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Dezember 16th, 2009 — Antisemitismuskeule, BRD, Israel-Palästina, Krieg, Migration, Rassismus
An dieser Stelle möchte ich mal ein Loblied auf den politischen Innovationsstandort Deutschland singen. Paradoxa, vor denen man anderswo schreiend flüchtet, werden in der BRD freundlich umarmt. Dort kapitulieren die eisernen Gesetze der Logik vor der Akrobatik der Gehirnzellen. „Nichts ist unmöglich“ lautet die Devise.
Wußten Sie z.B., daß man den Imperialismus, den Militarismus, den Nationalismus und den Rassismus befürworten und dabei links sein kann? Echt! Ich hab’s gesehen! Continue reading →
Oktober 10th, 2009 — BRD, Israel-Palästina, Krieg, USA
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Arbeit muß sich wieder lohnen! Das sagt inzwischen sogar die FDP. Und man kann es auch irgendwie nachvollziehen. In dieser Gesellschaft kann man nach wie vor verdammt gut leben, ohne irgendwas Vernünftiges geleistet zu haben. Überall gibt es Menschen, die längst verhungert wären, wenn sie Papa Staat nicht durchfüttern würde. Im Vorstand der Bundesbank, zum Beispiel, oder im Kabinett. Bald wird einer dieser Schmarotzer sogar Außenminister. Selbst im Nobelkommittee sind die Sitten völlig verkommen. Wie kann man es sich sonst erklären, daß ausgerechnet Barack Obama der Friedensnobelpreis gegönnt worden ist?
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Oktober 4th, 2009 — BRD, Krieg, Migration, USA
Der Völkerrechtler Claus Creß hat in einem Interview mit dem SPIEGEL – dem wichtigsten Konkurrenzblatt des TITANIC – etwas wirklich Eindrucksvolles zu berichten. Es gebe keinen internationalen bewaffneten Konflikt in Afghanistan, sondern nur einen „Bürgerkrieg“.
Wenn ich den SPIEGEL aufmache, mache ich mich immer auf einiges gefaßt, aber da mußte ich staunen. Ein Bürgerkrieg! Das sind also gar keine ausländischen Truppen, die das Land seit acht Jahren plattmachen, sondern Afghaner mit Migrationshintergrund! Continue reading →
Juni 24th, 2009 — BRD, Gedankenfetzchen, Justiz, Krieg, Rassismus
Da die kinderpornographischen Inhalte im Internet nur noch ausgewiesenen IT-Fachkräften zugänglich sind, sollten wir uns langsam anderen Themen zuwenden. Die CDU z.B. fordert schon Sperren für sog. Killerspiele – und das kann man auch nachvollziehen. Das sind nämlich Spiele, die die virtuelle Gewalt verharmlosen oder gar verherrlichen.
Und keine Partei in der BRD engagiert sich so konsequent gegen die fiktive Gewalt wie die CDU. Die wissen nämlich: Wenn sich die gewaltbereiten Jugendlichen schon mal im Internet austoben können, werden sie keine Lust mehr haben, sich am nächsten US-amerikanischen Angriffskrieg zu beteiligen. Und wer wird dafür sorgen, daß kein Türke, Angolaner oder Autonomer ohne blaues Auge auskommen muß (von der Entlastung der Schulen ganz zu schweigen)?
Dabei übersehen die Politiker eine ganze Reihe gewaltverherrlichender Inhalte. Schon mal bei Indymedia vorbeigeschaut? Da gibt es nämlich stapelweise Fotos, die zeigen, wie wehrlose Menschen einfach so ohne Grund auf offener Straße niedergeknüppelt, gefesselt, zusammengeschlagen und mit chemischen Waffen angegriffen werden. Und pornographisch sind die Fotos auch, wenn da schon der Schäuble einen Dauerständer von abbekommt.
Zu allem Überfluß tragen diese gemeingefährlichen Rowdys deutlich erkennbare Polizeiuniformen.
Da muß die Jugend vor geschützt werden! Was würden die sich wohl denken, wenn sie einer solchen Verherrlichung der Gewalt ausgesetzt werden? Das kann sie nur hoffnungslos verwirren. Man lernt ja auf der Schule, daß die Menschen, die sich Polizeiuniformen anziehen, unsere Freunde und Helfer sind. Wenn sie die Bilder sehen, werden sie den Eindruck bekommen, daß jeder, der grundlos Unschuldigen in die Fresse haut, ihr Freund und Helfer sei.
Dabei sind es nur manche.
Und was ist mit der Firma, die die Freunde und Helfer vertreten? Durch diese Bilder wird rohe Gewalt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung – und was ist uns denn gelegentlich heiliger? – in Verbindung gebracht. Eine ganze Generation wächst in dem Glauben heran, daß Gewalt freundlich, hilfreich, freiheitlich und demokratisch sei.
Und umweltverträglich – nicht umsonst sind die Uniformen grün!
Natürlich könnte man – nach dem Motto Löschen statt sperren! – den Freunden und Helfern einfach verbieten, an wehrlosen Menschen rumzuknüppeln – aber für vernünftige Lösungen haben wir doch keine Zeit!
Juni 7th, 2009 — Justiz, Krieg, USA
Amerikas Werte sind in ihren Grundfesten erschüttert worden. Das hört man in den Staaten schon lange. Gesagt wird es meist von der Sorte Menschen, die im Falle eines Pogroms die Benzinkanister nachfüllen würde. Und meist heißt es auch: Schwarze dürfen in unsere Schule, Frauen dürfen abtreiben, Frauen dürfen wählen, Frauen dürfen arbeiten gehen (überhaupt haben sie es meist mit Schwarzen und Frauen).
Ganz so ernst ist es diesmal nach amerikanischen Maßstäben nicht. Es geht um Folter, um Praktiken, die das Ansehen Amerikas im Ausland schwer geschädigt haben. Es sollen auch einzelne Ausländer davon betroffen sein.
Fast acht Jahre lang haben Angehörige der US-Staatsorgane auf Weisungen von höchster Ebene hin Menschen verprügelt, versohlt, vergewaltigt, überheizt, unterkühlt, zum Schein ertränkt, zum Schein begraben, ihnen den Schlaf und die Sinneswahrnehmungen entzogen, und und und. Unsere Werte werden sich vielleicht nie wieder von diesem schweren Schlag erholen.
Das war etwas nie Dagewesenes, naja, wenigstens etwas Langenichtmehrdagewesenes. Davor hat die US-Regierung nämlich sechzig Jahre lang Folterstaaten errichtet, militärisch und wirtschaftlich unterstützt, Folterunterricht erteilt, Folterausrüstung geliefert. Da war es mit unseren Werten noch im grünen Bereich.
Amerikas Werte sind nun mal eine ganz subtile Sache. Mit Pauschalierungen und Abstraktionen kommt man an die Psyche der staatstragenden Elemente Amerikas nicht ran. Da gibt’s Feinheiten, die können Nichteingeweihte gar nicht begreifen.
Folter durch US-Beamte ist eine Schande. Mit Folternlassen hat aber keiner ein Problem.
Wenn die USA foltern lassen, handeln sie ganz im Sinne der amerikanischen Werte: Outsourcing. Den Begriff haben die Amis sogar erfunden. So bekommen sonst chancenlose junge Menschen in Lateinamerika, Afrika und im Nahen Osten die Möglichkeit, so richtig was zu werden. Das war eine Art Marshall-Plan für Soziopathen. Und es hat funktioniert! Wer sich auch nur ein bißchen in Mittelamerika umsieht, wird schon merken, was für bluten…blühende Landschaften dieser wichtigste Bestandteil der US-Auslandshilfe hervorgebracht hat.
Elektrotechniker konnten die Jungs nicht lernen. Dafür aber Elektrodentechniker.
