll daran berichtenswert sein? War die iranische Regierung etwa entzückt, als einer führenden iranischen Bürgerrechtsanwältin der Friedensnobelpreis verliehen wurde? Zeigte sich das Außenministerium der DDR erfreut über Preisverleihungen an einen Wolf Biermann? War das Suharto-Regime in Indonesien mit der Verleihung des Nobelpreises an einen Aktivisten für die Menschenrechte der Timoresen zufrieden? Wurde Ossietzky für seinen Nobelpreis von entsprechender Stelle in Berlin beglückwunscht? Allein die Vorstellung ist völlig lächerlich.

Die einzigen guten Dissidenten sind immer nur die des offiziellen Feindes. Das ist seit eh und je, immer und überall so. Daß die israelische Regierung über die Auszeichnung von Frau Langer empört ist, ist ungefähr so berichtenswert wie die Tatsache, daß es im Sommer generell wärmer ist als im Winter.

Nach bester Prawda-Tradition dürfen in Weinthals Artikel nur diejenigen zu Wort kommen, die Schlechtes über Frau Langer zu sagen haben. „Langer hat über Jahre immer wieder Kräfte unterstützt, die Gewalt, Tod und Extremismus befürworten“ donnert Yigal Palmor vom israelischen Außenministerium. Ralph Giordano, heißt es weiter, droht damit, das Verdienstkreuz aufzuwerten, in dem er seines zurückgibt.

Darüber, womit Frau Langer diese Auszeichnung verdient hat, ist kein Wort zu lesen. Kein Wort über ihre Vertretung der Opfer israelischer Willkürmaßnahmen in den besetzten Gebieten vor den israelischen Militärgerichten. Kein Wort darüber, daß selbst Alan Dershowitz, der immer gern dabei ist, wenn es darum geht, Israels jüdische Kritiker zu verunglimpfen, ihr Verhalten vor Gericht als seriös und korrekt bezeichnet hat. Kein Wort von den Menschen, denen sie geholfen hat. Und selbstverständlich darf Frau Langer selbst mit keinem Wort ihre Ansichten darlegen oder verteidigen.

Dieser Hetzjournalismus ist aber nichts gegen das Niveau der Kommentare. Immerhin – das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt – haben einige versucht, Konkretes über Langers Leben und Wirken zu berichten, aber solche Beiträge (darunter auch meiner) sind zum Teil wegzensiert worden, zum Teil in der Diffamierungsschwemme abgesoffen.

In den Kommentaren hat sich jeder, der keine Chance verpaßt, sich als Pseudophilosemit zu profilieren, zu Wort gemeldet. Und man erkennt am Inhalt dieser Beiträge ganz genau, worum es diesen selbsternannten Freunden des Judentums wirklich geht. Einer macht Langer einen Vorwurf daraus, daß ihr die Flucht vor den Nazis in die SU gelungen ist: „Sie hat den Krieg nicht im KZ, sondern im ZK verbracht“. Man merkt schon, was diesem Zeitgenossen lieber wäre (und wo sollte sie denn sonst hin? Mitten im Krieg nach London über Tilsit und Lübeck etwa?). An den sich immer weiter steigernden Diffamierungen erkennt man, welche Freude es diesen „Philosemiten“ bereitet, endlich mal eine Jüdin vor sich zu haben, die sie auf salonfähige Art hassen dürfen. Wer darauf hinweist, daß es in den besetzten Gebieten mit den Menschenrechten nicht unbedingt im grünen Bereich ist, wird nach altehrwürdiger Streicher-Art als „Gutmensch“ abgekanzelt. Dem jüdisch-israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery, so ein anderer, gehe es nur ums Geld (wie schön ers wohl findet, endlich mal ehrlich seine Meinung über uns Juden zu sagen! Ja, es geht uns ums Geld, sicher! Deshalb verzichten wir auf allgemeine Anerkennung und fette Tantiemen, um Mißstände anzuprangern. Na klar…warte mal, WAS??) Wenn das unsere Freunde sein sollen, hat es im Dritten Reich von Freunden des Judentums nur so gewimmelt!

Der Nazi-Schreibart bedienen sich auch andere andere Berufsempörte, die Frau Langer als „Bundesverdienstjüdin“ bezeichnen. Im Stürmer war Albert Einstein immer nur der „Relativitätsjude“.

Bei so einer Veranstaltung darf die Schoa natürlich auch nicht fehlen. Wenn es diesen vermeintlichen Philosemiten nicht gerade darum geht, ihre Enttäuschung darüber, daß Frau Langer den Krieg in der SU überlebt hat, statt in Treblinka vergast worden zu sein, zum Ausdruck zu bringen, geht es ihnen darum, uns Juden die moralische Zurechnungsfähigkeit abzuerkennen. Nach deren Meinung sind wir seit der Schoa schuldunfähig (diejenigen „Gutmenschen“ unter uns, die Unrecht Unrecht nennen, einmal ausgenommen). Die Millionen Ermordeten werden schon wieder auf krasse Art mißbraucht. Das sind keine Menschen mehr, nur Werbemaskottchen. Das Leid, das Massensterben, der Schmerz derjenigen, die ihre ganze Verwandtschaft durch das Verbrechen der Großväter dieser selbsternannten Philosemiten verloren haben, ist ihnen völlig egal. Glauben die etwa, daß sich meine ermordete deutsche Verwandtschaft in ihren letzten Momenten dachte: „Wenn dadurch auch nur eine Hauszerstörung gerechtfertigt werden kann, hat sich mein Tod schon gelohnt“?

Diese Frage ist ihnen bestimmt nicht einmal im Traum eingefallen. Es geht ihnen nämlich nicht um Juden, nicht um Israelis und schon gar nicht um Palästinenser, sondern einzig und allein darum, allen zu beweisen, daß sie keine „Gutmenschen“, sondern „gute Deutsche“ sind. Und das sind sie auch!

Zum Abschnitt „Antisemitismus“ des AVANTI-Grundsatzpapiers

Der nachfolgende Text befaßt sich mit dem Abschnitt Antisemitismus
des AVANTI-Grundsatzpapiers,
nicht jedoch mit den übrigen Abschnitten des GSP, mit denen ich mich noch nicht
eingehend beschäftigt habe. Mein besonderes Interesse widme ich diesem
Abschnitt, da ich als Jüdin und Sympathisantin der Grundidee einer undogmatischen
Linken
zur weiteren Diskussion dieses Themenkomplexes anregen möchte.