Aber eines Tages war alles aus. Seit 2001 müssen diese netten jungen Leute mit amerikanischen Spitzenkräften um Arbeitsplätze konkurrieren. Solch eine unfaire Politik kann die Werte der amerikanischen Oberschicht nur erschüttern, denn keiner, der den Sadismus des US-Bildungswesens nicht kennt, wird da jemals mithalten können. Die jungen, aufstrebenden Folterer der Welt müssen zusehen, wie ihnen irgendwelche Ausländer aus Amerika den Lebensunterhalt nehmen, und haben anstatt des direkten Drahts in den gehobenen Dienst nur noch die Möglichkeit, ihr Leben als mittlere Gangster zu fristen.
Auch Barack Obama konnte nicht umhin, von der Notlage der arbeitslosen Folterer im Ausland peinlich berührt zu sein. Er hat auch entschlossen gehandelt:
Schon seit der ersten Woche seiner Amtszeit unterliegt direktes Foltern durch US-Beamte einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt!
Natürlich sind nicht alle damit einverstanden. Unmut über die Streichung der Arbeitsplätze für US-Folterspezialisten war vor allem seitens des Grövaz (also des Größenwahnsinnigsten Vize aller Zeiten) zu hören. Der Obama mache die Amerikaner doch unsicher mit seiner Politik. Abgesehen von den paar Tausend Amis und den paar Millionen Irakern und Afghanen sei Dank seiner Folterpolitik seit dem 11. September 2001 niemand mehr bei irgendeinem Anschlag ums Leben gekommen.
Es kommt aber noch besser: Wenn es die Folterlager nicht gäbe, so Cheney, „dann hätten wir diese ganzen Menschen einfach unbringen müssen.“
Nur durch Folter-Insourcing war der Cheney also von der Errichtung von Vernichtungslagern abzuhalten gewesen.
Die amerikanischen Werte muß man eben nuanciert betrachten.
Juni 3rd, 2009 — BRD, Gedankenfetzchen, Krieg
Was soll das schon wieder? Alle regen sich auf über den Schäuble. „Überwachungsstaat! Er will unbescholtene Bürger online überwachen!“ Sagen Sie mal, geht’s vielleicht eine Nummer kleiner? Den Schäuble sollte man ja auch mal ausreden lassen.
Natürlich will der Schäuble unbescholtene Bürger überwachen. Wen denn sonst?
Denken Sie mal nach: Wer ist jetzt die größte Gefahrquelle seit dem Reichtstagsbrand? Na logo, die Islamisten! Und was sind das denn für welche? Genau, das sind religiöse Fundamentalisten…also, der Ratzinger kommt nicht in die Anti-Terror-Datei, aber das ist auch ein anderes Thema.
Die Feinde, vor denen es uns zu schützen gilt, sind also religiöse Fanatiker, Gotteskrieger von der übelsten Sorte, die Sünde und Laster den Garaus machen wollen. Die haben sich doch die Unbescholtenheit groß auf die Fahne geschrieben. Und da entsinnt sich der Schäuble eines der heiligen Prinzipien seiner christlichen Partei: „Wer ohne Sünde ist, auf den werft den ersten Stein.“
Ist ja auch Logik.
Und wieviel man der CDU auch vorwerfen mag, inkonsequent ist sie nicht. Was im Kampf gegen den Terror gilt, gilt auch – oder erst recht – im Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Unbescholtene Bürger sind dieser Schwarzgeldwaschküche zutiefst suspekt. Und so kommt es, daß Menschen wie der Ackermann und der Zumwinkel von dieser Regierung mehr Stütze kriegen als die Menschen, die wegen Menschen wie Ackermann und Zumwinkel arbeitslos sind!
April 18th, 2009 — Krieg
Um begreifen zu können, worum es geht, wenn in Elitekreisen von „Krise“ die Rede ist, wird der vernünftige Betrachter selbstverständlich gewisse Grundsatzfragen stellen. Eine erste Frage beträfe die Lage vor der derzeitigen Krise: Was ging in der Gesellschaft vor, bevor die Krise ausgerufen wurde? Eine Untersuchung des vorherigen Zustands ermöglicht es, wertvolle Einsichten in den Krisenbegriff der herrschenden Eliten zu gewinnen. Eine weitere, damit zusammenhängende Frage beträfe die von der Regierung zur Bewältigung der Krise vorgeschlagenen und ergriffenen Maßnahmen: was wird auf unmittelbare, und was auf mittelbare Weise gemacht? Was wird garantiert, und was wird dem Zufall überlassen? Die Annahme scheint vollkommen angemessen, daß das, was eine Person bzw. Institution für wesentlich hält, höchstwahrscheinlich nicht als erhofftes Nebenprodukt der Handlungsweise der betreffenden Person bzw. Institution behandelt werden wird. Generell überantwortet man seine wirklichen Prioritäten nicht dem Zufall. Desweiteren ist es aufschlußreich zu fragen, wer die Hauptnutznießer der ergriffenen Maßnahmen sind und auf wessen Kosten diese ergriffen werden. Daß diese Fragen – wenn überhaupt – höchstens am Rande der öffentlichen Debatte gestellt warden, ist an und für sich aufschlußreich.
Die „Unkrise“
Die Jahre, die der derzeitigen Krise unmittelbar vorausgingen, waren durch zweierlei Grundzüge gekennzeichnet: einerseits durch steigende Armut, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in Verbindung mit stagnierenden bzw. sinkenden Reallöhnen und drastischen Sozialkürzungen, und andererseits durch immer weiter steigende Rekordgewinne und enorme Vermögenskonzentration. Über 30 Millionen Amerikaner litten Hunger, 12 Millionen Kinder waren dermaßen unterernährt, daß sie sich in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung beeinträchtigt sahen, 49 Millionen Amerikaner hatten keine Krankenversicherung, und diejenigen, die in den Genuß einer KV kamen, durften sich sicher sein, daß ihre „Versicherung“ keine Kosten scheut, wenn es darum geht, notwendige ärztliche Versorgung zu versagen, während immer mehr Amerikaner zum bloßen Überleben auf Kredithaie verschiedenerlei Arten angewiesen waren. Derweil genossen Konzerne wie z.B. AIG stetig steigende Gewinne infolge der Demontage des regulatorischen Rahmens. Ökonomen zufolge wurden zwischen 1980 und 2005 schätzungsweise 20 Billionen Dollar auf die einkommensstärksten 10% der US-Bevölkerung umverteilt.
Man sollte sich an dieser Stelle daran erinnern, daß das oben Beschriebene keine „Krise“ darstellte, sondern vielmehr das, was man als „Wohlstand“ bezeichnete.
Die „Krise“ begann erst dann, als die Spekulationsblase, die auf „esoterischen Finanzinstrumenten“ mit kaum realer Absicherung, und die kaum ein Marktteilnehmer wirklich verstand, beruhte, platzte, wie eben vorherzusehen war, und dadurch „Rekordverluste“ für diejenigen entstanden, die über ein Jahrzehnt lang „Rekordgewinne“ gefeiert hatten.
Krisenmanagement
Aufgrund der obigen Analyse des Krisenbegriffs der Politik ist die Reaktion der Politik auf die derzeitige Krise leicht vorherzusehen. Die Architekten der Krise (darunter Zeitgenossen wie Lawrence Summers, Robert Rubin, Henry Paulson und Timothy Geithner, die später zu den Oberkrisenmanagern der US-Regierung ernannt wurden) waren sich in der Tat der – mehrfach wiederholten – staatlichen Reaktion auf die Krise so sicher, daß sie sich auf Risiken einließen, die sonst der reinste Selbstmord gewesen wären.