Vorab sei darauf hingewiesen, daß dieser Abschnitt einiges
an Begrüßenswertem enthält. So z.B. folgender Absatz:

Dennoch hat die begeisterte Unterstützung für die Politik der israelischen
Rechten [wohlbemerkt auch eines Großteils
der israelischen Linken]
, die Rechtfertigung von Besatzung, Annexion und
Staatsterrorismus, die umstandslose und ahistorische Identifikation der
palästinensischen Seite mit dem Faschismus und das Schüren von anti-arabischen
Vorurteilen mit linken Standpunkten nichts zu tun. Wenn Teile der so genannten
„Antideutschen" sogar die Kriegspolitik der USA und ihrer Verbündeten
(wozu schließlich trotz der Nichtbeteiligung am Irak-Krieg auch Deutschland
rechnet) gutheißen, dann wird klar, dass sie bei ihrer Verabschiedung von der
Linken schnell ganz rechts angekommen sind. Die Verwendung von unpassenden und
beliebigen Gleichsetzungen mit dem Faschismus ist zudem eine Verharmlosung der
realen Verbrechen des deutschen Faschismus und eine Verhöhnung seiner Opfer.
Sich selbst als Opfer zu inszenieren, sich als Deutsche z.B. durch das Tragen
von Israel-Fahnen eine Identität auszuborgen, ist schlicht anmaßend und
unterstützt im übrigen die falsche Gleichsetzung von Juden und Jüdinnen mit der
Politik Israels.

Auffällig an großen Teilen der deutschen Linken ist seit
langem die Tatsache, daß man zwar die rassistische Gewalt gegen Araber und
Muslime (sowie andere Ausländer und Minderheiten) sehr scharf kritisiert, die
(noch schlimmere) Gewalt des israelischen Staates gegen Angehörige desselben
Kulturkreises in deren eigenem Land vor jeder ernsthaften Kritik verschont oder
gar nicht erst wahrgenommen wird. Dafür, daß man den israelischen
Besatzungsterror überhaupt zur Kenntnis nimmt, wird man in der deutschen Linken
sehr schnell in die rechte Ecke geschoben, was auch zur oben angesprochenen „Gleichsetzung
von Juden und Jüdinnen mit der Politik Israels“ maßgeblich beiträgt.

Leider spricht der Abschnitt Antisemitismus des
GSP häufig mit gespaltener Stimme. Mit großer Wahrscheinlichkeit liegt das an
der Uneinigkeit der nichtjüdischen deutschen Linken zum Themenkomplex
Israel/Palästina. „Der Nahostkonflikt“, so das GSP, „ist für viele Linke und
Ex-Linke nur die Folie, vor der ein sehr deutscher Konflikt ausgetragen wird.“ Daß
das auch unter den Verfassern des GSP der Fall ist, ist am Inhalt dieses
Abschnitts zweifelsfrei zu erkennen.

Einerseits solidarisiert man sich mit den Palästinensern,
die seit Jahrzehnten unter der Besatzung und Vertreibung durch den israelischen
Staat zu leiden haben. Andererseits ist von einem nebulösen „linken Antisemitismus“
die Rede, die mit dem Nahostkonflikt irgendwie zusammenhänge und sich
solche Sünden wie die Negierung eines vermeintlichen „Existenzrechts“ des
israelischen Staates zuschulden kommen lasse. Eine wirkliche inhaltliche
Auseinandersetzung der Verfasser mit diesen Behauptungen ist am Wortlaut der
Erklärung nicht zu erkennen. Zwar handelt es sich bei einer solchen
Grundsatzerklärung nicht um eine für die akademische Presse bestimmte
wissenschaftliche Abhandlung, ein paar Fallbeispiele sollten jedoch nicht
fehlen. Die unkritische Übernahme nebulöser Vorwürfe kann die hier
erforderliche Diskussion nur erschweren.

Folge einer unterlassenen differenzierten, inhaltlichen
Debatte sind Verschwörungstheorien wie die vom GSP angesprochenen „Verschwörungstheorien
über den ‚jüdischen‘ oder ‚zionistischen‘ Einfluss auf die Medien oder
politische Entscheidungen“. In Ermangelung einer inhaltlichen Diskussion sieht
man nur die Ergebnisse komplexer gesellschaftlicher Prozesse und kommt leicht
zu dem Schluß, daß es sich bei diesen Ergebnissen um eine Art Verschwörung
handeln müsse. In diesem Fall z.B. sieht man die häufig völlig unkritische
Übernahme israelischer Hasbara (הסברה- wörtlich: Erläuterung, der israelische
Hauptbegriff für Propaganda) durch „Qualitäts“-medien und politische
Entscheidungsträger und stopft die Erklärungslücke mit Verschwörungstheorien
ein, etwa nach dem Schema:

 1. Die Medien
verbreiten Unwahres über den Nahostkonflikt.

2. Dies dient den
Interessen des israelischen Staates.

3. Schlußfolgerung:
Die Medien stehen im Dienste des israelischen Staates.

Ohne eine systematische und systemische Untersuchung der
unter 1. und 2. genannten, tatsächlich existierenden Erscheinungen – etwa nach
dem von der bahnbrechenden Studie von Noam Chomsky und Edward Herman
aufgestellten Propagandamodell der Massenmedien – werden viele von der
einfachsten Variante – einer Verschwörung – ausgehen. Die Verflechtung der
Medienkonzerne mit der Staatsmacht, und in der BRD daher auch mit den USA
(denen Israel letztendlich als Klientenstaat dient), wird dann gar nicht erst zur
Kenntnis genommen. Dann sieht man nur, wie der Antisemitismusvorwurf häufig als
politische Waffe gegen Israelkritiker dient, und schließt auf eine zionistische
Medienverschwörung. Umso schmackhafter ist eine derartige Theorie angesichts
des Umstandes, daß der Antisemitismusvorwurf häufig als politische Waffe zum Schutze
der israelischen Besatzungspolitik vor jeder wirklichen Kritik verwendet, und Medien
wie Politiker häufig die Tatsachen zugunsten Israels verdrehen.

Über diese Tatsachen wird schon seit Jahren unter
jüdischen Israelkritikern (und deren gibt es immer mehr) in- und außerhalb
Israels diskutiert, eine Diskussion, an der man selbst als Jüdin bzw. Jude
nicht teilnehmen kann, ohne von den Propagandisten der israelischen
Besatzungspolitik als „jüdischer Antisemit“ oder „selbsthassender Jude“
verleumdet zu werden. Freiräume für solche Diskussionen zu schaffen und zu
erweitern dürfte eine wesentliche Aufgabe der linken Politik sein. Verweigert man
denjenigen – Juden wie Nichtjuden – die Solidarität, die Rufmord und Ächtung
trotzen, um diese sehr wichtige Diskussion zu führen, so wird eine gerechte
Lösung des Nahostkonflikts unmöglich. Schlüsselfragen werden dann dem rechten
Rand – mit den bekannten Folgen – überlassen.

Eigentlich müßte hinter dem Absatz über den „linken
Antisemitismus“ ein Fragezeichen stehen: Gibt es einen linken Antisemitismus?
Welche Fallbeispiele sprechen dafür, welche dagegen? Inwiefern wirken sich
propagandistische Konstrukte wie der immer wieder heraufbeschworene  – und nachweislich jedesmal mit dem
Bekanntwerden israelischer Kriegsverbrechen zusammenhängende – „neue
Antisemitismus“ auf die Nahost-Diskussion innerhalb der Linken aus? Womit läßt
sich ein evtl. tatsächlich vorhandener linker Antisemitismus erklären? Indem man
auf der im GSP aufgeführten dürftigen Grundlage von der Existenz eines linken
Antisemitismus ausgeht, argumentiert man am Stand der Diskussion innerhalb
linker jüdischer Kreise völlig vorbei.

Zur hier erforderlichen kritischen Auseinandersetzung
gehört auch eine klare Abgrenzung zwischen der jüdischen Bevölkerung, und den
Institutionen, die behaupten, ihre politische Vertretung zu sein. Vor allem der
Staat Israel behauptet immerzu, jedes Verbrechen, jede Greueltat im Namen des
Judentums in aller Welt zu begehen. Viele vermeintlich „jüdischen“ Organisationen
verbreiten unabhängig von der Stimmungslage unter den von ihnen angeblich
Vertretenen israelische Hasbara. Die Meinungen und Interessen der
Jüdinnen und Juden sind ihnen hierbei völlig egal. Damit leisten diese
Institutionen einen maßgeblichen Beitrag zur sehr zu Recht angegriffenen „falschen
Gleichsetzung von Juden und Jüdinnen mit der Politik Israels“ und dadurch zum
Antisemitismus.

Wer sich als Deutscher oder Deutsche nichtjüdischer
Herkunft – verständlicherweise – nicht traut, sich an dieser sehr wichtigen
Diskussion zu beteiligen, sollte das ruhig sagen, anstatt diese mit vagen
Behauptungen zu erschweren. Wer sich gegen eine Beteiligung entscheidet, sollte
sich jedoch darüber im Klaren sein, daß er bzw. sie dadurch den jüdischen
Genossinnen und Genossen die Solidarität versagt.

Man sollte sich ebenfalls davor hüten, propagandistische
Behauptungen über den Widerstand gegen die israelische Besatzung – wie die im
folgenden Zitat Erwähnten – unkritisch zu übernehmen:

 

Die Verklärung
der von (terroristischen) Aktionen geprägten zweiten Intifada zu einem
Befreiungskampf ist daher unzulässig. Der politische Bezug
auf die Al-Aksa-Brigaden oder reaktionär-fundamentalistische Gruppen wie z.B.
auf die Hamas oder den Dschihad verbietet sich für linke Gruppen und
Organisationen von selbst, nicht zuletzt, weil genau jene Gruppierungen
maßgeblich an der Schwächung und Zerschlagung der früher politisch
einflussreichen palästinensischen Linken beteiligt waren.

 

Hier machen es sich die Verfasser des GSP viel zu
einfach. Daß die 2. Intifada von terroristischen Aktionen von
palästinensischer Seite
„geprägt“ sei, ist keinesfalls erwiesen. Die Hamas,
die gewählte politische Vertretung der palästinenser, als „reaktionär-fundamentalistische
Gruppe“ abzukanzeln, ist ebenfalls eine jener übermäßigen Vereinfachungen,
deren es in dieser Debatte ohnehin zuviele gibt.

Es gibt aber in der ganzen Geschichte keine auch noch so
legitime Widerstandsorganisation, die sich nicht auch terroristische Handlungen
zuschulden kommen ließ. Die Partisanen haben auch Terroranschläge (also
Anschläge gegen Zivilisten zum Zwecke der Einschüchterung) verübt. Ist es
deshalb eine unzulässige Verklärung, ihre Leistungen im Kampf gegen den
Faschismus zu würdigen? Ist ihre Sache dadurch weniger gerecht geworden? Und
wenn man schon mal diesen interessanten Maßstab akzeptiert, stellt sich
folgende Frage: Was kann man da von einer Bewegung halten, die ein fremdes Land
gewaltsam und ohne die Zustimmung der Betroffenen kolonisierte und ihre Macht
in der neuen Kolonie durch Massaker und Terroranschläge sowohl gegen
einheimische als auch eigene Zivilisten verfestigte? Es wäre – wenn man den
obigen Maßstab akzeptiert – geradezu eine lächerliche Verklärung, solch eine
Bewegung als legitim und einen etwaigen auf dieser Grundlage entstehenden Staat
als existenzberechtigt anzusehen.

Um den Aufstieg der Hamas zu begreifen, muß man sich zunächst
einmal darüber im Klaren sein, daß die Fatah (PLO) seit jeher eine korrupte,
inkompetente Organisation ist, die einzig und allein infolge
Alternativlosigkeit als Vertretung der Palästinenser hingenommen wurde. Nach
dem Oslo-Prozeß war für viele das Maß voll, denn durch ihre Bereitschaft, die
Rolle eines Subunternehmers der israelischen Besatzung zu übernehmen, hatte die
Fatah für viele Palästinenser den Verrat an ihrer Sache vollendet. Dem Ausverkauf
durch die Fatah stehen die Sozialleistungen, Korruptionsbekämpfung, und
Demokratieförderung der Hamas gegenüber.

Nicht ohne Grund wurde die Hamas in der ersten und wohl
einzigen freien Wahl seit dem Anfang der israelischen Besatzung gewählt. Der Fundamentalismus
– wegen dessen die Hamas ehemals von Israel mitfinanziert wurde – ist ein
programmatisches Element unter vielen. Ebenfalls sollte die Tatsache, daß Hamas-Führer
Ismail Haniyeh die Zwei-Staaten-Lösung als Verhandlungsgrundlage akzeptiert,
und daß die Hamas –  anders als Israel –
2008 die Waffenruhe beachtet hat, in einer ehrlichen Diskussion zum Thema Hamas
Erwähnung finden.

Des Weiteren muß ich vor einer anderen „falschen
Gleichsetzung“ warnen: die der palästinensischen mit der israelischen Gewalt. Die
israelische Besatzungsarmee ist eine der vier stärksten der Welt. Allein die
israelische Luftwaffe ist stärker und besser bewaffnet als die jeder NATO-Macht
außer den USA. Dieser kontinuierlichen, mörderischen Gewalt, die
zugegebenermaßen vor allem gegen Zivilisten gerichtet ist, stehen die
Palästinenser wehrlos gegenüber. Wie absurd diese stillschweigende
Gleichstellung ist, erkennt man sehr leicht an der Toten- und
Verletztenstatistik. Illegale Siedlungen werden ausgebaut, deren häufig
fanatisch fundamentalistische Bewohner die benachbarte Zivilbevölkerung straf-
und gnadenlos angreifen, während in den palästinensischen Bantustans ganze
Viertel dem Erdboden gleichgemacht werden. Dieser massiven Gewalt steht der
palästinensische Widerstand mit selbstgebastelten Raketen gegenüber, die meist
harmlos außerhalb bewohnter Bezirke explodieren, und die selbst israelische
Regierungssprecher deshalb als „symbolisch“ bezeichnen.