Da die „Krise“ nicht in der Verarmung der Bevölkerung, sondern in den durchaus vorhersehbaren Folgen der (äußerst gewinnträchtigen) Verantwortungslosigkeit des Finanzwesens liegt, darf die staatliche Reaktion darauf keineswegs wundern. Wie vorherzusehen war, besteht die unmittelbare Reaktion darin, den Hauptverantwortlichen der Krise Billionen Dollar bedingungslos, aufsichts- und auflagenfrei in die Taschen zu spritzen. Obwohl diese Bargeldinfusionen in der Öffentlichkeit mit der Ankurbelung der Kreditflüsse begründet werden, sind die Gelder mit keiner entsprechenden Bedingung versehen. Diese Maßnahme, die zwar auf der Börse für Jubel und Gejohle gesorgt hat, hat – man staune! – zu keiner erheblichen Erhöhung der Kreditverfügbarkeit geführt. Die Nutznießer der Rettungszuschüsse haben sich generell geweigert, Rechenschaft über deren Verwendung abzulegen, was ja auch verständlich ist, denn sie sind schließlich nicht dazu verpflichtet. Es ist jedoch inzwischen klar geworden, daß sie im Allgemeinen andere Verwendungszwecke für ihre Steuergeschenke gefunden haben, darunter Boni, Dividenden, Fusionen, Übernahmen und Lobbyarbeit gegen das Employee Free Choice Act, was, falls es verabschiedet wird, einen ersten Schritt zur Wiederherstellung der Koalitionsfreiheit der Werktätigen darstellen würde.
Obwohl sich die Frage geradezu aufdrängt, wie schlecht es diesen Knzern wirklich gehen kann, wenn sie es sich leisten können, ihre Sozialhilfe zu solchen Zwecken auszugeben, konzentrieren Medien wie Politik die Aufmerksamkeit und die Wut der Bevölkerung nach Kräften auf die den Managern ausgezahlten Boni, die einen winzigen Anteil des Gesamtbetrags ausmachen, während das US-Finanzministerium Investoren mit dem Angebot hofiert, gemeinsam mit Hedgefonds giftige Vermögenswerte aufzukaufen und verspricht, daß der Staat etwaige Verluste auffangen werde. Die Rentabilität der spekulativen „Investment“-Banken, die die Krise erst ausgelöst haben, darf also keinesfalls dem Zufall überlassen werden.
Obwohl man der Ausrichtung des Krisenmanagements leicht einen anderen Eindruck abgewinnen könnte, hat es die Mehrheit der Bevölkerung mit eigenen Problemen zu schaffen, die das Finanzwesen um steigende Obdach- und Arbeitslosigkeit als Dreingabe ergänzt hat. Das soll selbstverständlich nicht heißen, daß das Problem in Washington gänzlich ignoriert wird, wo die Administration Obama doch beabsichtigt, bis zu $75 Milliarden – weniger als die Hälfte der Summe, die AIG allein (bisher!) erhalten hat – um denjenigen Noch-Eigenheimbesitzern abzuhelfen, die der Meinung der Administration nach ihre Eigenheime auf verantwortungsvolle Art gekauft haben. Die Administration bemüht sich ebenfalls, die Vorstände der US-Autokonzerne vor dem Vorruhestand zu bewahren, indem sie die Arbeiter der Autoindustrie – die zu den wenigen US-Werktätigen gehören, die noch eine halbwegs wirksame gewerkschaftliche Vertretung genießen – zwingt, erhebliche Lohn- und Gehaltskürzungen sowie Kürzungen der auf ihren Beiträgen beruhenden Krankenversicherungs- und Rentenleistungen in Kauf zu nehmen. Schließlich müssen diejenigen, die weiterhin Wohlstand genießen, aus Solidarität mit den Krisenopfern zur Kasse gebeten werden.
Die Hierarchie der Rettungsmaßnahmen ist an sich aufschlußreich. Die für die Krise verantwortlichen Spekulanten bekommen Steuergelder grenzen- und bedingungslos ausgezahlt. Sind die Gelder einmal alle, was bei diesen Empfängern eher schnell geht, gibt es immer mehr. Der Staat bewahrt sie vor all den Risiken, die zu den von ihnen ins Leben gerufenen „giftigen Vermögenswerten“ dazugehören. Allem Anschein nach gibt es nur eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Zuwendung: Man muß an der Krise mit schuld sein. Brauchen Manager in der Autobranche Hilfe, ist der Staat um einiges weniger entgegenkommend. Die großen Autokonzerne müssen zunächst einmal einen Verwendungsplan für die staatlichen Zuschüsse vorlegen und können bei unangemessener Verwendung zur Verantwortung gezogen werden. Natürlich ist dies eine für die Automanager nicht allzu große Last, den von dem erforderlichen „Erholungsplan“ werden die größten Lasten den Belegschaften (die als einzige wegen der Vergütungs- und Leistungskürzungen in Kauf nehmen müssen) aufgebürdet. Zwar ist dieses Arrangement nicht halb so günstig wie das den Hauptarchitekten der Krise unterbreitete Angebot, aber so schlecht ist es auch wieder nicht. Mehr als ein Plan für die Zukunft, der das Schlimmste den Arbeitern zumutet, wird nicht verlangt.
Für die Millionen Eigenheimbesitzer, die infolge der betrügerischen Darlehen zwielichtiger Tochtergesellschaften der „seriösen“ Kreditinstitute der Obdachlosigkeit ins Auge sehen, sieht die Situation jedoch nicht so rosig aus. Um ein Stück des ihnen theoretisch zur Verfügung stehenden – weitaus kleineren – Kuchens abzubekommen, müssen Eigenheimbesitzer beweisen – wie das gehen soll, weiß niemand – daß sie beim Kauf ihres Eigenheims verantwortungsbewußt handelten. Es mag zwar etwas merkwürdig wirken, daß nicht den Architekten der Krise, sondern den Hauptopfern der Krise solch eine Bedingung zugemutet wird, es ist jedoch vollkommen logisch: kein Kreditinstitut oder Banker auf Erden könnte der von der Administration Obama den Eigenheimbesitzern auferlegten Voraussetzung genügen. Kann ein Eigenheimbesitzer, dem die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorsteht, den Staat nicht davon überzeugen, daß er in der Vergangenheit verantwortungsbewußt gehandelt hat, hat er als einzigen Ausweg die Möglichkeit, in eine der wachsenden Zeltstädte Amerikas zu ziehen. Selbst der beste Verwendungsplan für Staatliche Zuschüsse genügt hier nicht.
So streng wie die Behandlung der Noch-Eigenheimbesitzer durch den Staat auch wirken mag, darf die restliche Bevölkerung noch weniger Hilfe erwarten. Höchstens wird das Konjunkturpaket der Administration Obama die schlecht bezahlten, gewerkschaftslosen und ganz allgemein beschissenen Jobs , die sie verloren haben, durch neue schlecht bezahlte, gewerkschaftslose und ganz allgemein beschissene Jobs ersetzen. Wenn – wohlgemerkt – man das Glück hat, einen zu finden. Obama hat zwar im Wahlkampf sehr gern über die Verabschiedung des Employee Free Choice Act gesprochen , seine Administration verdeutlicht jedoch nach Kräften, daß EFCA derzeit nicht auf der Tagesordnung stehe. Das heißt: Die gewerkschaftliche Organisation, eine der wenigen Möglichkeiten für Werktätige zur Besserung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen, der Mehrheit der Bevölkerung weiterhin versperrt bleiben wird. Die Millionen (Versicherten wie Unversicherten), die sich unter der Last der Kosten ärztlicher Versorgung der Insolvenz nähern, können sich ebenfalls sicher sein, daß die einzige Reform, die sie fast einstimmig befürworten – eine nationale Gesundheitsvorsorge – „vom Tisch“ ist, wie es ein Sprecher der Administration Obama formuliert hat. Und in unserem Zeitalter von „Milliarde? Billion? Es zählt eh keiner mehr!” ist auch von einem Erlaß der Studiendarlehens- und Verbraucherverschuldung überhaupt keine Rede, obwohl dies die Kaufkraft des Durchschnittsamerikaners deutlich erhöhen und einen wirksamen Konjunkturanstoß auf Nachfragebasis darstellen würde.
Um es in der Sprache unserer Orwellschen Zeiten auszudrücken, werden die meisten Amerikaner weiterhin Wohlstand ohne staatliche Einmischung genießen.
Gehen wir jedoch davon aus, daß die Krise in etwas anderem besteht als einer vorhersehbaren Senkung der Rentabilität einer Industrie, die nichts als Profite für sich selbst schafft, so drängt sich eine ganz andere Krisenmanagement-Strategie auf. Vorrangig müßte dafür gesorgt werden, daß niemand wegen der zu keinerlei Rechenschaft verpflichteten Institutionen, denen die Herrschaft über die Wirtschaft zugebilligt worden ist, obdach- oder erwerbslos wird und daß niemandem derentwegen die Strom-, Gas- oder Wasserversorgung ausgeschaltet wird. In den 1930er Jahren tat dies Franklin D. Roosevelt, indem er per Dekret sämtliche Zwangsvollstreckungen, Räumungen und Strom-, Wasser- und Gasversorgungseinstellungen aussetze. Zweite Priorität hätte eine enorme Untersuchung der Vorgänge, die zu dieser Sauerei geführt haben, darunter die Überprüfung sämtlicher betroffenen Hypotheken und eine intensive Untersuchung der an der Krise beteiligten Institutionen durch die Finanzmarktaufsicht, dies alles Schritte, die die Administrationen Bush und Obama bisher tunlichst vermieden haben. Gleichzeitig könnte der Staat Mehrheitsbeteiligung an den einschlägigen Institutionen erwerben und diese zur Rettung der evtl. vorhandenen tragfähigen und nützlichen Teilbereiche der Institutionen, während alle übrigen Teilbereiche der Insolvenz überantwortet werden (wodurch auch die Bonusfrage ohne größere Schwierigkeiten zu lösen wäreue). Sobald sich die Lage stabilisiert, könnten die tragfähigen Teilbereiche in kleine, kontrollierbare Einheiten zerlegt werden, die auf Gemeindeebene rechenschaftspflichtig wären, und man könnte Vorschriften (wieder-)erlassen, die verhindern würden, daß irgendeine dieser Institute „too big to fail“ wird.
Letzten Endes kommt alles auf die Definition von „Krise“ an.
April 6th, 2009 — Allgemein, Antisemitismuskeule, Israel-Palästina, Krieg, Rassismus
Der nachfolgende Text befaßt sich mit dem Abschnitt Antisemitismus
des AVANTI-Grundsatzpapiers,
nicht jedoch mit den übrigen Abschnitten des GSP, mit denen ich mich noch nicht
eingehend beschäftigt habe. Mein besonderes Interesse widme ich diesem
Abschnitt, da ich als Jüdin und Sympathisantin der Grundidee einer undogmatischen
Linken zur weiteren Diskussion dieses Themenkomplexes anregen möchte.
Vorab sei darauf hingewiesen, daß dieser Abschnitt einiges
an Begrüßenswertem enthält. So z.B. folgender Absatz:
Dennoch hat die begeisterte Unterstützung für die Politik der israelischen
Rechten [wohlbemerkt auch eines Großteils
der israelischen Linken], die Rechtfertigung von Besatzung, Annexion und
Staatsterrorismus, die umstandslose und ahistorische Identifikation der
palästinensischen Seite mit dem Faschismus und das Schüren von anti-arabischen
Vorurteilen mit linken Standpunkten nichts zu tun. Wenn Teile der so genannten
„Antideutschen" sogar die Kriegspolitik der USA und ihrer Verbündeten
(wozu schließlich trotz der Nichtbeteiligung am Irak-Krieg auch Deutschland
rechnet) gutheißen, dann wird klar, dass sie bei ihrer Verabschiedung von der
Linken schnell ganz rechts angekommen sind. Die Verwendung von unpassenden und
beliebigen Gleichsetzungen mit dem Faschismus ist zudem eine Verharmlosung der
realen Verbrechen des deutschen Faschismus und eine Verhöhnung seiner Opfer.
Sich selbst als Opfer zu inszenieren, sich als Deutsche z.B. durch das Tragen
von Israel-Fahnen eine Identität auszuborgen, ist schlicht anmaßend und
unterstützt im übrigen die falsche Gleichsetzung von Juden und Jüdinnen mit der
Politik Israels.
Auffällig an großen Teilen der deutschen Linken ist seit
langem die Tatsache, daß man zwar die rassistische Gewalt gegen Araber und
Muslime (sowie andere Ausländer und Minderheiten) sehr scharf kritisiert, die
(noch schlimmere) Gewalt des israelischen Staates gegen Angehörige desselben
Kulturkreises in deren eigenem Land vor jeder ernsthaften Kritik verschont oder
gar nicht erst wahrgenommen wird. Dafür, daß man den israelischen
Besatzungsterror überhaupt zur Kenntnis nimmt, wird man in der deutschen Linken
sehr schnell in die rechte Ecke geschoben, was auch zur oben angesprochenen „Gleichsetzung
von Juden und Jüdinnen mit der Politik Israels“ maßgeblich beiträgt.
Leider spricht der Abschnitt Antisemitismus des
GSP häufig mit gespaltener Stimme. Mit großer Wahrscheinlichkeit liegt das an
der Uneinigkeit der nichtjüdischen deutschen Linken zum Themenkomplex
Israel/Palästina. „Der Nahostkonflikt“, so das GSP, „ist für viele Linke und
Ex-Linke nur die Folie, vor der ein sehr deutscher Konflikt ausgetragen wird.“ Daß
das auch unter den Verfassern des GSP der Fall ist, ist am Inhalt dieses
Abschnitts zweifelsfrei zu erkennen.
Einerseits solidarisiert man sich mit den Palästinensern,
die seit Jahrzehnten unter der Besatzung und Vertreibung durch den israelischen
Staat zu leiden haben. Andererseits ist von einem nebulösen „linken Antisemitismus“
die Rede, die mit dem Nahostkonflikt irgendwie zusammenhänge und sich
solche Sünden wie die Negierung eines vermeintlichen „Existenzrechts“ des
israelischen Staates zuschulden kommen lasse. Eine wirkliche inhaltliche
Auseinandersetzung der Verfasser mit diesen Behauptungen ist am Wortlaut der
Erklärung nicht zu erkennen. Zwar handelt es sich bei einer solchen
Grundsatzerklärung nicht um eine für die akademische Presse bestimmte
wissenschaftliche Abhandlung, ein paar Fallbeispiele sollten jedoch nicht
fehlen. Die unkritische Übernahme nebulöser Vorwürfe kann die hier
erforderliche Diskussion nur erschweren.
Folge einer unterlassenen differenzierten, inhaltlichen
Debatte sind Verschwörungstheorien wie die vom GSP angesprochenen „Verschwörungstheorien
über den ‚jüdischen‘ oder ‚zionistischen‘ Einfluss auf die Medien oder
politische Entscheidungen“. In Ermangelung einer inhaltlichen Diskussion sieht
man nur die Ergebnisse komplexer gesellschaftlicher Prozesse und kommt leicht
zu dem Schluß, daß es sich bei diesen Ergebnissen um eine Art Verschwörung
handeln müsse. In diesem Fall z.B. sieht man die häufig völlig unkritische
Übernahme israelischer Hasbara (הסברה- wörtlich: Erläuterung, der israelische
Hauptbegriff für Propaganda) durch „Qualitäts“-medien und politische
Entscheidungsträger und stopft die Erklärungslücke mit Verschwörungstheorien
ein, etwa nach dem Schema:
1. Die Medien
verbreiten Unwahres über den Nahostkonflikt.
2. Dies dient den
Interessen des israelischen Staates.
3. Schlußfolgerung:
Die Medien stehen im Dienste des israelischen Staates.