Generell wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Wer nicht
selbst mit der Thematik vertraut ist, könnte dieser Abhandlung den Eindruck
abgewinnen, es handele sich beim Konflikt Israel-Palästina um einen Konflikt
zweier Gruppen, die in mehr oder weniger gleichem Maße Gewalt ausüben.
Nirgendwo wird klargestellt, daß der ganze Konflikt auf die erzwungene, durch Gewalt
vorangetriebene Kolonisierung eines bereits bevölkerten Landes zurückgeht, die
1948 sogar in die gewaltsame Vertreibung eines Großteils der einheimischen
Bevölkerung mündete. Mit keinem Wort wird wirklich erwähnt, daß da eine
wehrlose Zivilbevölkerung von einer der mächtigsten Armeen der Welt
bombardiert, vertrieben, drangsaliert, erniedrigt, obdachlos gemacht, als
Geiseln genommen, ausgehungert und ermordet wird. Mit keinem Wort werden die
Pogrome – so hat sie sogar Ehud Olmert genannt – der illegalen Siedler gegen
die benachbarten Zivilisten, die nie ernsthaft geahndet werden, erwähnt.

Zum „linken Antisemitismus“ – so die Verfasser – gehört
auch die Negation des „Existenzrechts Israels“. Zum einen muß hier angemerkt
werden, daß völkerrechtlich gesehen kein Staat so etwas wie ein „Existenzrecht“
hat. So ein Recht kennt das Völkerrecht nicht. Staaten haben nur das
Recht, in Frieden und Sicherheit innerhalb anerkannter Grenzen (im Falle
Israels also der vor dem 4. Juni 1967 bestehenden Grenzen) zu existieren. Erst
als nicht mehr zu überhören war, daß die führenden palästinensischen
Organisationen dieses Recht anerkannten, kam das Gefasel vom „Existenzrecht
Israels“ zum Vorschein. Da das einzige eigentliche „Existenzrecht“ Israels
längst anerkannt worden war, handelt es sich bei diesem „Existenzrecht“ um
etwas anderes, und zwar um die Anerkennung der Legitimität der eigenen
Vertreibung und Entrechtung. So etwas darf niemand verlangen.

Wenn man der Logik des „Existenzrechts“ folgt, müßte man
zu dem Schluß kommen, daß die ostdeutsche Bevölkerung 1989 das Existenzrecht
der Deutschen Demokratischen Republik gröbst verletzte. Die haben die DDR sogar
juristisch vernichtet. Wenn Staaten ein Existenzrecht haben, ist das in der Tat
ein schweres Vergehen. Geradezu komisch ist es aber, wenn man solche Parolen
ausgerechnet aus linkem Munde hört. Viele Linken– darunter auch ich –
 lehnen die Existenzberechtigung nicht nur völkisch definierter „weißer“, „christlicher“,
„jüdischer“ oder „muslimischer“ Staaten, sondern die eines jeden Staates ab. Warum sollte
man damit ausgerechnet vor dem völkisch-religiös definierten „jüdischen Staat“ Israel
Halt machen? Dabei wird die Legitimität eines jüdischen Staates nicht einmal
unter Zionisten (geschweige denn unter Juden) einstimmig akzeptiert.

Da muß man sich fragen, ob den Verfassern dieses
Abschnitts aufgefallen ist, daß man den Ausdruck „Existenzrecht Palästinas“ so
gut wie nie hört?

Die Existenz Israels steht schon längst nicht in Frage.
Bei Israel handelt es sich seit Jahrzehnten um die größte Militärmacht der
Region, und um den einzigen nuklear bewaffneten Staat des Nahen Ostens. Dabei
steht nicht nur neben der Existenz eines etwaigen palästinensischen Staates,
sondern auch noch neben dem bloßen Überleben der Palästinenser, ein riesengroßes
Fragezeichen. Über die Vertreibung der Palästinenser wird in der israelischen
Politik offen diskutiert, und zwar nicht nur in kleinen
rechtsfundamentalistischen Kreisen. Während Israel und seine Propagandisten die
Negierung mit Worten eines nichtexistierenden Existenzrechts des
israelischen Staates beweinen, machen sie die Existenz eines souveränen,
unabhängigen, lebensfähigen palästinensischen Staates mit Taten unmöglich.

Ginge es nicht auch mit nur einerlei Maß?

Im übrigen muß ich gestehen, daß mir als Jüdin vollkommen
rätselhaft ist, warum dem Thema „Antisemitismus“ heutzutage in solch einer
programmatischen Erklärung ein ganzer Abschnitt gewidmet wird. Erstens handelt
es sich beim Antisemitismus um eine Form des Rassismus. Zweitens handelt es
sich um so ziemlich die einzige Form des Rassismus, für die man in Europa und
in den USA wirklich sensibilisiert ist. Selber habe ich in meiner ganzen Zeit
in der BRD (sowohl in den Großstädten München und Berlin als auch in der
fränkischen Provinz) und Österreich, und im Laufe meines jahrelangen Umgangs
mit nichtjüdischen Deutschen aller möglichen gesellschaftlichen Schichten und
politischen Ansichten noch nie irgendetwas erlebt, was als Antisemitismus
bezeichnet werden könnte. Daraus, daß ich Jüdin bin, mache ich überhaupt keinen
Hehl, und war auch damals, als ich noch in der BRD lebte, durch meine deutlich
sichtbare Davidstern-Halskette ziemlich eindeutig als Jüdin erkennbar. Das
heißt selbstverständlich nicht, daß es keinen Antisemitismus gibt, aber es
handelt sich dabei um eine fast einstimmig verurteilte Randerscheinung.

Wenn der Rassismus gegen Türken, Araber, Asiaten und
Afrikaner in der BRD ein so großes Problem wäre wie heute der Antisemitismus,
könnte sich die deutsche Linke getrost ausschließlich Fragen der politischen
Ökonomie und der Außenpolitik widmen. Anders als die kann man in der BRD als
Jude bzw. Jüdin getrost unbehelligt durch so ziemlich jedes Viertel in jeder
Gemeinde gehen, und wenn doch mal etwas passiert (statistisch gesehen eine
Seltenheit, und die Zahlen sind ständig am Sinken), kann man davon ausgehen,
daß die Justiz, die bei Gewalt gegen „sichtbare“ Minderheiten die Täter mit
Samthandschuhen anfaßt und Mord als „Körperverletzung mit Todesfolge“ oder so
ähnlich ahndet, energisch vorgehen und die Anklage auf den schwersten
vertretbaren Straftatbestand lauten wird.

Wenn es allen Minderheiten in der BRD bloß so „schlecht“
ginge wie uns Juden!

Problematischer im politischen Alltag der BRD sind vielmehr
zwei Erscheinungen: zum einen der Pauschal-Philosemitismus, der uns unverhofft
Extrawürste brät und die Verbrechen des Staates Israel direkt mit uns in
Verbindung bringt, indem behauptet wird, man müsse das angeblich „beispiellose“
oder „einzigartige“ Leid unserer Vergangenheit als tatmildernden Umstand
werten. Damit wird dem gesamten Judentum die moralische Zurechnungsfähigkeit
aberkannt, und die immer mehr werdenden Juden, die die Struktur und das
Verhalten des angeblich „jüdischen“ Staates Israel ablehnen weggeleugnet und
dadurch verleumdet. Ebenfalls höchstproblematisch ist die Gleichsetzung einer
jeden Kritik am Verhalten des Staates Israel oder an der zionistischen
Ideologie mit dem Antisemitismus. Auch diese Erscheinung verwischt die Grenze
zwischen den Juden in aller Welt und dem Staat, der behauptet, in deren Auftrag
zu handeln. Abgesehen von der israelischen Politik, die mit den periodischen
antisemitischen Zwischenfällen in Europa chronologisch sehr gut korreliert,
handelt es sich bei diesen beiden Erscheinungen – dem Philosemitismus und der
sog. „Antisemitismuskeule“ – um die wichtigsten antisemitismusfördernden
Phänomen im heutigen Europa.