Ohne eine systematische und systemische Untersuchung der
unter 1. und 2. genannten, tatsächlich existierenden Erscheinungen – etwa nach
dem von der bahnbrechenden Studie von Noam Chomsky und Edward Herman
aufgestellten Propagandamodell der Massenmedien – werden viele von der
einfachsten Variante – einer Verschwörung – ausgehen. Die Verflechtung der
Medienkonzerne mit der Staatsmacht, und in der BRD daher auch mit den USA
(denen Israel letztendlich als Klientenstaat dient), wird dann gar nicht erst zur
Kenntnis genommen. Dann sieht man nur, wie der Antisemitismusvorwurf häufig als
politische Waffe gegen Israelkritiker dient, und schließt auf eine zionistische
Medienverschwörung. Umso schmackhafter ist eine derartige Theorie angesichts
des Umstandes, daß der Antisemitismusvorwurf häufig als politische Waffe zum Schutze
der israelischen Besatzungspolitik vor jeder wirklichen Kritik verwendet, und Medien
wie Politiker häufig die Tatsachen zugunsten Israels verdrehen.
Über diese Tatsachen wird schon seit Jahren unter
jüdischen Israelkritikern (und deren gibt es immer mehr) in- und außerhalb
Israels diskutiert, eine Diskussion, an der man selbst als Jüdin bzw. Jude
nicht teilnehmen kann, ohne von den Propagandisten der israelischen
Besatzungspolitik als „jüdischer Antisemit“ oder „selbsthassender Jude“
verleumdet zu werden. Freiräume für solche Diskussionen zu schaffen und zu
erweitern dürfte eine wesentliche Aufgabe der linken Politik sein. Verweigert man
denjenigen – Juden wie Nichtjuden – die Solidarität, die Rufmord und Ächtung
trotzen, um diese sehr wichtige Diskussion zu führen, so wird eine gerechte
Lösung des Nahostkonflikts unmöglich. Schlüsselfragen werden dann dem rechten
Rand – mit den bekannten Folgen – überlassen.
Eigentlich müßte hinter dem Absatz über den „linken
Antisemitismus“ ein Fragezeichen stehen: Gibt es einen linken Antisemitismus?
Welche Fallbeispiele sprechen dafür, welche dagegen? Inwiefern wirken sich
propagandistische Konstrukte wie der immer wieder heraufbeschworene – und nachweislich jedesmal mit dem
Bekanntwerden israelischer Kriegsverbrechen zusammenhängende – „neue
Antisemitismus“ auf die Nahost-Diskussion innerhalb der Linken aus? Womit läßt
sich ein evtl. tatsächlich vorhandener linker Antisemitismus erklären? Indem man
auf der im GSP aufgeführten dürftigen Grundlage von der Existenz eines linken
Antisemitismus ausgeht, argumentiert man am Stand der Diskussion innerhalb
linker jüdischer Kreise völlig vorbei.
Zur hier erforderlichen kritischen Auseinandersetzung
gehört auch eine klare Abgrenzung zwischen der jüdischen Bevölkerung, und den
Institutionen, die behaupten, ihre politische Vertretung zu sein. Vor allem der
Staat Israel behauptet immerzu, jedes Verbrechen, jede Greueltat im Namen des
Judentums in aller Welt zu begehen. Viele vermeintlich „jüdischen“ Organisationen
verbreiten unabhängig von der Stimmungslage unter den von ihnen angeblich
Vertretenen israelische Hasbara. Die Meinungen und Interessen der
Jüdinnen und Juden sind ihnen hierbei völlig egal. Damit leisten diese
Institutionen einen maßgeblichen Beitrag zur sehr zu Recht angegriffenen „falschen
Gleichsetzung von Juden und Jüdinnen mit der Politik Israels“ und dadurch zum
Antisemitismus.
Wer sich als Deutscher oder Deutsche nichtjüdischer
Herkunft – verständlicherweise – nicht traut, sich an dieser sehr wichtigen
Diskussion zu beteiligen, sollte das ruhig sagen, anstatt diese mit vagen
Behauptungen zu erschweren. Wer sich gegen eine Beteiligung entscheidet, sollte
sich jedoch darüber im Klaren sein, daß er bzw. sie dadurch den jüdischen
Genossinnen und Genossen die Solidarität versagt.
Man sollte sich ebenfalls davor hüten, propagandistische
Behauptungen über den Widerstand gegen die israelische Besatzung – wie die im
folgenden Zitat Erwähnten – unkritisch zu übernehmen:
Die Verklärung
der von (terroristischen) Aktionen geprägten zweiten Intifada zu einem
Befreiungskampf ist daher unzulässig. Der politische Bezug
auf die Al-Aksa-Brigaden oder reaktionär-fundamentalistische Gruppen wie z.B.
auf die Hamas oder den Dschihad verbietet sich für linke Gruppen und
Organisationen von selbst, nicht zuletzt, weil genau jene Gruppierungen
maßgeblich an der Schwächung und Zerschlagung der früher politisch
einflussreichen palästinensischen Linken beteiligt waren.
Hier machen es sich die Verfasser des GSP viel zu
einfach. Daß die 2. Intifada von terroristischen Aktionen von
palästinensischer Seite „geprägt“ sei, ist keinesfalls erwiesen. Die Hamas,
die gewählte politische Vertretung der palästinenser, als „reaktionär-fundamentalistische
Gruppe“ abzukanzeln, ist ebenfalls eine jener übermäßigen Vereinfachungen,
deren es in dieser Debatte ohnehin zuviele gibt.
Es gibt aber in der ganzen Geschichte keine auch noch so
legitime Widerstandsorganisation, die sich nicht auch terroristische Handlungen
zuschulden kommen ließ. Die Partisanen haben auch Terroranschläge (also
Anschläge gegen Zivilisten zum Zwecke der Einschüchterung) verübt. Ist es
deshalb eine unzulässige Verklärung, ihre Leistungen im Kampf gegen den
Faschismus zu würdigen? Ist ihre Sache dadurch weniger gerecht geworden? Und
wenn man schon mal diesen interessanten Maßstab akzeptiert, stellt sich
folgende Frage: Was kann man da von einer Bewegung halten, die ein fremdes Land
gewaltsam und ohne die Zustimmung der Betroffenen kolonisierte und ihre Macht
in der neuen Kolonie durch Massaker und Terroranschläge sowohl gegen
einheimische als auch eigene Zivilisten verfestigte? Es wäre – wenn man den
obigen Maßstab akzeptiert – geradezu eine lächerliche Verklärung, solch eine
Bewegung als legitim und einen etwaigen auf dieser Grundlage entstehenden Staat
als existenzberechtigt anzusehen.
Um den Aufstieg der Hamas zu begreifen, muß man sich zunächst
einmal darüber im Klaren sein, daß die Fatah (PLO) seit jeher eine korrupte,
inkompetente Organisation ist, die einzig und allein infolge
Alternativlosigkeit als Vertretung der Palästinenser hingenommen wurde. Nach
dem Oslo-Prozeß war für viele das Maß voll, denn durch ihre Bereitschaft, die
Rolle eines Subunternehmers der israelischen Besatzung zu übernehmen, hatte die
Fatah für viele Palästinenser den Verrat an ihrer Sache vollendet. Dem Ausverkauf
durch die Fatah stehen die Sozialleistungen, Korruptionsbekämpfung, und
Demokratieförderung der Hamas gegenüber.
Nicht ohne Grund wurde die Hamas in der ersten und wohl
einzigen freien Wahl seit dem Anfang der israelischen Besatzung gewählt. Der Fundamentalismus
– wegen dessen die Hamas ehemals von Israel mitfinanziert wurde – ist ein
programmatisches Element unter vielen. Ebenfalls sollte die Tatsache, daß Hamas-Führer
Ismail Haniyeh die Zwei-Staaten-Lösung als Verhandlungsgrundlage akzeptiert,
und daß die Hamas – anders als Israel –
2008 die Waffenruhe beachtet hat, in einer ehrlichen Diskussion zum Thema Hamas
Erwähnung finden.