Die einleitende Skizze der Geschichte des Antisemitismus
ist ganz gut gemacht, aber sobald der Themenkomplex Schoah angeschnitten wird,
häufen sich die Probleme (nicht zuletzt in bezug auf die richtige Schreibweise
des Wortes). Bei dem Begriff „eliminatorischer Antisemitismus“ ist Vorsicht
geboten. Dieser Begriff entstammt dem inzwischen komplett diskreditierten, und
von Historikern verworfenen, Buch Hitlers
willige Vollstrecker
von Daniel Goldhagen.

Problematisch wird es aber erst recht bei dem Ausdruck
„historisch beispielloses Verbrechen“. Die Idee der „Beispiellosigkeit“ bzw.
„Einzigartigkeit“ der Schoah ist für viele Ideologen – die häufig dadurch die
Verbrechen Israels relativieren oder gar rechtfertigen wollen – ein
Glaubenssatz. Die Schoah ist durchaus in manchen Hinsichten „einzigartig“ – vor
allem was die Technologisierung und den hohen Organisations- und
Systematisierungsgrad des Massenmordes betrifft – aber in vielen anderen
Hinsichten eben nicht. Hitler hatte Vorbilder. Besonders begeistert war er von
der Ausrottung der Ureinwohner Nordamerikas durch die europäischen Kolonisten.
Genozid war also kein Novum. Auch Versuche, das Judentum (sowie die muslimische
Bevölkerung) komplett von der Erde zu tilgen,  gehörten längst zur
Tradition des christlichen Abendlandes (Kreuzzüge, Inquisition, Pogrome, und
und und). Beispiellos war also nur die Methode. Und man muß sich schon fragen,
warum manchen an dieser angeblichen Beispiellosigkeit soviel gelegen ist. Solche
falschen Begriffe, die andere Völkermorde verharmlosen, sollten von linken Kräften
in Frage gestellt werden.

Noch problematischer wird des bei der Kritik an der
„Historisierung“ des deutschen Faschismus. Hier ist eine klare Definition
gefragt. Was versteht man hier unter „Historisierung“? Hoffentlich ist damit
nicht etwa eine historische Untersuchung gemeint. Beim deutschen Faschismus
handelt es sich schließlich um ein historisches Ereignis. Soll dies heißen, daß etwa die
Schoah für historiographische Untersuchungen wie die bahnbrechende Studie von
Raul Hilberg (Die Vernichtung der
europäischen Juden)
tabu ist? Gilt das für alle faschistischen Regimes
(also auch für Pinochet, Bordaberry, Banzer, Suharto, Papadopoulos, Ngo, Chun,
Mussolini, Franco, Duvalier, Trujillo, Salazar, usw.)? Gilt das für alle
Greueltaten, oder nur für Völkermord? Nach welchen Kriterien wird hier
entschieden? Natürlich ist das alles reinster Unfug. Wenn einem nicht
scheißegal ist, ob so etwas irgendwo nochmal passiert, ist es sehr wichtig zu
untersuchen, wie es überhaupt dazu kam. Und ohne systematische,
wissenschaftliche historische Untersuchung geht das eben nicht.

Hätte ich diesen Abschnitt des Grundsatzpapiers geschrieben, sähe er ungefähr
wie folgt aus. Erstens wäre der Abschnitt „Antisemitismus“ ein Unterabschnitt
der Rubrik „Rassismus“. Der Antisemitismus ist nichts anderes als eine Art
Rassismus, nicht mehr und nicht weniger. Durch die Trennung des Antisemitismus
von den anderen Arten des Rassismus wird häufig der Eindruck erweckt, es sei
irgendwie schlimmer, rassistisch gegen Juden zu sein als gegen andere. Daß jede
Form des Rassismus gleichermaßen zu verurteilen ist, muß unmißverständlich
deutlich gemacht werden.

Zweitens läge der Schwerpunkt vor allem auf den Sachen,
die zwar häufig von Israelverklärern als antisemitisch bezeichnet werden, es
aber mitnichten sind. Daß Linke, die definitionsgemäß den Rassismus ablehnen
sollten, diesen auch in seiner antisemitischen Form ablehnen, ist eine
Selbstverständlichkeit. Darüber braucht man nicht lange zu reden. Darüber, wie
der Antisemitismusvorwurf als politische Waffe eingesetzt wird, und was kein
Antisemitismus, sondern sachgemäßer Diskurs ist, wird man allem Anschein nach noch lange diskutieren müssen.

Erstens: Israel ist ein Staat wie jeder andere, und man darf
dessen Verhalten genauso scharf kritisieren und verurteilen wie das eines jeden
anderen. Kritik, auch harte, bittere Kritik an der israelischen Politik ist nie
an und für sich antisemitisch, solange nicht bewußt an den Tatsachen
herumfrisiert wird. Allein der Beweggrund dafür kann antisemitisch sein.

Zweitens: Der Zionismus ist eine politische
Ideologie, die wie jede andere zu behandeln ist. Beim Zionismus handelt es sich
um einen Auswuchs des völkischen europäischen (v.a. deutschen) Nationalismus
des 19. Jahrhunderts. Im Zionismus gab und gibt es viele einander
widersprechenden Strömungen: manche Zionisten lehnen die Idee eines jüdischen
Staates ab, andere – vor allem die herrschenden „revisionistischen“ Strömungen
des heutigen realexistierenden Zionismus – sind dafür, den völkisch-religiös
definierten jüdischen Staat zu erhalten und auch noch geographisch wie
juristisch auszubauen. Dazu gehört u.a. die Idee der „Übersiedlung“ (transfer),
die schon recht früh als Möglichkeit zur Lösung des „demographischen Problems“ (zuviele
Nichtjuden im jüdischen Staate) besprochen wurde. Gerade beim aktuell
realexistierenden Zionismus handelt es sich also um eine knallharte
völkisch-nationalistische Ideologie, wie sie sonst ohne viel aufhebens von
linker Seite abgelehnt wird.