Des Weiteren muß ich vor einer anderen „falschen
Gleichsetzung“ warnen: die der palästinensischen mit der israelischen Gewalt. Die
israelische Besatzungsarmee ist eine der vier stärksten der Welt. Allein die
israelische Luftwaffe ist stärker und besser bewaffnet als die jeder NATO-Macht
außer den USA. Dieser kontinuierlichen, mörderischen Gewalt, die
zugegebenermaßen vor allem gegen Zivilisten gerichtet ist, stehen die
Palästinenser wehrlos gegenüber. Wie absurd diese stillschweigende
Gleichstellung ist, erkennt man sehr leicht an der Toten- und
Verletztenstatistik. Illegale Siedlungen werden ausgebaut, deren häufig
fanatisch fundamentalistische Bewohner die benachbarte Zivilbevölkerung straf-
und gnadenlos angreifen, während in den palästinensischen Bantustans ganze
Viertel dem Erdboden gleichgemacht werden. Dieser massiven Gewalt steht der
palästinensische Widerstand mit selbstgebastelten Raketen gegenüber, die meist
harmlos außerhalb bewohnter Bezirke explodieren, und die selbst israelische
Regierungssprecher deshalb als „symbolisch“ bezeichnen.
Generell wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Wer nicht
selbst mit der Thematik vertraut ist, könnte dieser Abhandlung den Eindruck
abgewinnen, es handele sich beim Konflikt Israel-Palästina um einen Konflikt
zweier Gruppen, die in mehr oder weniger gleichem Maße Gewalt ausüben.
Nirgendwo wird klargestellt, daß der ganze Konflikt auf die erzwungene, durch Gewalt
vorangetriebene Kolonisierung eines bereits bevölkerten Landes zurückgeht, die
1948 sogar in die gewaltsame Vertreibung eines Großteils der einheimischen
Bevölkerung mündete. Mit keinem Wort wird wirklich erwähnt, daß da eine
wehrlose Zivilbevölkerung von einer der mächtigsten Armeen der Welt
bombardiert, vertrieben, drangsaliert, erniedrigt, obdachlos gemacht, als
Geiseln genommen, ausgehungert und ermordet wird. Mit keinem Wort werden die
Pogrome – so hat sie sogar Ehud Olmert genannt – der illegalen Siedler gegen
die benachbarten Zivilisten, die nie ernsthaft geahndet werden, erwähnt.
Zum „linken Antisemitismus“ – so die Verfasser – gehört
auch die Negation des „Existenzrechts Israels“. Zum einen muß hier angemerkt
werden, daß völkerrechtlich gesehen kein Staat so etwas wie ein „Existenzrecht“
hat. So ein Recht kennt das Völkerrecht nicht. Staaten haben nur das
Recht, in Frieden und Sicherheit innerhalb anerkannter Grenzen (im Falle
Israels also der vor dem 4. Juni 1967 bestehenden Grenzen) zu existieren. Erst
als nicht mehr zu überhören war, daß die führenden palästinensischen
Organisationen dieses Recht anerkannten, kam das Gefasel vom „Existenzrecht
Israels“ zum Vorschein. Da das einzige eigentliche „Existenzrecht“ Israels
längst anerkannt worden war, handelt es sich bei diesem „Existenzrecht“ um
etwas anderes, und zwar um die Anerkennung der Legitimität der eigenen
Vertreibung und Entrechtung. So etwas darf niemand verlangen.
Wenn man der Logik des „Existenzrechts“ folgt, müßte man
zu dem Schluß kommen, daß die ostdeutsche Bevölkerung 1989 das Existenzrecht
der Deutschen Demokratischen Republik gröbst verletzte. Die haben die DDR sogar
juristisch vernichtet. Wenn Staaten ein Existenzrecht haben, ist das in der Tat
ein schweres Vergehen. Geradezu komisch ist es aber, wenn man solche Parolen
ausgerechnet aus linkem Munde hört. Viele Linken– darunter auch ich –
lehnen die Existenzberechtigung nicht nur völkisch definierter „weißer“, „christlicher“, „jüdischer“ oder „muslimischer“ Staaten, sondern die eines jeden Staates ab. Warum sollte
man damit ausgerechnet vor dem völkisch-religiös definierten „jüdischen Staat“ Israel
Halt machen? Dabei wird die Legitimität eines jüdischen Staates nicht einmal
unter Zionisten (geschweige denn unter Juden) einstimmig akzeptiert.
Da muß man sich fragen, ob den Verfassern dieses
Abschnitts aufgefallen ist, daß man den Ausdruck „Existenzrecht Palästinas“ so
gut wie nie hört?
Die Existenz Israels steht schon längst nicht in Frage.
Bei Israel handelt es sich seit Jahrzehnten um die größte Militärmacht der
Region, und um den einzigen nuklear bewaffneten Staat des Nahen Ostens. Dabei
steht nicht nur neben der Existenz eines etwaigen palästinensischen Staates,
sondern auch noch neben dem bloßen Überleben der Palästinenser, ein riesengroßes
Fragezeichen. Über die Vertreibung der Palästinenser wird in der israelischen
Politik offen diskutiert, und zwar nicht nur in kleinen
rechtsfundamentalistischen Kreisen. Während Israel und seine Propagandisten die
Negierung mit Worten eines nichtexistierenden Existenzrechts des
israelischen Staates beweinen, machen sie die Existenz eines souveränen,
unabhängigen, lebensfähigen palästinensischen Staates mit Taten unmöglich.
Ginge es nicht auch mit nur einerlei Maß?
Im übrigen muß ich gestehen, daß mir als Jüdin vollkommen
rätselhaft ist, warum dem Thema „Antisemitismus“ heutzutage in solch einer
programmatischen Erklärung ein ganzer Abschnitt gewidmet wird. Erstens handelt
es sich beim Antisemitismus um eine Form des Rassismus. Zweitens handelt es
sich um so ziemlich die einzige Form des Rassismus, für die man in Europa und
in den USA wirklich sensibilisiert ist. Selber habe ich in meiner ganzen Zeit
in der BRD (sowohl in den Großstädten München und Berlin als auch in der
fränkischen Provinz) und Österreich, und im Laufe meines jahrelangen Umgangs
mit nichtjüdischen Deutschen aller möglichen gesellschaftlichen Schichten und
politischen Ansichten noch nie irgendetwas erlebt, was als Antisemitismus
bezeichnet werden könnte. Daraus, daß ich Jüdin bin, mache ich überhaupt keinen
Hehl, und war auch damals, als ich noch in der BRD lebte, durch meine deutlich
sichtbare Davidstern-Halskette ziemlich eindeutig als Jüdin erkennbar. Das
heißt selbstverständlich nicht, daß es keinen Antisemitismus gibt, aber es
handelt sich dabei um eine fast einstimmig verurteilte Randerscheinung.
Wenn der Rassismus gegen Türken, Araber, Asiaten und
Afrikaner in der BRD ein so großes Problem wäre wie heute der Antisemitismus,
könnte sich die deutsche Linke getrost ausschließlich Fragen der politischen
Ökonomie und der Außenpolitik widmen. Anders als die kann man in der BRD als
Jude bzw. Jüdin getrost unbehelligt durch so ziemlich jedes Viertel in jeder
Gemeinde gehen, und wenn doch mal etwas passiert (statistisch gesehen eine
Seltenheit, und die Zahlen sind ständig am Sinken), kann man davon ausgehen,
daß die Justiz, die bei Gewalt gegen „sichtbare“ Minderheiten die Täter mit
Samthandschuhen anfaßt und Mord als „Körperverletzung mit Todesfolge“ oder so
ähnlich ahndet, energisch vorgehen und die Anklage auf den schwersten
vertretbaren Straftatbestand lauten wird.
Wenn es allen Minderheiten in der BRD bloß so „schlecht“
ginge wie uns Juden!