Drittens: Die vermeintliche
„Beispiellosigkeit/Einzigartigkeit“ der Schoah ist eigentlich eine politische
Waffe. Ob etwas beispiellos/einzigartig ist, ist letzten Endes eine empirische
Frage. Der Idee, man dürfe nichts mit der Schoah vergleichen, wird von
niemandem so häufig zuwidergehandelt wie von ihren Verfechtern. Bei denen gilt
Saddam Hussein als Hitler; der Großmufti von Jerusalem finden sie sogar
schlimmer als Hitler. Man darf nur dann keinen Vergleich aufstellen, wenn er
für Israel und dessen Herrchen in Washington ungünstig ausfällt. Das ist alles
völliger Schwachsinn. Richtig müßte es heißen: Vergleichbares vergleichbaren, Unvergleichbares nicht vergleichen.
Mit seiner Rhetorik und vielen Aspekten seiner Besatzungspolitik lädt Israel zu
solchen Vergleichen geradezu ein. Wer sich nicht mit solchen Zeitgenossen
verglichen wissen will, sollte gefälligst so handeln, daß sich solche
Vergleiche nicht aufdrängen. Solche Vergleiche können nur dann als
antisemitisch gelten, wenn sie der Wahrheit bewußt widersprechen oder eindeutig
in der Absicht verwendet werden, die Verbrechen des deutschen Faschismus zu
verharmlosen (siehe für jede Menge eindeutiger Beispiele von letzterem so ziemlich
alles, was David Irving jemals geschrieben hat).

Viertens: Es ist sehr wichtig, zwischen dem traditionellen
europäisch-christlichen Antisemitismus und den antiisraelischen und zum Teil
antijüdischen Ressentiments, die manche aus dem arabisch-muslimischen
Kulturkreis hegen, zu unterscheiden. Vor allem die historischen Hintergründe
sind ganz anders. Als kirchlich unterstützte christliche Mörderbanden alle
Juden und Muslime aus Europa vertreiben wollten, wurde den fliehenden Juden von
den Muslimen in Nordafrika, die sie als „Volk des Buches“ und daher als
Verbündete betrachteten, Zuflucht in ihren Ländern angeboten. Jahrhundertelang
ging es den in Nordafrika und im Nahen Osten lebenden Juden besser als es den
in Europa lebenden Juden jemals erging. Sie genossen dort weitgehende
religiös-kulturelle Freiheit und Schutz vor Gewalt. Nicht umsonst wurden die
muslimisch-arabischen Länder zu Zentren der jüdischen Philosophie, Kultur und
Lehre. Dieses jahrhundertelang bestehende Bündnis wurde erst Ende des 19.
Jahrhunderts durch die zionistische Kolonisation Palästinas gestört. Wie es
dabei den Juden im christlichen Abendland ergangen ist, kann man von jedem
europäischen Juden erfahren, wenn man mal einen findet.

Ebenfalls muß berücksichtigt werden, daß die Zahl der
antisemitischen Zwischenfälle in Europa generell schon seit einigen Jahren
sinkt. Die gelegentlichen Antisemitismusausbrüche vor allem unter Arabern und
Muslimen in Europa hängen meist mit öffentlichkeitswirksam begangenen
israelischen Verbrechen eng zusammen. Gerade dies muß vom traditionellen
europäischen Antisemitismus abgegrenzt werden. Die Greueltaten und Verbrechen
einzelner Staaten haben generell Ressentiments gegen deren Bevölkerungen zur
Folge. Die amerikanischen Angriffskriege der letzten Jahre haben bekanntlich
Ressentiments gegen die USA geschürt. Die Verbrechen des deutschen Staates
haben eine vielerorts heute noch andauernde antideutsche Stimmung geschaffen.
Es darf nicht wundern, daß den Verbrechen des selbsternannten „Staates der
Juden in aller Welt“ antijüdische Ausbrüche folgen.

Mit dem oben Gesagten vertrete ich weder „das
Judentum“ noch „linke/israelkritische/nicht komplett durchgeknallte Juden“. Ich
erörtere nur die Probleme, die ich als einzelne linke Jüdin sehe. Es gilt das
alte jüdische Sprichwort: Frage drei
Juden, und du wirst fünf Meinungen hören
. Uns Juden eint letzten Endes nur
unsere tiefe Zerstrittenheit.

 Wie eingangs schon gesagt, möchte ich hiermit auch die
Verfasser des GSP-Abschnitts Antisemitismus zu einer wirklichen
inhaltlichen Diskussion zum Thema einladen. Unter anderem würden mich Antworten
auf folgende Fragen sehr interessieren:

1. Waren jüdische GenossInnen überhaupt an der Schaffung des
Grundsatzpapiers oder dieses Abschnitts beteiligt?

2. Inwiefern wurden die Diskussionen in linken jüdischen
Kreisen zum Thema Antisemitismus und Antisemitismus als Waffe gegen Israelkritik
zur Kenntnis genommen oder berücksichtigt?

Nirenstein sul conflitto Israele-Palestina: Ignoranza o mendacità?

C’è una sola domanda che possono farsi i lettori dell’articolo di Fiamma Nirenstein pubblicato nell’edizione attuale di Panorama (Pregiudizio antiisraeliano, Panorama, 25/2/2009): è l’ignoranza la base delle sue affermazioni oppure la mendacità?

Secondo lei è una menzogna dire, con Sa’eb Arakat di Al-Fatah, che „nessuno dei governi che possono uscire da queste elezioni accetterà la soluzione di due stati per due popoli.“ „Ma come“, risponde Nirenstein, „non hanno detto ambedue che è una soluzione a cui guardare con fiducità (….)?” Infatti no. Netanyahu si oppone apertamente all’idea di uno stato palestinese, e Livni ne parla, sì, mentre prende le misure adeguate per garantirne l’impossibilità. Al nome Avigdor Lieberman non fa più di accennarci, senza dirci qual’è la política da lui proposta.

Perche i palestinesi ce l’hanno col povero signor Lieberman? Nirenstein non ce ne fornisce nessuna spiegazione, forse perchè pure lei sa benissimo che Lieberman è il più indifensibile dei tre. Lieberman è il capo del partito neofascista “Israel Beitenu” (Israele Casa Nostra) che propose in sede di campagna elettorale di togliere la cittadinanza agli “elementi sleali”, misura che conosciamo bene dagli anni ’30 del secolo scorso.

Ora bene, forse si può capire perche l’ascenso al potere di un uomo come Lieberman non sarebbe un motivo di celebrare a Ramalla e Gaza. Ma l’opposizione a una signora così diplomatica è conciliante come Zipi Livni solo può spiegarsi con il “pregiudizio antiisraeliano”, no? Nirenstein non ci racconta infatti nulla che potrebbe spingerci a credere che vi siano altri motivi possibili per l’opposizione palestinese a Livni, che, per inciso, ha proposto l’espulsione dei cittadini israeliani di origini palestinesi, dicendo che “dovrebbero cercare il loro avvenire altrove.” Impossibile che questo possa essere il motivo!

E Netanyahu? Forse non sanno ringraziargli l’aver loro dato la libertà di chiamare i residui dei loro territori “stato oppure pollo fritto”? No, qui si deve dire con Nirenstein che tutto questo “prova che l’antiisraelismo non ha affatto la forma di una critica politica specifica” – specie se si ommette il contenuto di tale critica – “bensì di un puro pregiudizio” basato su “alcuni stereotipi negativi che purtroppo vengono accettati con facilità dai disinformati.”