Problematischer im politischen Alltag der BRD sind vielmehr
zwei Erscheinungen: zum einen der Pauschal-Philosemitismus, der uns unverhofft
Extrawürste brät und die Verbrechen des Staates Israel direkt mit uns in
Verbindung bringt, indem behauptet wird, man müsse das angeblich „beispiellose“
oder „einzigartige“ Leid unserer Vergangenheit als tatmildernden Umstand
werten. Damit wird dem gesamten Judentum die moralische Zurechnungsfähigkeit
aberkannt, und die immer mehr werdenden Juden, die die Struktur und das
Verhalten des angeblich „jüdischen“ Staates Israel ablehnen weggeleugnet und
dadurch verleumdet. Ebenfalls höchstproblematisch ist die Gleichsetzung einer
jeden Kritik am Verhalten des Staates Israel oder an der zionistischen
Ideologie mit dem Antisemitismus. Auch diese Erscheinung verwischt die Grenze
zwischen den Juden in aller Welt und dem Staat, der behauptet, in deren Auftrag
zu handeln. Abgesehen von der israelischen Politik, die mit den periodischen
antisemitischen Zwischenfällen in Europa chronologisch sehr gut korreliert,
handelt es sich bei diesen beiden Erscheinungen – dem Philosemitismus und der
sog. „Antisemitismuskeule“ – um die wichtigsten antisemitismusfördernden
Phänomen im heutigen Europa.
Die einleitende Skizze der Geschichte des Antisemitismus
ist ganz gut gemacht, aber sobald der Themenkomplex Schoah angeschnitten wird,
häufen sich die Probleme (nicht zuletzt in bezug auf die richtige Schreibweise
des Wortes). Bei dem Begriff „eliminatorischer Antisemitismus“ ist Vorsicht
geboten. Dieser Begriff entstammt dem inzwischen komplett diskreditierten, und
von Historikern verworfenen, Buch Hitlers
willige Vollstrecker von Daniel Goldhagen.
Problematisch wird es aber erst recht bei dem Ausdruck
„historisch beispielloses Verbrechen“. Die Idee der „Beispiellosigkeit“ bzw.
„Einzigartigkeit“ der Schoah ist für viele Ideologen – die häufig dadurch die
Verbrechen Israels relativieren oder gar rechtfertigen wollen – ein
Glaubenssatz. Die Schoah ist durchaus in manchen Hinsichten „einzigartig“ – vor
allem was die Technologisierung und den hohen Organisations- und
Systematisierungsgrad des Massenmordes betrifft – aber in vielen anderen
Hinsichten eben nicht. Hitler hatte Vorbilder. Besonders begeistert war er von
der Ausrottung der Ureinwohner Nordamerikas durch die europäischen Kolonisten.
Genozid war also kein Novum. Auch Versuche, das Judentum (sowie die muslimische
Bevölkerung) komplett von der Erde zu tilgen, gehörten längst zur
Tradition des christlichen Abendlandes (Kreuzzüge, Inquisition, Pogrome, und
und und). Beispiellos war also nur die Methode. Und man muß sich schon fragen,
warum manchen an dieser angeblichen Beispiellosigkeit soviel gelegen ist. Solche
falschen Begriffe, die andere Völkermorde verharmlosen, sollten von linken Kräften
in Frage gestellt werden.
Noch problematischer wird des bei der Kritik an der
„Historisierung“ des deutschen Faschismus. Hier ist eine klare Definition
gefragt. Was versteht man hier unter „Historisierung“? Hoffentlich ist damit
nicht etwa eine historische Untersuchung gemeint. Beim deutschen Faschismus
handelt es sich schließlich um ein historisches Ereignis. Soll dies heißen, daß etwa die
Schoah für historiographische Untersuchungen wie die bahnbrechende Studie von
Raul Hilberg (Die Vernichtung der
europäischen Juden) tabu ist? Gilt das für alle faschistischen Regimes
(also auch für Pinochet, Bordaberry, Banzer, Suharto, Papadopoulos, Ngo, Chun,
Mussolini, Franco, Duvalier, Trujillo, Salazar, usw.)? Gilt das für alle
Greueltaten, oder nur für Völkermord? Nach welchen Kriterien wird hier
entschieden? Natürlich ist das alles reinster Unfug. Wenn einem nicht
scheißegal ist, ob so etwas irgendwo nochmal passiert, ist es sehr wichtig zu
untersuchen, wie es überhaupt dazu kam. Und ohne systematische,
wissenschaftliche historische Untersuchung geht das eben nicht.
Hätte ich diesen Abschnitt des Grundsatzpapiers geschrieben, sähe er ungefähr
wie folgt aus. Erstens wäre der Abschnitt „Antisemitismus“ ein Unterabschnitt
der Rubrik „Rassismus“. Der Antisemitismus ist nichts anderes als eine Art
Rassismus, nicht mehr und nicht weniger. Durch die Trennung des Antisemitismus
von den anderen Arten des Rassismus wird häufig der Eindruck erweckt, es sei
irgendwie schlimmer, rassistisch gegen Juden zu sein als gegen andere. Daß jede
Form des Rassismus gleichermaßen zu verurteilen ist, muß unmißverständlich
deutlich gemacht werden.
Zweitens läge der Schwerpunkt vor allem auf den Sachen,
die zwar häufig von Israelverklärern als antisemitisch bezeichnet werden, es
aber mitnichten sind. Daß Linke, die definitionsgemäß den Rassismus ablehnen
sollten, diesen auch in seiner antisemitischen Form ablehnen, ist eine
Selbstverständlichkeit. Darüber braucht man nicht lange zu reden. Darüber, wie
der Antisemitismusvorwurf als politische Waffe eingesetzt wird, und was kein
Antisemitismus, sondern sachgemäßer Diskurs ist, wird man allem Anschein nach noch lange diskutieren müssen.
Erstens: Israel ist ein Staat wie jeder andere, und man darf
dessen Verhalten genauso scharf kritisieren und verurteilen wie das eines jeden
anderen. Kritik, auch harte, bittere Kritik an der israelischen Politik ist nie
an und für sich antisemitisch, solange nicht bewußt an den Tatsachen
herumfrisiert wird. Allein der Beweggrund dafür kann antisemitisch sein.
Zweitens: Der Zionismus ist eine politische
Ideologie, die wie jede andere zu behandeln ist. Beim Zionismus handelt es sich
um einen Auswuchs des völkischen europäischen (v.a. deutschen) Nationalismus
des 19. Jahrhunderts. Im Zionismus gab und gibt es viele einander
widersprechenden Strömungen: manche Zionisten lehnen die Idee eines jüdischen
Staates ab, andere – vor allem die herrschenden „revisionistischen“ Strömungen
des heutigen realexistierenden Zionismus – sind dafür, den völkisch-religiös
definierten jüdischen Staat zu erhalten und auch noch geographisch wie
juristisch auszubauen. Dazu gehört u.a. die Idee der „Übersiedlung“ (transfer),
die schon recht früh als Möglichkeit zur Lösung des „demographischen Problems“ (zuviele
Nichtjuden im jüdischen Staate) besprochen wurde. Gerade beim aktuell
realexistierenden Zionismus handelt es sich also um eine knallharte
völkisch-nationalistische Ideologie, wie sie sonst ohne viel aufhebens von
linker Seite abgelehnt wird.
Drittens: Die vermeintliche
„Beispiellosigkeit/Einzigartigkeit“ der Schoah ist eigentlich eine politische
Waffe. Ob etwas beispiellos/einzigartig ist, ist letzten Endes eine empirische
Frage. Der Idee, man dürfe nichts mit der Schoah vergleichen, wird von
niemandem so häufig zuwidergehandelt wie von ihren Verfechtern. Bei denen gilt
Saddam Hussein als Hitler; der Großmufti von Jerusalem finden sie sogar
schlimmer als Hitler. Man darf nur dann keinen Vergleich aufstellen, wenn er
für Israel und dessen Herrchen in Washington ungünstig ausfällt. Das ist alles
völliger Schwachsinn. Richtig müßte es heißen: Vergleichbares vergleichbaren, Unvergleichbares nicht vergleichen.