A proposito della disinformazione: Secondo Nirenstein sono i palestinesi a cercare “la delegittimazione di qualsiasi governo come partner di pace.” Davvero? Non è stato lo Stato d’Israele a respingere tutte le offerte di negoziare fatte prima d’Al-Fatah e poi da Hamas dicendo che “non esiste nessun partner con cui negoziare”? Per caso non sa che quel  rappresentante del Male, Hamas, propose prima dell’assalto contro Gaza un cessate il fuoco di dieci anni? Non ha letto lei il sito web del Ministero degli Esteri israeliano dove si ammette che il cessate il fuoco venne rispettato da Hamas, oppure il giornale israeliano più importante, Haaretz, che informò ai lettori che fu Israele a terminare il cessate il fuoco con un assalto lanciato il 4 di novembre 2008? Oppure che il Ministero della Difesa dichiarò che l’assalto lo stava pianificando l’esercito da 6 mesi, cioè durante il cessate il fuoco?

Vi sono soltanto due spiegazioni possibili: O Nirenstein ignora completamente i fatti rilevanti oppure ommette tutti questi fatti apposta per disinformare i lettori.

Israelische Satire über israelische Kriegspropaganda (Hebräisch & Englisch mit englischen Untertiteln)

http://www.youtube.com/watch?v=vhmlOHDbBHQ

Schämt euch nicht, daß ihr Juden seid – schämt euch, daß DIE es sind!

Der Konzertpianist Anton
Kuerti sagte neulich: “Wegen des Verhaltens Israels schäme ich mich, Jude zu
sein.”

Meinerseits halte
ich nicht viel davon, auf etwas, was man schon von Geburts wegen ist, stolz zu
sein (bzw. sich dessen zu schämen). Darauf, daß ich US-Bürgerin und Jüdin bin,
bin ich nicht stolz, und ich schäme mich dessen auch nicht. Beide Eigenschaften
habe ich nur rein zufällig durch meine Geburt.

Kuertis Erklärung
erinnerte mich jedoch an einen häufig zitierten Spruch aus Wallace Markfields
Roman You Could Live if They Let You: „Sie sollen sich niemals, niemals,
niemals, schämen, jüdisch zu sein. Es reicht schon völlig aus, daß ich mich
schäme, daß Sie Juden sind.” Das Verhalten Israels – mit dem ich persönlich
ebensowenig zu tun gehabt habe wie mit der Tatsache, daß ich Jüdin bin – bietet
mir keinen Anlaß, mich meiner Herkunft zu schämen; doch schäme ich mich – oder vielmehr:
es kotzt mich an – daß ich diese Herkunft mit Menschen wie Zipi Livni, Ehud Barak, Ehud Olmert, Alan Dershowitz, Joe Lieberman, Thomas Friedman
und den übrigen israelischen Verbrechern und deren medialen und akademischen Apologeten
teile.

Um manche der Menschen,
mit denen wir unsere Herkunft teilen, kann man uns Juden kaum beneiden (obwohl das natürlich nicht nur auf uns zutrifft). Wir werden
jedesmal daran erinnert, wenn wir im Fernsehen sehen, wie wir von Gangstern (Peres,
Olmert, Livni, Scharon, Kissinger), Schleimern (Friedman), Ganoven (Madoff), Lügnern
(Foxman) oder Rundum-Schmocks (Dershowitz, Lieberman) vertreten werden. Wir
sollten ein für allemal zugeben (wenn auch nur im vertrauten Kreise), daß es
kein schöner Anblick ist. Eigentlich ist es sogar verdammt deprimierend, die heutzutage
bekanntesten Angehörigen einer Kultur zu sehen, die dereinst (um nur einige wenige zu
nennen) Viktor Frankl, Hannah Arendt, Kurt Tucholsky, Heinrich Heine, Albert
Einstein, Maimonides und Noam Chomsky (selbst wenn manche von uns erst in
fünfzig Jahren erkennen werden, warum er auf diese Liste gehört) hervorgebracht hat. Wer Theorien
über großangelegte antisemitische Verschwörungen aufstellen möchte, könnte sich
schon mit den Menschen, die vorgeben, für uns alle zu sprechen, ganz schön
austoben!

Und trotzdem nehmen
wir es größtenteils widerstandslos hin, von diesen Leuten vertreten zu werden. Manche
von uns greifen sogar jeden an, der sie auch nur schonend kritisiert. Der Rest
hört, wie Foxman, Dershowitz, die israelische Regierung und ihresgleichen behaupten,
unsere Stellvertreter zu sein – wie sie gelegentlich sogar behaupten, es sei
antisemitisch, zwischen uns und unseren mutmaßlichen Vertretern zu unterscheiden
– und fragt, wieso wir immer für die Worte und Taten Israels und unserer anderen angeblichen
Vertreter mit in Sippenhaft genommen werden.

Auf die Kritik
erwidernd, seine vielen genialen Essays über die deutsche Richterschaft würden
die schlimmsten Richter zu Prototypen der ganzen Gruppe machen, sagte der
Satiriker und Essayist Kurt Tucholsky folgendes:

In meiner Arbeit steht nicht zu lesen, daß der niederste Typus einer Gruppe
ihr Vertreter ist; er ist es so wenig wie der höchste, den die Herren zu ihrem
Lob gern herangezogen haben möchten. Ich habe gesagt, daß der niederste Typus
charakteristisch für das Niveau einer Gruppe ist: jener Typus nämlich, den sie
grade noch ertragen kann.
Beispiel:

Vergewaltigt ein deutscher Arzt eine minderjährige Patientin und sind
dieser Tatbestand und die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters einwandfrei
erwiesen, so wird die gesamte Ärzteschaft von dem Mann abrücken, mehr als das:
sie wird ihn aus ihren Reihen entfernen. Also ist dieser Typus der Gruppe nicht
aufs Konto zu setzen. Sie kann nichts dafür, daß er einmal in ihren Reihen
gewesen ist – sie erträgt ihn nicht, sie schließt ihn aus.

Läßt sich ein deutscher Richter materiell bestechen, so reagiert die Gruppe
sofort – alle Mitglieder werden den Mann ausgestoßen wissen wollen, das
ehrengerichtliche Verfahren wäre in diesem Fall nur noch eine Formalität. Also ist
der mit Geld bestochene Richter kein Prototyp des deutschen Richters.

[…]

Und solange die Gruppe der Richter nicht gegen diesen Typus demonstriert,
und sei es auch nur in einer ernsthaften Opposition, solange sich „die“ Richterschaft
in falsch verstandenem Kollegialitätsgefühl immer gegen den „Laien“ auf die
Seite des so überschätzten Fachmannes stellt -: so lange nenne ich einen
deutschen Richter einen deutschen Richter. Und ich möchte das so verstanden
wissen, wie es ein Proletarier versteht, der – den Bericht von
nationalsozialistischen Strafprozessen im Gedächtnis – vor diesen Talaren
steht.