Mit seiner Rhetorik und vielen Aspekten seiner Besatzungspolitik lädt Israel zu
solchen Vergleichen geradezu ein. Wer sich nicht mit solchen Zeitgenossen
verglichen wissen will, sollte gefälligst so handeln, daß sich solche
Vergleiche nicht aufdrängen. Solche Vergleiche können nur dann als
antisemitisch gelten, wenn sie der Wahrheit bewußt widersprechen oder eindeutig
in der Absicht verwendet werden, die Verbrechen des deutschen Faschismus zu
verharmlosen (siehe für jede Menge eindeutiger Beispiele von letzterem so ziemlich
alles, was David Irving jemals geschrieben hat).
Viertens: Es ist sehr wichtig, zwischen dem traditionellen
europäisch-christlichen Antisemitismus und den antiisraelischen und zum Teil
antijüdischen Ressentiments, die manche aus dem arabisch-muslimischen
Kulturkreis hegen, zu unterscheiden. Vor allem die historischen Hintergründe
sind ganz anders. Als kirchlich unterstützte christliche Mörderbanden alle
Juden und Muslime aus Europa vertreiben wollten, wurde den fliehenden Juden von
den Muslimen in Nordafrika, die sie als „Volk des Buches“ und daher als
Verbündete betrachteten, Zuflucht in ihren Ländern angeboten. Jahrhundertelang
ging es den in Nordafrika und im Nahen Osten lebenden Juden besser als es den
in Europa lebenden Juden jemals erging. Sie genossen dort weitgehende
religiös-kulturelle Freiheit und Schutz vor Gewalt. Nicht umsonst wurden die
muslimisch-arabischen Länder zu Zentren der jüdischen Philosophie, Kultur und
Lehre. Dieses jahrhundertelang bestehende Bündnis wurde erst Ende des 19.
Jahrhunderts durch die zionistische Kolonisation Palästinas gestört. Wie es
dabei den Juden im christlichen Abendland ergangen ist, kann man von jedem
europäischen Juden erfahren, wenn man mal einen findet.
Ebenfalls muß berücksichtigt werden, daß die Zahl der
antisemitischen Zwischenfälle in Europa generell schon seit einigen Jahren
sinkt. Die gelegentlichen Antisemitismusausbrüche vor allem unter Arabern und
Muslimen in Europa hängen meist mit öffentlichkeitswirksam begangenen
israelischen Verbrechen eng zusammen. Gerade dies muß vom traditionellen
europäischen Antisemitismus abgegrenzt werden. Die Greueltaten und Verbrechen
einzelner Staaten haben generell Ressentiments gegen deren Bevölkerungen zur
Folge. Die amerikanischen Angriffskriege der letzten Jahre haben bekanntlich
Ressentiments gegen die USA geschürt. Die Verbrechen des deutschen Staates
haben eine vielerorts heute noch andauernde antideutsche Stimmung geschaffen.
Es darf nicht wundern, daß den Verbrechen des selbsternannten „Staates der
Juden in aller Welt“ antijüdische Ausbrüche folgen.
Mit dem oben Gesagten vertrete ich weder „das
Judentum“ noch „linke/israelkritische/nicht komplett durchgeknallte Juden“. Ich
erörtere nur die Probleme, die ich als einzelne linke Jüdin sehe. Es gilt das
alte jüdische Sprichwort: Frage drei
Juden, und du wirst fünf Meinungen hören. Uns Juden eint letzten Endes nur
unsere tiefe Zerstrittenheit.
Wie eingangs schon gesagt, möchte ich hiermit auch die
Verfasser des GSP-Abschnitts Antisemitismus zu einer wirklichen
inhaltlichen Diskussion zum Thema einladen. Unter anderem würden mich Antworten
auf folgende Fragen sehr interessieren:
1. Waren jüdische GenossInnen überhaupt an der Schaffung des
Grundsatzpapiers oder dieses Abschnitts beteiligt?
2. Inwiefern wurden die Diskussionen in linken jüdischen
Kreisen zum Thema Antisemitismus und Antisemitismus als Waffe gegen Israelkritik
zur Kenntnis genommen oder berücksichtigt?
März 13th, 2009 — BRD, Krieg, USA
Mit dem Krieg gegen den Irak leisten die USA den größten Beitrag zur Völkerverständigung der Nachkriegszeit. In 30 bis 60 Jahren werden die Amerikaner den Deutschen ein noch nie dagewesenes Verständnis entgegenbringen.
Das Stichwort der Nachkriegszeit in der BRD ist Vergangenheitsbewältigung: Wie wird man mit dem vom eigenen Land angerichteten Greuel fertig? Wie wird man mit dem größten Schandfleck der deutschen Geschichte – dem Holocaust – fertig?
Unter Amerikanern gilt der US-Krieg in Vietnam als die größte Schande der US-Geschichte. Der Krieg hat sogar eine eigene Krankheit ins Leben gerufen: das sogenannte Vietnam-Syndrom. Der rechte US-Publizist Norman Podhoretz hat dieses als die „krankhafte Abneigung gegen militärische Gewalt“ definiert. 3 Millionen Menschen wurden damals vom US-Militär ermordet. Auch in den USA ist also Vergangenheitsbewältigung gefragt.
Die deutsche Vergangenheitsbewältigung stößt bei der US-Elite aber auf Schmunzeln. Kritische Auseinandersetzung mit dem Verhalten des eigenen Staats? Bekenntnis zur moralischen Verantwortung, dafür zu Sorgen, daß solch eine Schande nie wieder vorkommt? Wiedergutmachungs- und Schadensersatzleistungen?
Das ist doch alles etwas für Verlierer, für Länder, die nach einem mißglückten Angriffskrieg eine fremde Militärbesatzung dulden müsen! Da machen es die Amis lieber auf ihre eigene Art. Spricht überhaupt jemand im US-Mainstream von Wiedergutmachungsleistungen, von Schadensersatz für die Opfer ihres Krieges in Indochina?
Denkste! Es geht ja schließlich um das Land, in dem der erste Präsident Bush in einem anderen Zusammenhang gesagt hat: „Ich werde mich nie für die Vereinigten Staaten von Amerika entschuldigen, ganz egal, wie die Tatsachen aussehen.“ Nein, die US-Regierung hat sogar behauptet, es gäbe nichts wiedergutzumachen, denn „die Zerstörung erfolgte auf Grundlage der Gegenseitigkeit“. Damit nicht genug, manche US-Politiker haben verlauten lassen, daß man von Vietnam eine Schadensersatzleistung verlangen sollte!
Die Stimmung US-Bevölkerung macht aber irgendeine Art der Vergangenheitsbewältigung notwendig. Irgendwie muß man dem gemeinen Fußvolk helfen, mit diesem Schandfleck der US-amerikanischen Geschichte auf eine so gesunde Art und Weise umzugehen wie es den Bonzen gelingt. Aber kritische Diskussion, Wiedergutmachung?
Nein, der Krieg gegen den Irak ist die amerikanische Art der Vergangenheitsbewältigung. Die Bonzen in den USA haben gesehen, wie sich das Thema Holocaust selbst nach jahrzehntelanger Diskussion noch immer nicht so richtig erledigt hat. Und die haben erkannt, daß den Deutschen da ein gewaltiger Fehler unterlaufen ist: sie haben sich in der Nachkriegszeit nämlich keine auch nur annähernd vergleichbare Tat zuschulden kommen lassen, die den Holocaust verdrängen könnte.
Den Fehler haben sie kapiert: Da braucht man keinen Schadensersatz. Man braucht Schandenersatz! Und so geben sich die US-Bonzen geradezu epische Mühe, den Greuel des Irak-Kriegs so entsetzlich zu machen, daß sich keiner mehr an Vietnam erinnert.
Hätte sich die Merkel 2003 durchsetzen können, hätte auch Deutschland an dieser neuen Phase der Vergangenheitsbewältigung teilhaben können. Doof isse nich.
Februar 21st, 2009 — Antisemitismuskeule, Israel-Palästina, Krieg
http://www.youtube.com/watch?v=vhmlOHDbBHQ