Mit anderen Worten: Solange Angehörige einer Gruppe nicht deutlich von anderen Gruppenangehörigen abrücken, die sich eine gewisse Verhaltensweise zuschulden kommen lassen, kann der Außenstehende mit Fug davon ausgehen, daß die ganze Gruppe diese Verhaltensweise billigt (oder zumindest nicht ablehnt). Wenn keine öffentliche Verwerfung erfolgt, kann ein Palästinenser mit Fug davon ausgehen, daß z.B. Alan Dershowitz für uns alle spreche, wenn er die ethnischen Säuberungen gegen die Palästinenser als "moralische Frage fünfter Klasse" bezeichnet, oder daß Zipi Livni unsere Billigung genieße, wenn sie israelische Staatsbürger palästinensischer Herkunft mit der Vertreibung bedroht ("Ihr solltet eure Zukunft woanders suchen."). Es ließe sich dem theoretischen Palästinenser kein Vorwurf daraus machen, daß er von der Billigung der Gruppe ausgeht, wenn er sieht, wie Abe Foxman und die Anti-Defamation League im Auftrage der türkischen Regierung den Völkermord an den Armeniern leugnen, ohne daß dieses Verhalten auf Verwerfung stieße (oder auch nur bemerkt würde). Wenn wir uns nicht wirklich wünschen, daß solches Verhalten als repräsentativ für unsere Gemeinschaft aufgefaßt wird, müssen wir sofort klarstellen, daß der Täter auf eigene Faust handelt und uns dadurch mitnichten vertritt.

Die jüngsten
Ereignisse lassen darauf schließen, daß manche von uns Tucholskys Worte
beherzigt haben. Mit der israelischen Regierung und deren Apologeten sind wir
nicht auf Gedeih und Verderb verbunden, noch sollten wir uns aus einem falschen
Gefühl ethnischer Solidarität heraus verpflichtet fühlen, Worte zur
Verteidigung unverzeihbarer Taten zu verschwenden. Damit, daß wir israelische Verbrechen
und palästinensisches Leid verteidigen bzw. verleugnen, tun wir uns selbst
keinen Gefallen. Letzten Endes sagen wir der Welt nur, daß dies – sei es nun
der Angriff auf die wehrlose Bevölkerung Gazas, die ethnischen Säuberungen des
Jahres 1948, die Folter, die verschiedenen Angriffe auf den Libanon und andere
Länder – zu den Verhaltensweisen gehöre, die wir in unserer Gemeinschaft
ertragen. Indem wir solche Verbrechen verteidigen, sagen wir der Welt eigentlich,
daß diese unseren Mindeststandards für akzeptables Verhalten genügen.     

Das unverzeihbare Verhalten unserer mutmaßlichen
Stellvertreter öffentlich zu verwerfen, ist unsere einzige Möglichkeit, zu
vermeiden, daß man uns selbst die Verantwortung dafür gibt. Es ist auch die
einzige Möglichkeit, im Nahen Osten  Gerechtigkeit – ohne die jeder “Friede”
nur Gewalt mit anderen Mitteln ist – zu erreichen.

Demonstranten in New York präsentieren die neueste Waffe Israels – geistig-intellektuelle Brechmittel

Der Journalist
Max Blumenthal hat für die unabhängige US-Nachrichtensendung Democracy Now die
jüdischen Teilnehmer an einer Demonstration in New York zur Unterstützung der
letztendlichen Selbstvernichtung Israels (was absurderweise schlechthin als das
„pro-israelische Lager“ bezeichnet wird) interviewt. Angesichts der von den
Demoteilnehmern geäußerten Meinungen kann ich nur mit Max Liebermann sagen: „Ich
kann nicht soviel essen, wie ich kotzen möchte“.

In meiner
jüdischen Bildung als Kind hat man mir sehr viel über die von der jüdischen
Tradition geschätzten Werte, darunter Gerechtigkeit (Zedek) und
Barmherzigkeit (Gemilut Hasadim), erzählt. Soweit ich mich
erinnern kann, gehörte jedoch „gedankenloser protofaschistischer
Hurrapatriotismus“ nicht zu diesen Werten. Leider wurde dieser anläßlich der „pro-israelischen”
Demonstration ganz offen zur Schau getragen. Dort strotzten die Teilnehmer vor
Angeberei mit Israels (von den USA zur Verfügung gestellten) Waffen und wohlüberlegten
Grundsatzerklärungen wie „Juden treten jeden Arsch“.

Wären nur diese
Meingungen von den Demonstranten geäußert worden, dajenu. Bedauerlicherweise
hatten sie noch mehr zu sagen. Eine Frau bezeichnete das palästinensische Volk
als ein zu vernichtendes „Krebsgeschwür“.  Eine andere meinte: „Der Kampf muß
weitergehen, bis wir sie allesamt ausgerottet haben”.
Diesen umformulierten Naziparolen pflichteten andere bei; falls es Teilnehmer gab, die anderer Meinung waren, haben sie dies komplett verschwiegen. Offensichtlich wird "Nie wieder" verschiedentlich aufgefaßt.

Eine weitere,
etwas jüngere, Demonstrantin meinte, daß eine Neuauflage der Schoa am Laufen
sei (der Klarheit halber sei angemerkt, daß sie das Verhalten der Palästinenser
als neuen Holocaust bezeichnete).
Zwar habe ich die Schoa ausgiebig studiert.
Daß aber den ZOB-Kämpfern im
Warschauer Ghetto weißer Phosphor, Streubomben, Apache-Kampfhubschrauber,
Panzer und F-16-Kampfflugzeuge zur Verfügung stünden, während die Waffen-SS mit
nichts als hausgemachten Sprengkörpern verzweifelt weitergekämpft haben soll,
ist mir neu. Sicherlich werden sich David Irving und Ernst Zündel gern dieser
Behauptung anschließen.

Keinen Anlaß zum
Zweifeln bei  ihrer Anspielung auf den
Nazi-Holocaust bot unserer jungen Freundin indes die unverhohlen völkermörderische
Hetze ihrer Kameraden. Die Fähigkeit, Ironien zu erkennen, verteilt sich allem
Anschein nach nicht gleichmäßig in der Bevölkerung.

Sollte es sich
hierbei doch um eine Neuauflage der Schoa handeln, hat man die Rollen offenbar
neu verteilt.

Zum Glück handelt
es sich bei diesen Hetzern nicht um die einzigen jüdischen Stimmen, die sich
zum Thema hören lassen. Offenbar läuft gerade eine Art Aufstand in den
jüdischen Gemeinden sowohl in Israel als auch weltweit. Fast täglich erscheinen
Erklärungen von Juden u.a. in den USA, Großbritannien und Südafrika, die nicht
mehr bereit sind, “jüdischen” Organisationen, die zu Propagandaorganen der
israelischen Regierung verkommen sind, zu erlauben, der Welt weiszumachen, daß
alle Juden in Kim-Il-Söng-artiger Geschlossenheit jedes Verbrechen befürworten
würden, das Israel in unserem Namen begeht.